Bernhard Kempen

Europarecht


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Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen im Zusammenhang mit näher bestimmten Verhaltensweisen. Eurojust unterscheidet sich damit schon im Ansatz von → Europol; während Eurojust ausschließlich i.R.d. Strafverfolgung (also rein repressiv) im Hinblick auf staatsanwaltschaftliche Tätigkeiten handelt, ist Europol präventiv und repressiv mit Schwerpunkt auf Polizeiarbeit tätig. Die dazu in Bezug stehenden Straftaten sind in Art. 4 Abs. 1 Eurojust-Beschluss dynamisch geregelt, nämlich durch Verweis auf Europol. Dies bedeutet, dass sämtliche Kriminalitätsformen (soweit sie schwer oder insbesondere organisiert in Erscheinung treten) im Zuständigkeitsbereich von Europol – nebst damit zusammenhängenden Straftaten – zugleich auch in den Zuständigkeitsbereich von Eurojust fallen. Angesichts des signifikant gewachsenen Straftatenkatalogs in der Anlage zur Europol-VO (dazu auch → Europol) bedeutet dies auch, dass der Tätigkeitsbereich von Eurojust nunmehr stark gewachsen ist. Darüber hinaus ist eine weitere Erstreckung der zuständigkeitsbegründenden Straftaten im Einzelfall auf Antrag einer mitgliedstaatlichen Behörde möglich, Art. 4 Abs. 2 Eurojust-Beschluss.

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      Wenn die Zuständigkeitsvoraussetzungen von Eurojust erfüllt sind, regelt Art. 5 Eurojust-Beschluss die innerorganisatorische Wahrnehmung dieser Aufgaben; man kann dies auch als Organkompetenz bezeichnen. Zur Aufgabenerfüllung berufen ist entweder ein betroffenes nationales Mitglied selbst oder Eurojust als Kollegium – letzterer Fall tritt jedoch nur unter besonderen Bedingungen ein, die typischerweise einen Unionsbezug aufweisen müssen.

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      Die innerhalb des Aufgabenbereichs von Eurojust liegenden (und im Eurojust-Beschluss nicht durchgängig so bezeichneten) Befugnisse bestehen innerhalb des jeweils näher ausgestalteten Arbeitsbereichs der nationalen Mitglieder oder des Kollegiums. Bei Tätigwerden der nationalen Mitglieder bestimmt Art. 6 Eurojust-Beschluss die einzelnen Befugnisse, nämlich u.a. nationale Behörden zu ersuchen, bestimmte Prozesshandlungen in Erwägung zu ziehen. Überdies sind verschiedene Unterstützungspflichten i.R.d. Informationsaustauschs (zu dem Eurojust dann zugleich befugt ist) statuiert. Entsprechendes gilt beim Tätigwerden des Kollegiums über Art. 7 Eurojust-Beschluss.

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      Daneben sind in zahlreichen anderen Normen des Eurojust-Beschlusses Befugnisse zur Datenerhebung, Datenverarbeitung und zum Datenaustausch durch Eurojust und die Mitgliedstaaten festgesetzt. Insbesondere haben die nationalen Mitglieder von Eurojust aus ihren Mitgliedstaaten abgeleitete Befugnisse für die Dauer ihrer Amtszeit. Diese erstrecken sich gem. Art. 9 Eurojust-Beschluss v.a. auf Datenerhebungsmaßnahmen in Bezug auf mitgliedstaatliche Datenbanken. Die nationalen Mitglieder sind insoweit einem nationalen Richter oder Strafverfolgungsorgan gleichgestellt. Konkretisiert werden diese Befugnisse in den Art. 9a bis 9f. Förmliche Prozesshandlungen dürfen durch Eurojust jedoch nicht vorgenommen werden, Art. 85 Abs. 2 AEUV. Dazu sind weiterhin nur die nationalen Behörden befugt, vgl. etwa auch § 9c Abs. 2 Europol-Beschluss, soweit nicht der Zuständigkeitsbereich der EUStA eröffnet und diese tätig geworden ist, vgl. Art. 22 ff. EUStA-VO.

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      Die umfassenden informationellen Befugnisse von Eurojust können aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht ohne vergleichbar dichte datenschutzrechtliche Kanalisierungen existieren. Dies soll zuvörderst der gem. Art. 17 Eurojust-Beschluss vorhandene Datenschutzbeauftragte gewährleisten. Auch werden weitere Voraussetzungen für den Umgang mit einmal erhobenen und verarbeiteten Daten festgeschrieben, dies jedoch (noch) nicht so umfassend wie es für Europol als vergleichbar eingriffsintensive Stelle geschehen ist. In einer zukünftigen Verordnung zu Eurojust wird auf die modernen Standards zum Datenschutz (s. → Datenschutz, Europäischer) näher einzugehen sein.

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      Als Knotenpunkt zum Datenaustausch ist Eurojust natürlich auf Kooperationen angewiesen. Solche existieren im Schwerpunkt mit den Mitgliedstaaten, die in ein nationales Eurojust-Koordinierungssystem eingebunden sind, Art. 12 Eurojust-Beschluss. In diesem Rahmen benennen die Mitgliedstaaten nationale Anlaufstellen zur Aufgabenerfüllung von Eurojust. In Deutschland ist dies v.a. das Bundesamt für Justiz gem. § 3 Nr. 1 EJKV i.V.m. § 7 Abs. 1 EJG.

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      Die Betätigungen von Eurojust reichen jedoch weiter. Etwa arbeitet Eurojust eng mit dem sog. Europäischen Justiziellen Netz, Art. 25a Eurojust-Beschluss, zusammen. Dies ist ein Netzwerk nationaler Kontaktstellen ohne zentrale Organisation, das schon vor der Institutionalisierung der JZS bestand. Inwieweit es dieses Netzes im jetzigen Entwicklungsstadium von Eurojust noch bedarf, ist indes eine andere Frage. Daneben pflegt Eurojust auch Beziehungen zu anderen Einrichtungen der EU wie etwa Europol, OLAF, Frontex (→ Aufenthalts-, Ausländer- und Asylrecht, Europäisches) und zum Rat, Art. 26 Eurojust-Beschluss.

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      Sobald die EUStA ihre Tätigkeit aufgenommen hat (s. Rn. 700), dürfte sie einer der engsten Kooperationspartner von Eurojust werden, wie dies bereits Art. 86 Abs. 1 AEUV impliziert. Dies greift die EUStA-VO auf, indem sie in Art. 3 Abs. 3 statuiert: „Die EUStA arbeitet mit Eurojust zusammen und wird von dieser Stelle im Einklang mit Artikel 100 unterstützt.“ In Art. 100 EUStA-VO werden die Beziehungen zwischen Eurojust und EUStA konkretisiert. Nach dessen Absatz 1 beruht die Zusammenarbeit „im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgabenbereiche und auf der Entwicklung von Verbindungen auf operativer, Verwaltungs- und Managementebene zwischen ihnen“. Im Kern wird näher geregelt, dass die EUStA auf die bei Eurojust zusammenfließenden Informationen zurückgreifen kann und Eurojust i.R.v. Rechtshilfeersuchen der EUStA unterstützend mitwirkt. Form, Inhalt und Intensität der Kooperation wird sich in der zukünftigen Praxis genauer herausbilden müssen. Starre rechtliche Kompetenzabgrenzungen sind nicht immer erkennbar, doch dürfte im Kern festzustellen sein, dass die EUStA für operative Strafverfolgungsmaßnahmen und Eurojust für den notwendigen Informationsaustausch zuständig ist.

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      Auch jenseits der Unionsebene ist Eurojust aktiv: Es kooperiert mit Drittstaaten und Organisationen, Art. 26a Eurojust-Beschluss. Inzwischen unterhält Eurojust Kontaktstellen in 42 Drittstaaten und darüber hinaus bestehen spezielle völkerrechtliche Kooperationsübereinkommen mit Island, Norwegen, der Schweiz, Liechtenstein, der Ukraine, Mazedonien, Moldawien, Montenegro und den USA. Außerdem sind Verbindungsstaatsanwälte in den USA, der Schweiz, Montenegro und Norwegen für Eurojust tätig.

      EEurojust (Björn Schiffbauer) › IV. Organisation

IV. Organisation

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      Als Stelle der EU (um eine Agentur [→ Einrichtungen und sonstige Stellen] handelt es sich de lege lata nicht) ist Eurojust mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet (Art. 1 Eurojust-Beschluss) und von den EU-Institutionen rechtlich getrennt. Eurojust gehört aber zum acquis communautaire (→ Beitritt), da sein Bestand auf Art. 85 AEUV zurückgeht. Es gehört zum RFSR und ist dabei im Bereich der JZS angesiedelt. Insbesondere ist Eurojust Partner der EUStA (s. Rn.