Daisy Summer

Callgirl unterm Weihnachtsbaum


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wanderte mein Blick über die winterweiße Landschaft. Eine dicke Schneeschicht lag über Feldern, Wiesen und Bäumen. Wobei ich schon längere Zeit nur noch vereinzelt Häuser sah, deren schneebedeckte Dächer aus dem Boden zu schauen schienen.

      Nicht mehr lange und wir würden das Indianerreservat erreichen, wo Jacobs Ferienhäuschen stand. Und dann hieß es nur noch: Jacob und Emma. Emma und Jacob. Jacob und Emma …

      Keine Manager, die mir auf den Arsch glotzten, wenn ich ihnen Drinks brachte. Keine Bewerbungen schreiben und dabei jedes Mal einen Blick auf meine miese Note werfen. Und auch keine Challenge und kein Ekel-Bailey. Nur wir beide, ganz allein.

      Wir würden die Tage im Bett verbringen und die Nächte vor dem Kamin. Zwischendurch romantische Spaziergänge im Schnee. Danach heißen Kakao, den wir im Bett oder vor dem Kamin zu uns nahmen. Wir hatten viel Zeit, um uns richtig kennenzulernen.

      „Ich fühle mich, als hätten wir Weihnachten. Und die Hilfe der Cops war unser Weihnachtsgeschenk.“ Glücklich seufzend zog ich die Beine an und umarmte sie. Bald würde Jacob mich umarmen. Allein der Gedanke machte mich ganz wuschig.

      „Die Hilfe der Cops? So so. Ich dachte eigentlich, ich wäre dein Geschenk“, knurrte Jacob eifersüchtig.

      Hingerissen betrachtete ich sein schönes Profil. „Das bist du ja auch. Du bist das wunderbarste Geschenk der Welt.“

      „Nein, das bist du”, sagte er.

      „Nein, du!“

      „Nein, Emma, du bist mein schönstes Geschenk!“

      „Na gut“, gab ich mich geschlagen, fügte aber doch noch hinzu: „Ohne den mechanischen Wagenheber der Cops säßen wir immer noch mit einem platten Reifen auf der Autobahn fest.“

      Aber ich sagte es nur ganz leise, ohne jeglichen Vorwurf, und Jacob nickte zustimmend.

      „Uns wäre schon eine Beschäftigung eingefallen“, grinste er und legte eine Hand besitzergreifend auf meinen Schenkel, was bei mir sofort eine Gänsehaut hervorrief.

      Ich legte meine Hand auf seine und lächelte ihn glücklich an. Und er erwiderte mein Lächeln. Die goldenen Sprenkel in seinen Augen funkelten wie Sterne.

      „Siehst du die große Tanne?“, fragte Jacob nach insgesamt sieben Stunden Fahrt.

      Seelig lächelnd folgte ich seinem Fingerzeig. Ich spürte schon die Herzchen in meine Augen aufsteigen. Jacobs Heimat war ein Paradies für ein weihnachtsverrücktes Wesen wie mich. Ich wusste, es war albern, aber eine sentimentale Schwäche musste doch auch eine sonst logisch denkende Mathematikerin haben dürfen. Neben der Schwäche für Jacob natürlich.

      „Die Bäume sind alle ziemlich groß.“

      „Eine Tanne ist besonders groß. Und zwar die am Eingang des Reservats. Da ist sie. Schau mal nach rechts, Emma.“

      „Oh. Wir sind da! Da ist ja auch der Laden, wo wir Brötchen gekauft haben. Und da hinten ist der Parkplatz, auf dem ich damals meinen Mietwagen abstellen musste!”

      Ehrlich gesagt war ich ziemlich erleichtert, denn ich hatte nicht die ganze Fahrt über geglaubt, dass Jacob heute noch den Weg finden würde. Aber in diesem Jeep gab es sogar eine Standheizung. Und wenn wir irgendwo liegen geblieben wären … So what?

      „Jetzt kommt der Endspurt. Jetzt visieren wir gemeinsam unser Ziel an.” Jacob sah zu mir.

      Ich lächelte. „Tun wir das nicht sowieso?“

      Jacobs Zähne waren blitzweiß, als er sie mir beim Lachen zeigte. „Und ob! Ich hab echt ein gutes Gefühl bei dir. Du bist so wunderbar entspannt. So sind nicht viele Frauen. Genau genommen habe ich noch keine erlebt, die so ist wie du. Und damit meine ich nicht deine Brille.“

      „Die habe ich doch gar nicht auf“, protestierte ich lachend.

      „Aber das weiß ich doch. Ich wollte es nur noch mal betonen. Hätte ich nur all deine positiven Eigenschaften aufzählen sollen?“

      „Willst du damit sagen, dass meine Brille meine einzig negative Eigenschaft ist? Wobei eine Brille ja keine Eigenschaft sein kann ...“, wurde ich logisch.

      „Ich liebe dich mit Brille. Mit und ohne“, sülzte er herum.

      „Vor allem ohne Klamotten, was?“ Ich wackelte mit den Augenbrauen.

      „Hm. Klingt gut.“

      „Finde ich auch“, kicherte ich, denn aus Jacobs Stimme sprach das gesamte Testosteron, das in seinem Körper im Überfluss vorhanden war. Ich fand es toll. Es machte mich unfassbar an, wie er mich begehrte. Ich hätte auf der Stelle über ihn herfallen können.

      „Es ist ja bald soweit“, sagte Jacob tröstend, als wäre ich die einzige notgeile Person in diesem Wagen. „Jetzt geht es schnell.“

      „Ein bisschen sehr schnell für meine Begriffe“, merkte ich an, als Jacobs cooler schwarzer Jeep in der nächsten Kurve ins Schleudern geriet.

      „Keine Angst, Emma. Ich hab das im Griff.“

      Jacob riss das Lenkrad herum. Erst nach links, dann nach rechts, dann wieder nach links.

      „Jedes Jahr dasselbe!”, brummte er, während der Wagen sich um sich selbst drehte und ich mich mit allem, was ich an Haltemöglichkeiten in die Finger bekam, verklammerte.

      „Du rutscht jedes Jahr in dein Haus rein?“, schrie ich, denn meine Gelassenheit war jetzt gerade leider ein wenig flöten gegangen.

      „Ich rutsche niemals in mein Haus hinein.“

      Ich hielt mir mit einer Hand die Augen zu, aber ich lünkerte durch die Lücken zwischen den Fingern.

      Wir rutschten und rutschten. Um uns herum standen Bäume.

      Noch standen sie. Und der Weg wurde immer enger.

      „Gelber Bär weiß, dass im Januar IMMER Schnee fällt. Und er weiß, dass ich IMMER über Weihnachten und Neujahr herkomme. Warum zum Teufel räumt er die Zufahrt nicht?”, fluchte Jacob, während wir über eine glitzernde, weiße Fläche schlitterten.

      „Vielleicht hat er sie ja geräumt - vor Weihnachten”, wimmerte ich.

      Mit stark überhöhter Geschwindigkeit rutschten wir auf eine Gruppe riesiger Tannen zu, vor der sich ein gewaltiger Schneehügel auftürmte. Da steckten wir doch gleich drin.

      Nein. Wir rasten hinauf.

      Allerdings hatte ich dann doch weniger Angst vor den Tannen, denn wir kamen tatsächlich vorher zum Stehen.

      Was aber nichts an dem großen haarigen Tier änderte, das sich zwischen den Bäumen aufhielt und uns gefräßig anstarrte.

      Das Vieh riss sein Maul auf und glotzte aus verdrehten Augen zu uns. Jetzt gleich würde es Anlauf nehmen und seinen schrecklichen Schädel durch die geschlossene Windschutzscheibe in den Jeep rammen und uns ...

      „Emma, geht es dir gut?”

      … fressen. Das Monstrum würde mich …

      „Emma, wir müssen hier aussteigen. Wir stecken im Schnee fest.”

      „Aussteigen? Ich? Hier? Niemals!”

      Jacob und legte einen Finger unter mein Kinn.

      „Du kannst die Augen wieder aufmachen. Der Elch ist vor deinem erschrockenen Gesicht geflohen.”

      Zögernd löste ich mich ein wenig aus seiner Umarmung und wagte einen Blick durch die Windschutzscheibe, die sich jetzt hinter mir befand, da ich mich auf Jacobs Schoß geflüchtet hatte.

      Das Monster da draußen war tatsächlich verschwunden. Hoffentlich rannte es schnell in die entgegengesetzte