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Biblische Sprachen im Theologiestudium


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sowohl jüdische Benutzer/innen, als auch Verfasser/innen der entsprechenden Bücher Verfolgung und Vernichtung erlitten. Gleichzeitig gab es in dieser Zeit neue hebräische Grammatiken auf Französisch, Italienisch, und – selbstverständlich – Englisch. Die Buchautoren waren genauso wie im 19. Jh. überwiegend Theologen, mit Ausnahme von Gotthelf Bergsträßer, Hans Bauer und Pontus Leander, bei denen es sich um Semitisten und Orientalisten handelte. Es fällt auf, dass in der Liste kein von einer Frau verfasstes Lehrbuch vorkommt.

      Einige neue Lehrbücher des Biblisch-Hebräischen, verfasst von jüdischen Autoren, gab es ebenfalls zu Beginn des 20. Jh.s.19 Gleichzeitig entstand ein neuer Typ von Lehrbüchern, nämlich für das Neuhebräische, also Iwrit.20 Sie enthielten moderne Übungstexte, die zum Teil in kursiver Schrift dargeboten wurden. Einmalig ist die Beschreibung des Biblisch-Hebräischen von M.A. Wiesen, die in Iwrit verfasst wurde.21 In dieser Zeit erschienen auch Wörterbücher des Neuhebräischen.22 Diese Entwicklung ist mit dem Aufkommen des Zionismus verbunden, wodurch das Erlernen des Iwrits sowohl zum Ausdruck des nationalen Selbstbewusstseins wurde, als auch der Vorbereitung auf die Einwanderung ins Land der Väter diente.23 In der Zeit nach 1933 dürfte das letztere Motiv eine starke Rolle beim Verfassen dieser Grammatiken gespielt haben.24 Das Buch von Ben-Chaviv hieß programmatisch Lerne Hebräisch, die Sprache Palästinas.

      Im 20. Jh. gab es in Deutschland und in der Bundesrepublik keinen Lehrstuhl für Hebraistik. Nur in den Jahren 1983–1994 bestand am Institut für Assyriologie und Hethitologie der Fakultät für Altertumskunde und Kulturwissenschaften der LMU München eine Professur für Hebräische und Ugaritische Sprach- und Literaturwissenschaft, die für den von der Katholisch-Theologischen Fakultät wechselnden Professor Wolfgang Richter ad personam eingerichtet wurde.25 Die Bezeichnung seines vorherigen Lehrstuhls Einleitung und Exegese des Alten Testaments und biblisch-orientalischer Sprachen verdeutlicht, dass Forschung und Lehre zum Althebräischen nur im Verbund anderer Sprachen institutionell angesiedelt war. Die Forschungsstelle für Althebräische Sprache und Epigraphik, eingerichtet von Diethelm Michel, ist an der Universität Mainz ebenfalls an der Theologischen Fakultät verankert. Ebenso bestand die Forschungsstelle Qumran-Wörterbuch, die seit 2006 an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen als Langzeitprojekt beheimatet ist, ursprünglich an theologischen Fakultäten in Heidelberg und Marburg, und sie ist auch jetzt eng an die Theologie angebunden.26

      So erfolgte die Forschung zur hebräischen Sprache vor allem an den alttestamentlichen und im viel kleineren Maß an den judaistischen und semitistischen Instituten. Auch die klassischen hebräischen Texte wie die Hebräische Bibel sowohl in der Form der Kittel’schen Biblia Hebraica, als auch später als Biblia Hebraica Stuttgartensia sowie die Mischna27 wurden von Theologen ediert und herausgegeben. Die Edition des Samaritanischen Pentateuchs wurde ebenfalls vom Theologieprofessor August Freiherr von Gall herausgegeben,28 auch wenn er von seiner Ausbildung her Orientalist war. Dies war eine Fortsetzung der bisherigen Entwicklung, die der wissenschaftsorganisatorischen Lage des 18. und des 19. Jh.s geschuldet war, einer Zeit, in der die Herausgabe jüdischer Texte von Orientalisten und Theologen wie Johann David Michaelis, Karl Gottfried Wilhelm Theile und Hermann L. Strack initiiert wurde.29 Wie im 19. Jh. wurden oft Fragen der Morphologie und Syntax des Biblisch-Hebräischen im Zusammenhang mit der Textkritik des Bibeltextes untersucht.

      Ebenso wie im 19. Jh. wurden Einzelfragen der Grammatik in Monographien und unzähligen Aufsätzen behandelt. Wie schon oben erwähnt, beschäftigte sich die Forschung auch mit der Lexikographie sowie mit althebräischer Epigraphik. Der Orientalist (und Theologe) Paul Kahle untersuchte bis zur seiner Suspendierung 1939 in Bonn masoretische Traditionen des Hebräischen. Seine Schüler erschlossen im Rahmen ihrer Promotionsarbeiten verschiedene Bereiche der mittelalterlichen Grammatik sowie der Masora und edierten Texte.30 In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden ebenfalls an einzelnen Orten Forschungsschwerpunkte ausgebildet. So beschäftigte sich Wolfgang Richter mit syntaktisch-semantischen Fragestellungen sowie der strukturellen Beschreibung und computergestützten Erschließung des Bibeltextes, Diethelm Michel erforschte die Satzsyntax, während die von Karl Georg Kuhn in Heidelberg ins Leben gerufene Qumranforschungsstelle ihrem Namen entsprechend die Texte von Qumran zum Gegenstand hatte.

      Herbert Donner arbeitete an der Gesenius-Arbeitsstelle in Kiel (1983–2010) an der Neubearbeitung des Wörterbuches von Wilhelm Gesenius. Im Jahre 1953 wandte sich der Springer-Verlag an den Jenaer Alttestamentler Rudolf Meyer mit einer Anfrage bezüglich einer Neuedition. 1954 begann Meyer an einer Revision zu arbeiten, im März 1974 war das Manuskript mit den ersten drei Buchstaben des Alphabets fertig; der erste der Einzelbände erschien aber erst 1987.31

      Der Einfluss der deutschsprachigen Hebraistik in anderen Ländern war schon im 19. Jh. erkennbar, als einige Lehrbücher sowie die Grammatik32 und das Wörterbuch33 von Gesenius ins Englische übersetzt wurden. Dieser Trend wurde im 20. Jh. mit dem Erscheinen einer weiteren englischen Übersetzung der Grammatik34 sowie einer weiteren Übersetzung und Bearbeitung des Wörterbuches von Francis Brown/Samuel Rolles Driver/Charles Augustus Briggs35 fortgesetzt. Das in den Niederlanden erschienene Wörterbuch der Schweizer Theologen Ludwig Köhler und Walter Baumgartner36 erfuhr ebenfalls eine englische Übersetzung und Überarbeitung,37 und seine dritte, von Walter Baumgartner und Johann Jakob Stamm bearbeitete Auflage wurde auch übersetzt.38 An der Bearbeitung dieser Auflage beteiligten sich auch die israelischen Hebraisten und Aramaisten Ze’ev ben Ḥayyim und Eduard Yechezkel Kutscher.

      Die Grammatik von Bergsträßer wurde von Mordechai Ben Asher ins Hebräische übersetzt.39

      Zum Iwrit erschienen in Deutschland im 20. Jh. nur wenige Lehrbücher,40 drei Wörterbücher41 und vereinzelte Studien.

      Die Ansiedlung der Lehrstühle, an denen hebraistische Sprachforschung möglich war, an theologischen Fakultäten sicherte auf der einen Seite gewisse Möglichkeiten dieser Forschung. Auf der anderen Seite war die entsprechende institutionelle Anbindung dem Fortschritt der Wissenschaft teilweise abträglich, da die Promotionsordnungen der theologischen Fakultäten nur Kirchenmitgliedern Promotions- und Habilitationsmöglichkeiten in Aussicht stellen. Da an einigen Standorten die judaistischen Lehrstühle an theologischen Fakultäten angesiedelt sind, besteht auch hier keine Aussicht auf eine wissenschaftliche Laufbahn für diejenigen, die keiner unter dem (Staats-)Kirchenvertrag stehenden Kirche angehören.42 Dieser Zustand, der sowohl dem Verständnis der Universität als einer für alle offenen Einrichtung als auch dem Zeitgeist entgegenläuft, versperrt(e) vielen Juden und Menschen anderer Volksgruppen43 den Weg in die Bibelwissenschaft und benachbarte philologische und historische Disziplinen. Die Fokussierung auf die Erforschung des Hebräischen der Bibel brachte dazu eine Engführung des Forschungsfeldes mit sich, sowohl in diachroner als auch in synchroner Hinsicht. Was ersteres betrifft, so wurde im vergangenen Jahrhundert mit den Texten vom Toten Meer ein großer neuer Sprachkorpus entdeckt, der erforscht und in den Kontext der hebräischen Sprachgeschichte gestellt werden musste. Dadurch entstand Qumranistik, ein neuer hebraistischer und judaistischer Forschungszweig. Auch die Anzahl der Inschriften unterschiedlicher Orte und Zeiten wuchs stark an. Systematische Suche nach und Katalogisierung von mittelalterlichen Handschriften aller Gattungen machte ebenfalls eine Fülle des Sprach- und Textmaterials zugänglich. Die Erforschung dieser Gebiete ist allerdings weniger ausgeprägt als im Bereich des Biblisch-Hebräischen. Was den Aspekt der Synchronie betrifft, so war die Forschung zum Biblisch-Hebräischen sehr stark auf den Bibeltext tiberischer Prägung fixiert, während nichttiberische masoretische Sprachtraditionen kaum beachtet wurden.

      Es gab auch Entwicklungen, die einen gewissen Ausbau der Disziplin und Erweiterung des Forschungskreises bedeuteten. Die Einrichtung von einzelnen, oben erwähnten Forschungsstellen gehört dazu. Die seit 1988 erscheinende Zeitschrift für Althebraistik ist ein Forum für Publikationen aus den Bereichen biblisches, epigraphisches, qumranisches und masoretisches Hebräisch.

      Hebräischdozentinnen und -dozenten treffen sich seit 1979 jährlich zur Internationalen Ökumenischen Konferenz der Hebräischlehrenden (IÖKH), bei der Themen der Hebraistik und der Textauslegung sowie methodische und didaktische Fragen des (biblisch-)hebräischen Unterrichtes Diskussionspunkte bilden. Der Titel der Konferenz öffnet sie programmatisch für Teilnehmende, die sowohl an Institutionen jeder kulturellen