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Das geistige Straßburg im 18. und 19. Jahrhundert


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/ wie wie hierinn beschrieben werden / kein andrer Unterschied gemacht wird / als daß diese mit offenbarer Gewaltthäthigkeit / jene mit allerhand verdeckten Räncken und heimlichen Griffen / die Leid um das Ihrige bringen.8

      Die rationale Haltung, welche die Autoren beider Stücke akzentuieren, die Kritik an Leichtgläubigkeit und Aberglauben und die Betonung des Nutzens des literarischen Spiels und daraus zu ziehender Lehren für den Zuschauer, spiegeln Aspekte einer poetologischen Programmatik, die im weiteren Verlauf der literarischen Aufklärung zur Entfaltung gelangen sollte, aber in den Übergängen von Barock und Frühaufklärung schon erkennbar sind.

      Während das Nürnberger Stück bereits in seinem Titel auf eine französische Vorlage verweist, Christian von Gletelberg als Übersetzer desselben vor den Leser tritt und die Hinweise auf Bühnenwerke Molières den Bildungshorizont des unbekannten Verfassers und seines Publikums anzeigen, zeigt das Straßburger Stück die Vielfalt an Formen, Inhalten und Traditionen, die für die Bühnen des Barock vor „der klassizistischen Reinigung der Schaubühne“ kennzeichnend ist.9 Nicht die Geschlossenheit der Form und der Handlung, die Symbolhaftigkeit der dargestellten Welt oder das Individuelle der Personen stehen im Vordergrund; stattdessen weist das Stück durch die Reihung von komischen Szenen, Dialogen und Verwicklungen sowie durch das Typenhafte der Figuren auf eine Poetik, die an der unterhaltenden Wirkung des Bühnengeschehens orientiert ist. Das Nebeneinander zweier Handlungen, die Erweiterung um Szenen, denen die Funktion von Zwischenspielen zukommt und die Ergänzung um ein Nachspiel, erscheint daher lediglich aus der Perspektive eines Werkbegriffes als defizitär, der zwischen Sturm und Drang und Romantik entwickelt worden ist. Indem das Straßburger Stück jedoch nicht vor dem Hintergrund der theoretischen Erwägungen späterer Generationen entstanden ist, können diese (ihrerseits nunmehr historischen) Begriffe auch nicht zu seiner Einordnung herangezogen werden.

      In diesem Sinne ist der Polter-Geist das seltene Beispiel eines jener Volksstücke, mit denen Wandertruppen des frühen 18. Jahrhunderts ihr ungebildetes (weil nicht belesenes) Publikum unterhielten. Als ein Werk des Überganges steht es zwischen Mündlichkeit im Sinne theatralischer Performanz und Schriftlichkeit im Sinne einer sich ausbildenden Literarizität; es verbindet zwar Momente der französischen, italienischen und englischen Theatertradition, hat sich jedoch bereits von den damit verbundenen Konventionen gelöst. Es ist unterhaltend, erhebt auf eine implizite Weise aber bereits den Anspruch, zugleich lehrreich zu sein.

      Eulogius Schneider als literarische Figur – „Hergeloffener“ oder „Brückenbauer“ zwischen Deutschland und Frankreich?

      Annette Kliewer, Mainz / Bad Bergzabern

      Eulogius Schneider, sein Taufname war Johann Georg, wurde am 20. Oktober 1756 in Wipfeld am Main geboren. Schneider war schon in Deutschland mit der geistlichen und weltlichen Obrigkeit in Schwierigkeiten gekommen, emigrierte dann ins revolutionäre Straßburg, wo er schon bald Karriere machte. 1794 wurde er von seinen revolutionären Genossen in Paris hingerichtet. Seitdem taucht er immer wieder im populären Gedächtnis, in wissenschaftlichen und fiktionalen Texten in Deutschland und im Elsass, auf – einmal als Ausbund der Terreur, einmal als eine Lichtgestalt der deutsch-französischen Befreiungsversuche. Wieso konnte eine solche Figur bis heute eine so große Wirkung für die Straßburger Geschichte haben?1

      I. Der Hintergrund: Die Revolution in Straßburg

      Auch in Straßburg werden 1789 Bürgerclubs gebildet und 24 Abgesandte für die Etats Généraux nach Paris geschickt. Und trotzdem ist hier alles etwas anders: Das Elsass steht der revolutionären Bewegung in Paris etwas skeptisch gegenüber. Ein großes Problem ist die Frage der Religion: 220.000 Protestanten stehen 450.000 Katholiken gegenüber. Straßburg hatte eine tolerante Umgangsweise mit diesen verschiedenen Konfessionen gefunden, eine grundlegend antiklerikale Haltung passt zunächst nicht zu der herrschenden Volksfrömmigkeit. Zu welch merkwürdigen Koalitionen dies führen sollte, zeigt der Konflikt um den Nordturm der Kathedrale: Als 1794 radikale Antiklerikale den Turm abreißen möchten, wird er mit einer riesigen phrygischen Mütze verziert und so vor der Zerstörung gerettet. Eine weitergehende Zustimmung zu Frankreich stellt sich erst durch eine elsässische Sonderregelung her: Die Priester und Pfarrer sind seit 1790 gewählte Beamte des Staates, von ihm bezahlt und auch ihm unterworfen. Dies erhöht ihre Loyalität zu diesem Staat.1 Der Erzbischof François Antoine Brendel steht der Revolution nahe, wird aber von den Katholiken nicht wirklich akzeptiert, weil seine Wahl auch mit den Stimmen der Protestanten zustande kam. Die Protestanten scheinen insgesamt durch die Revolution mehr an Macht zu gewinnen als die Katholiken, ist die Abschaffung der Privilegien sowie die Etablierung der Menschenrechtserklärung doch eher in ihrem Sinne, da ihnen nun alle staatlichen Karrieren offenstehen.2

      In einem weiteren Punkt unterscheidet sich das Elsass von anderen Landesteilen: Hier spricht man einen deutschen Dialekt. Mit der Terreur wird auch dieser verboten, man befürchtet Verbrüderungen mit den deutschsprachigen Feinden. In der Tat werden 1792 preußische und österreichische Truppen freudig begrüßt, als sie die entthronten Adeligen bei ihrem Angriff auf Frankreich unterstützen. Als die Franzosen zurückschlagen, retten sich viele Elsässer auf die andere Rheinseite, weil sie befürchten, dass sie als Verräter verfolgt werden. Gleichzeitig kommen einige bekannte Generäle der Revolution (Jean-Baptiste Kléber, Jean Rapp und François-Étienne-Christophe Kellermann) aus dem Elsass und Rouget de Lisle schreibt 1792 in Straßburg das Kriegslied für die Rheinarmee (Chant de guerre pour l’armée du Rhin), das später zur Nationalhymne Marseillaise wird.3

      II. Das Leben des Eulogius Schneider

      Im Würzburger Jungenkonvikt fiel Schneider auf, weil er Schriften von Friedrich Gottlieb Klopstock und Christian Fürchtegott Gellert las und selbst erste Rokoko-Gedichte schrieb. Er übersetzte Anakreon aus dem Griechischen, einen Vorreiter lustfreundlich-optimistischer Lyrik. Zunächst trat er aber doch 1777 dem Bamberger Franziskaner-Orden bei und wurde 1786 zum Hofprediger an den württembergischen Hof Carl Eugens berufen, wo er aber auch bald mit seiner Kritik aneckte. 1789 ging Schneider als Professor für Literatur und Schöne Künste nach Bonn. Dort schrieb er eine Rede über den gegenwärtigen Zustand und die Hindernisse der schönen Litteratur im katholischen Deutschland (1789) und veröffentlichte seine ersten Gedichte, meist im tändelnden Rokokostil, nahm aber auch Stellung für eine aufgeklärte Poesie. Im Vorwort schreibt er: „Diese eigensinnige Pflanze (die Poesie) gedeihet nur durch anhaltende Cultur, und nur auf dem Boden der Freiheit, welche an Höfen nicht viel mehr einheimisch ist, als in den Zellen der Mönche“.1 Wegen dieser kritischen Schriften wurde er 1791 entlassen und emigrierte aus politischen Gründen ins revolutionäre Frankreich nach Straßburg, das er als Reich der Freiheit preist:2

      Gefallen ist des Despotismus Kette,

      Beglücktes Volk! von deiner Hand:

      Des Fürsten Thron ward dir zur Freiheitsstätte

      Das Königreich zum Vaterland.

      Kein Federzug, kein: „Dies ist unser Wille“,

      entscheidet mehr des Bürgers Los.

      Dort lieget sie im Schutte, die Bastille,

      Ein freier Mann ist der Franzos!3

      Er war zunächst bischöflicher Vikar, Professor am Seminarium, Prediger im Straßburger Münster. Schließlich entfernte er sich immer weiter von seinem Priesteramt und wandte sich der revolutionären Bewegung zu. Er wurde Ratsherr, Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der ab Juni 1792 veröffentlichten Zeitschrift Argos und zeitweilig Präsident des Straßburger „Klubs der Jakobiner und Sansculotten“. Dieser setzte sich gegen den gemäßigten „Club des amis de la Constitution“ um den Straßburger Bürgermeister Philippe-Frédéric Baron de Dietrich durch, der für eine Beibehaltung der Monarchie plädierte. De Dietrich war Baron, Industrieller, Protestant und deutschsprachig und versuchte zwischen Adel und Jakobinern zu vermitteln. 1792 wird er abgesetzt und 1793 in Paris guillotiniert. Schneider muss de Dietrich in persönlichen Attacken scharf angegriffen haben, dies wird auch durch seine Hetzgedichte deutlich. Als de Dietrich sich gegen die Amtsenthebung Ludwig XVI. einsetzt, schreibt Schneider:

      Ihr fraget