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Theorien der Literatur VII


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andererseits durch einen Obelisken und ein Aquädukt auf die Bedeutung Nordafrikas in der Antike verweisend. Die paradigmatische Erscheinung des Krokodils wird links durch die Gegenüberstellung seines Mauls mit dem eines (phantastisch gestalteten) Nilpferds betont, rechts durch die Parallelisierung seines schleifenförmig gewundenen Schwanzes mit einem verschlungenen Schlangenpaar; diese Form wird im linken Mittelgrund überdies in der Figur eines Basilisken aufgenommen, der auf die in der antiken Literatur beschriebenen Wundertiere des afrikanischen Hinterlands verweist und als vermeintlich todbringendes Geschöpf ein besonderes Faszinosum der frühneuzeitlichen Naturkunde bildete.

      Das Motiv einer Krokodilreiterin mag bizarr erscheinen, doch dürfte es von einer Plinius-Passage motiviert gewesen sein, der zufolge ein legendäres Volk in Afrika einst Krokodile soweit zu zähmen verstanden hätte, dass es sie als Reittiere nutzen konnte. Collaert gelang durch diese Darstellung jedenfalls die Suggestion beinahe magisch mit der Natur verbundener Ethnien, die einen umso größeren Gegensatz zu den europäischen Kulturgesellschaften bilden, als die von ihnen harmonisierte Fauna als heimtückisch und giftig dargestellt wird.

      8. Rubens

      Die Vermutung, es habe manipulierte Krokodilpräparate gegeben, deren Schwanz nach dem Vorbild von Drachendarstellungen gerollt war, wird auch von den Krokodilen genährt, die Peter Paul Rubens gemalt hat. Rubens hat in mindestens drei Monumentalgemälden Krokodile dargestellt. Das früheste zeigte Neptun und Amphitrite und verbrannte 1945 in Berlin; auf ihm war das Götterpaar von mythologischen Figuren und wilden Tieren umringt, zu denen auch ein von rechts ins Bild schwimmendes Krokodil gehörte, auf das sich spielerisch eine Nereide lehnte. Die auch auf der fotographischen Reproduktion erkennbare Nahtstelle auf der Nackenspalte lässt darauf schließen, dass Rubens sich an einem ausgestopften Präparat orientiert haben dürfte. Er wiederholte das Motiv auf den Vier Flüssen des Paradieses von 1615, auf denen das Krokodil als Attributtier des Nils von links ins Bild schwimmt und von Putten umspielt wird. Bei beiden Gemälden fällt auf, dass die Krokodile vom Bildrand abgeschnitten werden; nur der allerdings deutlich nach oben gerollte Ansatz ihrer Schwänze ist zu erkennen.

      Rubens’ berühmtestes Krokodil ist allerdings das auf der Jagd auf Nilpferd und Krokodil von 1616.1 Das Gemälde zeigt den Höhepunkt des Jagdgeschehens, bei dem die beiden Tiere von drei berittenen Jägern und deren Treibern in die Zange genommen und nun mit Lanzen niedergestochen werden sollen. Im Tumult trampeln sie über einander; grausame Details wie die Quetschungen, die die gefallenen Treiber erleiden, und die Bisse, mit denen sowohl die Hunde als auch ein Pferd ihren Opfern zusetzen, steigern die Dynamik der Darstellung. Sie verdichten auch den Eindruck einer Bewährungsprobe, der die Jagd ikonographisch in Parallele zum Krieg setzte und im kaltblütigen Jäger Ideale des Regierens spiegelte. Hierzu trägt auf Rubens’ Bild die äußerste Wildheit der Beute bei, zumal derartige Exoten in Europa kaum je, zumindest aber nicht lebend zu sehen waren.

      Arnout Balis nahm an, dass Rubens das Nilpferd auf der Grundlage von Studien zweier ausgestopfter Exemplare gemalt haben dürfte, die 1601 in Rom ausgestellt worden waren.2 Angesichts der hohen Ähnlichkeit der drei Krokodile, die Rubens gemalt hat, ließe sich für dieses Tier eine ähnliche Vermutung anstellen. Mehr noch scheint es sich um ein manipuliertes Präparat mit nach oben schlängelndem Schwanz gehandelt zu haben, den Rubens zweimal durch den Bildrand abschnitt, in der Jagd auf Nilpferd und Krokodil hingegen überzeugend in die Komposition eintragen konnte, da dieses Krokodil zwischen den Jägern und dem Nilpferd eingeklemmt erscheint. Es sei im Übrigen erwähnt, dass Rubens mit dem Thema kaum am zeittypischen Exotismus gelegen haben dürfte; eher scheint der Bericht über ein römisches Relief, auf dem eine Krokodiljagd dargestellt war, den humanistisch gelehrten Künstler zur Nachbildung des Sujets motiviert zu haben.3

      Abb. 4: Soutmans Kupferstich nach Rubens’ Jagd auf Nilpferd und Krokodil

      Rubens’ Jagdgemälde wurde in der druckgraphischen Version seines Kupferstechers Pieter Claesz. Soutman vervielfältigt (Abb. 4). Von dieser Vorlage übernahm der flämische Maler Jan van Kessel Rubens’ Nilpferd und Krokodil für einen 1664–1666 entstandenen Erdteile-Zyklus, der auf vier von jeweils sechzehn kleinformatigen Landschaften umgebenen Allegorien das Thema ausreizt. In womöglich bewusster Analogie zur Kompilatorik der zeitgenössischen Naturgeschichte versammelte van Kessel dafür eine Unzahl von Bildvorlagen aus zoologischen Publikationen und Reiseberichten, die er gleichberechtigt mit Tierdarstellungen aus der flämischen Malereitradition verband, und versah die allegorischen Bilder so mit dem Anschein wissenschaftlicher Präzision.

      Abb. 5: Jan van Kessels Ansicht von Havanna

      Die Ansicht von Havanna zeigt Krokodil und Nilpferd in einem neuen Zusammenhang, in dem sie nicht von Jägern bedrängt werden, sondern als vermeintliche Vertreter der kubanischen Fauna erscheinen, die mit Imponiergehabe um ein erlegtes Krokodil streiten; ein weiteres Krokodil reckt von rechts den Kopf in die Szene, während verstreute Knochen, darunter der Kinnbacken eines Esels sowie ein Menschenschädel, auf vergangene Fressräusche schließen lassen. Van Kessel münzte Rubens’ Vorlage damit auf die Amerika-Ikonographie um und setzte die kannibalischen Krokodile in Analogie zur angeblichen Anthropophagie der amerikanischen Indigenen.4 Hatte Rubens versucht, die unwahrscheinliche Schanzenform des Krokodilschwanzes in der dicht gedrängten Komposition zu kaschieren, so scheint van Kessel sie als Zeichen für das durchtriebene Verhalten des Tiers extrapoliert zu haben. Dies erscheint umso naheliegender, als der Maler auch mehrere Krokodilmotive nach Camerarius in den Erdteile-Zyklus integriert hat; die Reptilien zucken und schlängeln und verheißen nichts Gutes in den fernen Gefilden.

      Abb. 6: Maria Sibylla Merians Kampf zwischen einem Kayman und einer Korallenschlange

      9. Merian und Seba

      Die Zählebigkeit, mit der sich die Schlangenschwanz-Formel hielt, wird an zwei berühmten Krokodildarstellungen des 18. Jahrhunderts deutlich. 1719 erschien die zweite, erweiterte Ausgabe von Maria Sibylla Merians Metamorphosis insectorum Surinamensium, die die Darstellung eines Kampfs zwischen einem Kaiman und einer Korallenschlange beinhaltet (Abb. 6). Die beiden Reptilien winden sich in Seitenansicht um einander; der neutral gehaltene Hintergrund und der lediglich als Fläche markierte Vordergrund gewährleisten die Konzentration auf die beiden Tiere, die mit so hoher mimetischer Präzision gestochen sind, dass die Form und Lage jeder einzelnen Schuppe nachvollziehbar wird. In einem Detail zeigt das Bild den Anlass des Kampfs, denn die Schlange ist eine Nesträuberin und lässt in ihrer Gier nicht einmal vom Ei des Kaimans ab, als dieser sie bereits mit seinen nadelspitzen Zähnen fixiert hat. Das Fortbestehen der Art bleibt ohnehin gewährleistet, denn im Schutz der Hinterbeine des Muttertiers schlüpft soeben ein Jungtier aus einem weiteren Ei. Merian hat den Kampf in geradezu ornamentalen Windungen komponiert, wobei sich insbesondere die Schlange in zwei Schleifen in die Höhe zu recken scheint. Dort wird sie von dem spiralförmig gerollten Schwanz des Kaimans gehalten; die Formen lassen den Kraftakt, in der Luft zu ringen, geradezu physisch spürbar werden.

      Das Bild sticht aus seinem Kontext heraus, denn die Metamorphosis insectorum Surinamensium, in erster Auflage 1705 erschienen, waren das Ergebnis eines Aufenthalts Merians in der niederländischen Kolonie Surinam von 1701 bis 1702, wo Merian Insekten und Pflanzen studierte, Proben sammelte und Zeichnungen anfertigte. Das Buch zeigt die Ergebnisse in kolorierten Kupferstichen, die von Texten kommentiert werden. Ihr typischer Aufbau verbindet von unten ins Bild rankende Pflanzenstängel mit Blättern und Blüten sowie Insekten in verschiedenen Entwicklungsstadien zum Überblick eines je spezifischen Biotops. Nur auf einigen Tafeln fügte Merian weitere Tierarten wie Schlangen und Eidechsen hinzu, verband diese Darstellungen allerdings mit der Aussicht auf eine eigenständige Publikation zur südamerikanischen Fauna, die jedoch nicht erscheinen ist.1 Womöglich war die Darstellung des Kaimans ursprünglich dafür vorgesehen.

      Ihr ging eine Zeichnung voraus, auf der Kaiman und Korallenschlange zwar in der