David Goliath

The Outlaw


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Farm

      Sam White wurde vom Quietschen und Rattern eines Zuges geweckt. Auch Ben Copper und die angeheuerten Trunkenbolde, die den Aufstand geprobt hatten, streckten und reckten sich. Sie hatten sich auf Stroh und Decken gebettet, in der Kirche, zwischen Holzbänken und Holzkreuz. Es stank bestialisch nach Mann, Urin, Kotze und Whiskey. Aber das schien keinen zu stören.

      Sam White ging nach draußen. Als er gähnend gegen die Kirchwand pisste, wurde er angesprochen.

      »Gott zum Gruße!«

      Sam White leerte seinen Sack und drehte sich um. »Howdy!« Auch sein Gemächt grüßte kurz, ehe es in der Hose verschwand.

      Vor ihm standen 3 Männer: ein gut gekleideter Geschäftsmann mit hohem Zylinder und makellosem Pinguinfrack, ein Neger und ein Mexikaner. Der Neger trug keinen Hut, aber was sollte er sich schon verbrennen, bei dem verkohlten Schädel? Dafür schulterte er eine Schrotflinte wie eine Hacke. Der Mexikaner versteckte sich unter einem großen Sombrero und trug bunt gemusterte Kleidung, die so gar nicht seiner starren, strengen Miene entsprach. 2 Revolver mit langen Läufen hingen jeweils an den Seiten seiner Hüfte.

      Vom Bahnhof kamen einige Fremde gelaufen. Teure Kleidung, aber dreckig. Kein Gepäck. Übermüdet, verstört, gekrümmt. Sie schienen orientierungslos zu sein, suchten nach Unterkunft und Hilfe. Einige freuten sich über das tropfende Wassersilo, an dem sich vergingen, ungeachtet der Tatsache, dass das abgestandene und von der Sonne erwärmte Wasser Nährboden für unzählige Keime darstellte und eigentlich abgekocht hätte werden müssen, außer beim Einsatz durch die kleine Feuerwehrabteilung als Löschwasser bei Bränden.

      »Mein Name ist Jeffrey Steam, Eisenbahnscout der Pacific Salt Lake Railroad Company«, stellte sich der vornehme Herr vor. »Das sind Fred Gamble«, zeigte er auf den Neger, »und Charro de Fierro«, endete er mit dem Mexikaner. »Sind Sie der Prediger?« Er inspizierte den Whiteman hochnäsig.

      Sam White schmunzelte. »Klar. Soll ich euch die Beichte abnehmen, Yankees?«

      Charro de Fierro grunzte warnend. Fred Gamble legte einen Finger an den Abzug der Schrotflinte, ohne das Ding anzulegen.

      Jeffrey Steam lächelte überlegen. »Vielen Dank, Prediger, aber wir sind nur hier, um die Gleise freizubekommen«, deutete er mit einem Nicken auf die Gleise, die hinter der Kirche zum Bahnhof und dann weiter nach Osten, wo eine Rauchsäule noch immer gen Himmel wanderte, und Westen, nach Elk Town und schließlich Sacramento, führten. »Es gab wohl ein Unglück. Wir kommen gerade von der Unglücksstelle. Ein paar der Leute könnten göttlichen Beistand gebrauchen. Und ein Dutzend Menschen müssten beigesetzt werden. Haben Sie von dem Unglück gehört?«

      »Gee schwieg«, witzelte Sam White und bekreuzigte sich falsch, was er letztlich abbrach und händisch verwarf.

      »Dann müssen wir uns weiter durchfragen«, resümierte Jeffrey Steam unbeirrt. »Sind die Menschen von«, er suchte nach einem Namen.

      »Paradise City«, half Fred Gamble.

      »Paradise City am Beten?«, nickte Jeffrey Steam zur Kirche.

      Sam White grinste höhnisch. »Sie können ja mal schauen.« Dabei hüpften seine Augenbrauen.

      Mit den Augen schickte Jeffrey Steam seinen Neger zum Eingang, wo dieser einen Blick in die Waschbärenhöhle warf. Seine geschulterte Schrotflinte verhinderte, dass er von ausnüchternden Raufbolden über den Haufen geschossen wurde. Fred Gamble gab zu verstehen, hier wäre nichts zu holen.

      »Wie heißt der Marshal dieser Stadt?«, erkundigte sich Jeffrey Steam weiter.

      Sam Whites Schultern hüpften.

      »Mr. Steam!«, rief Fred Gamble, noch ein paar Yards vom Schutzbefohlenen. Der Gerufene wandte sich zur Seite und folgte den Zeichen, die ihn zu den Pferden führten, wovon 2 reinweiß leuchteten. Alarmierte Augenpaare trafen sich.

      »Nun denn«, schloss Jeffrey Steam zügig und schob sich hinter Charro de Fierro, sodass dieser zwischen Rowdy und Roadie stand, nicht überrascht, sondern kampfbereit. »Einen schönen Tag noch.«

      »Den werde ich haben«, sagte Sam White.

      Geschützt durch den Mexikaner, und ein paar Sekunden später auch durch den Neger, verließ Jeffrey Steam die Church Street, ignorierte die lückenhafte Second Street und enterte die First Street, wo er sich in den Strom der Gestrandeten einfädelte, auf der Suche nach Informationen.

      Ben Copper trat an Sam White heran. »Wer war der Yankee?«

      »Jemand, der sich um den Fahrplan sorgt.«

      Beide schauten zur Rauchsäule im Osten. Anschließend zu den Neuankömmlingen, die sie schon einmal gesehen hatten – frischer, vitaler.

      »Wir sollten los«, empfahl Ben Copper, der auch die Retourkutsche des City Marshals fürchtete. »Nehmen wir die Puddingköpfe mit?«, deutete er in die Kirche, wo noch ein paar Männer ihren Rausch ausschliefen.

      »Du kennst meinen Bruder«, überlegte Sam White. »Erst wird er die Puddingköpfe kaltmachen und dann uns, weil wir Puddingköpfe zur Farm schleppen.«

      »Du bist doch eh aus dem Schneider«, sagte Ben Copper, die Familienbande herausstellend.

      »Auch ich darf mir nicht alles erlauben«, entgegnete Sam White. »Was hast du denen geboten?«, nickte er abfällig ins Gotteshaus.

      »10 Bucks.«

      »Zusammen?«

      »Jeder«, senkte Ben Copper das Haupt und schnaubte.

      Sam White funkelte ihn niederträchtig an. »Du Holzkopf! Keinen Deut besser als die da drinnen. Los, lass uns verduften!«

      Sie rannten zu den Pferden, kappten die Halteseile der anderen Pferde, scheuchten sie fort, sprangen auf ihre weißen Rösser und gaben ihnen die Sporen, heraus aus der Stadt, der Sonne entgegen, hinein ins Niemandsland.

      Mitten in der Stadt entbrannte derweil ein Streit. Im Büro des City Marshals - einer Baracke mit Holzmöbeln, Termiten und dem angehängten, gemauerten Knast – gifteten sich 2 Parteien an: Bürgermeister Sherman Mayor und Claire Taylor auf der einen Seite; City Marshal Ed Five und Godfrey Parson auf der anderen Seite. Porter Point stand dazwischen, wagte aber nicht, Partei zu ergreifen. John lag auf einer Liege und wurde von Claire Taylor gekühlt und gesalbt. Er war festgekettet, entwaffnet und halb nackt.

      »Hängt ihn!«, forderte Godfrey Parson, John verteufelnd. »Er brachte diese Seuche. Sie belagern sogar meine Kirche!«

      »Das hat der Friedensrichter zu entscheiden«, versuchte Sherman Mayor zu beruhigen.

      »Dann bringen wir ihn rüber!«, zeigte Ed Five nach nebenan, wo der Saloon Heaven Hell auch gleichzeitig als Gerichtsgebäude fungierte und sich Schankwirt Allan Sin ehrenamtlich als Friedensrichter verdingte. Porter Point stimmte zu, böse Blicke von Claire Taylor erntend, die ihn dazu veranlassten, die Klappe zu halten.

      »Jesses Crickets! Er weiß, wo Emma ist«, warf Sherman Mayor schäumend ein.

      »Das macht ihn nicht zum Heiligen!«, erwiderte Godfrey Parson.

      Des Bürgermeisters Blick tangierte den Prediger auf eine besondere Weise, als wollte er ihm einen Wink geben, eine Erinnerung, eine nötige Erleuchtung. Kutte und Kilt und Alkoholfahne nahmen sich zurück, bekreuzigten sich, schlossen die Augen, beteten.

      »Er wird sowieso sterben«, gab Porter Point seinen Senf dazu. Claire Taylors Augen hefteten sich auf ihn. Er konnte ihren Blick nicht erwidern, sondern starrte zu Boden, die Lippen aufeinandergepresst.

      »Einen wunderschönen guten Tag, die Gentlemen«, rief Jeffrey Steam in den Raum und verneigte sich vor Claire Taylor, »und die Lady.«

      Alle drehten sich zu dem Gespann aus Geschäftsmann, Neger und Mexikaner.

      »Mein Name ist Jeffrey Steam, Eisenbahnscout der Pacific Salt Lake Rail-«

      »Was