Bernhard Kempen

Europarecht


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76 Erwägungsgründen, 77 Artikeln und in etwa 27.000 Wörtern definiert sie den Rechtsrahmen für Europol recht engmaschig.

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      Zum Anwendungsbereich der Europol-VO ist zu beachten, dass zwar Irland, nicht aber das Vereinigte Königreich und Dänemark an Europol beteiligt sind (vgl. Erwägungsgründe 72 bis 74 der Europol-VO).

      788

      Neben der Europol-VO ist weiteres → Sekundärrecht relevant, das überwiegend jedoch nicht spezifisch mit den Aufgaben von Europol zusammenhängt, so etwa das EU-Beamtenstatut. Zukünftig dürfte jedoch insbesondere die EUStA-VO an Relevanz gewinnen, deren Art. 102 die Zusammenarbeit zwischen Europol und der neu errichteten Europäischen Staatsanwaltschaft regelt (s. dazu auch → Eurojust). Für die Arbeitsweise von Europol sind außerdem interne Durchführungsbestimmungen und sonstiges Innenrecht einschlägig, die einzelne Normen der Europol-VO konkretisieren.

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      Im deutschen Recht werden die Vorgaben der Europol-VO durch das Europol-Gesetz (ursprünglich vom 16.12.1997, BGBl. II S. 2150) umgesetzt. Zwar entfaltet die Europol-VO unmittelbare Wirkung auch im deutschen Rechtskreis, jedoch sind einzelne Bereiche durch die Mitgliedstaaten ausfüllungsbedürftig. Genau dort setzt das Europol-Gesetz an, wie es dies auch schon zum Europol-Übk. (nebst dessen Ratifikation) und zum Europol-Beschl. getan hat. Übrig geblieben ist davon die ehemals als Art. 2 bezeichnete Norm des Europol-Gesetz, die nunmehr (durch Gesetz vom 23.6.2017, BGBl. I S. 1882) ohne Artikel-Bezeichnung in sechs Paragraphen die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Europol regelt (dazu Rn. 812 f.).

      EEuropol (Björn Schiffbauer) › III. Aufgaben und Arbeitsweise

III. Aufgaben und Arbeitsweise

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      Der Zuständigkeitsbereich von Europol ergibt sich zunächst aus dem bereits oben zitierten Art. 88 AEUV. Auch wenn es der Bezeichnung der Europol-VO nach lediglich um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung zu gehen scheint, so hat Europol in Wahrheit sowohl präventive als auch repressive Aufgaben. Sie bewegt sich damit auf der – oft kaum trennscharf zu ziehenden – Schnittstelle zwischen Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsrecht. Schon Art. 88 Abs. 1 AEUV spricht von „Verhütung und Bekämpfung“; diese – wenn man so möchte: doppelfunktionale – Terminologie hält auch die Europol-VO konsequent aufrecht.

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      Es geht jedoch nicht um jede Art der Straftatenverhütung und -bekämpfung, sondern nur um besonders schwere Delikte. Dies wird in Art. 3 unter Verweis auf Anhang I Europol-VO bekräftigt. In diesem Anhang sind sämtliche Kriminalitätsformen aufgelistet, die den Zuständigkeitsbereich von Europol eröffnen. Gelistet sind 30 Deliktstypen, deren Bandbreite von Terrorismus über organisierte Kriminalität, Drogenhandel, Schleusertum und Menschenhandel bis hin zu Völkermord reicht. Daneben sind allerdings auch Betrugsdelikte, Raub und Computerkriminalität aufgeführt. Angesichts dieses weit gezogenen Zuständigkeitskreises hat der primärrechtlich und in Art. 3 Abs. 1 Europol-VO genannte Vorbehalt einer Betroffenheit von zwei oder mehr Mitgliedstaaten und der Verletzung eines gemeinsamen Interesses besonderes Gewicht. Dies gilt erst recht, da Art. 3 Abs. 2 Europol-VO auch damit im Zusammenhang stehende andere (d.h. nicht gelistete) Deliktstypen erfasst.

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      Ist der Zuständigkeitsbereich von Europol einmal eröffnet, hat sie die Aufgabe, die Tätigkeit der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden zu unterstützen und zu verstärken. Dies geschieht im Schwerpunkt durch Datenaustausch, Informationsverarbeitung und Analyse, Art. 4 Abs. 1 Europol-VO. Weitere Aufgaben ergeben sich aus Art. 4 Abs. 2 bis 4 Europol-VO. Diese sind gerichtet auf die Unterstützung der europäischen Institutionen (→ Organe und Einrichtungen). Überdies ist Europol weiterhin Zentralstelle zur Bekämpfung der Euro-Fälschung gemäß dem Beschluss 2005/511/JI des Rates.

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      Eine strikte Trennung zwischen Aufgaben und Befugnissen, wie sie im deutschen Polizei- und Sicherheitsrecht zwingend erforderlich ist, nimmt die Europol-VO auf den ersten Blick nicht vor. Vielmehr verschmelzen Aufgabenbereiche mit konkreten Befugnissen zur Erhebung, Auswertung und Übermittlung personenbezogener Daten. Gleichwohl lässt sich aber feststellen, dass die Eröffnung eines Aufgabenbereichs von Europol conditio sine qua non ist für das Ergreifen konkreter Maßnahmen. Deren Voraussetzungen sind – Befugnisnormen nicht unähnlich – auch in der Europol-VO näher ausgestaltet.

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      Die konkreten Befugnisse von Europol lassen sich aus Kapitel IV – Art. 17 ff. – Europol-VO ableiten. Darin sind die Bedingungen zur Informationsverarbeitung genau benannt, woraus sich ergibt, dass die Datenerhebung und -verarbeitung nicht grenzenlos erfolgen darf. Zentral ist in diesem Zusammenhang der generalklauselartig formulierte Art. 18 Abs. 1 Europol-VO, der die Verarbeitung von Daten zur Verwirklichung der Ziele von Europol gestattet. Die Voraussetzungen der Erhebung und Verarbeitung von Daten normieren dann zugleich die Befugnisse von Europol. In den weiteren Befugnisnormen – zusätzlich flankiert von Anhang II der Europol-VO – wird jeweils differenziert zwischen eigener Erhebungstätigkeit von Europol einerseits und dem Datenempfang von dritter Seite andererseits, sodann werden anhand von Anlass und Zweck der Datenerhebung die weiteren Verarbeitungsbefugnisse festgelegt. Auch wenn die Regelungsdichte besonders in diesem Bereich recht ausgeprägt ist, so zeigt sich doch, dass Europol in der EU offenbar ein hohes Vertrauen und entsprechend umfangreiche Befugnisse zu Datenerhebung und -verarbeitung genießt. Dies gilt umso mehr im Zusammenhang mit dem zuvor genannten Aufgabenkatalog, der ähnlich weit ausgestaltet ist.

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      In der Gesamtschau von Aufgaben und Befugnissen wird deutlich, dass Europol nicht nur klassische polizeiliche Befugnisse im Zusammenhang mit Daten eingeräumt werden, sondern auch solche, die im Kern im Bereich der Nachrichtendienste anzusiedeln wären. Dies unterstreicht, dass Europol gerade nicht nur der Strafverfolgung, sondern in ganz erheblicher Weise auch der Vorfeldaufklärung zur Straftatverhütung dient. Dafür spricht insbesondere der mit denselben Befugnissen flankierte Aufgabenbereich, strategische Analysen und Bedrohungsanalysen sowohl für den Bereich der EU (Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 18 Abs. 2 und 3 Europol-VO) als auch für den mitgliedstaatlichen Bereich (Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art. 18 Abs. 2 und 3 Europol-VO) zu erstellen.

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      Zwangsmaßnahmen sind Europol hingegen weiterhin nicht gestattet, Art. 88 Abs. 3 S. 2 AEUV, Art. 4 Abs. 5 Europol-VO.

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      Die umfassenden informationellen Befugnisse von Europol können aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht ohne vergleichbar dichte datenschutzrechtliche Kanalisierungen existieren. Dies soll Kapitel VI – Art. 28 ff. – Europol-VO gewährleisten. Darin werden den Standards zum Datenschutz (s. → Datenschutz, Europäischer) entsprechend die weiteren Voraussetzungen für den Umgang mit einmal erhobenen und verarbeiteten Daten festgeschrieben wie etwa eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Erhebung, Zweckbindung sowie Speicher- und Löschfristen.

4. Kooperationspartner von Europol