David Goliath

The Outlaw


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Gutes, wenn er verliert«, schlussfolgerte Claire Taylor, die sich an das Fortreiten erinnerte, als John Emma Mayor verfolgte.

      »Wie können wir ihm helfen?«

      »Vater«, mahnte sie, »hör auf, dich in seine Angelegenheiten zu mischen! Er ist alt genug und kein Kind mehr.«

      »Willst du ihn sterben sehen?«

      »Nein«, erwiderte Claire Taylor bestimmt, »aber ich will uns nicht neben ihm liegen sehen. Wenn er einem Schurken ans Bein pinkelt, muss er das selbst ausbaden. Du bist nicht sein Vater und ich nicht seine Frau.«

      Man sah es Milton Smith an. Genau das, wünschte er sich. Er strich über den Wundverband, der sich an der Eintrittsstelle der Kugel bereits rot färbte.

      »Wenn ihn Gee nicht schützen kann, braucht er unseren Schutz«, resümierte er nachdenklich.

      »Willst du dich vor ihn stellen und die Kugeln abfangen, die für ihn gedacht sind?«, seufzte Claire Taylor. »Wenn er aufwacht, werden wir ihn nicht auf der Liege halten können. Er hat lauter Bienen im Hut.«

      Milton Smith sah zum blutbeschmierten, halb verkohlten Eisendraht, mit dem seine Tochter in John herumgefuhrwerkt hatte. »Eisen.«

      »Was?«

      »Eisen«, wiederholte Milton Smith überzeugter, »Eisen könnte die Kugeln abhalten.« Er nickte und schien schon Entwürfe im Kopf durchzugehen. »Pass auf John auf! Ich muss etwas probieren.«

      Die Eisenbahn

      »Vorsichtig ist der Mann,

      der nackt einen Stacheldrahtzaun besteigt.«

      *aus Wild West Whim-Wham, New York City, 1888

      Die Eisenbahn

      Geschätzte 100 Meilen östlich von Paradise City grunzte es hundertfach auf einer abgelegenen Schweinefarm. Neben den Sauställen, den umzäunten Schlammwiesen und den verbeulten, verrosteten Futtertrögen gab es noch kleine Holzbaracken nebst provisorisch zusammengezimmertem Pferdestand, wo 15 weiße Pferde warteten, deren fast schon blendende Sauberkeit in hartem Kontrast zum Rest der Anlage und deren Bewohner strahlte.

      Frank Brown, der Besitzer dieser bescheidenen Farm, karrte mit seinen gähnenden Gehilfen Jesse Periwinkle, Luke Celery und Bill Plum Futter an, um die Tröge zu füllen. Sofort kamen die Schweine angestürmt, umringten die Männer und stürzten sich aufs Futter.

      Am Horizont färbte sich der Himmel hellorange, denn die Sonne erhob sich, vertrieb die Kälte und versprach einen neuen, heißen Sommertag.

      Robert White trat aus der größten Holzbaracke mit dampfendem Kaffee im Blechbecher. Seine weiße Augenklappe funkelte in der aufgehenden Sonne. Hinter ihm folgte Emma Mayor, noch träge, taumelig, schlaftrunken. Sie war mit Robert White verbunden, durch eine Kette, an den Fußgelenken befestigt wie bei Gefangenen. Beide beobachteten die Fütterung.

      »Erzähl es mir noch einmal, kleine Hure«, raunte Robert White bedrohlich durch seinen Schnauzbart, ohne sie anzuschauen.

      Emma Mayor zitterte.

      »Wie sah William aus, als du ihn feige zurückgelassen hast?«

      »Sein Kopf«, stotterte sie, »überall war Blut. Und seine Ohren – die fehlten.«

      »Atmete er noch?«, bohrte Robert White ungeduldig nach.

      Um die Baracke und bei den Pferden regten sich weitere Gesellen. Die Männer furzten, rülpsten, kratzten und wuschen sich. Einige bürsteten ihre Pferde als Morgenritual; andere pissten gegen eine Zielscheibe um die Wette, um Menge, Höhe und Härte des Strahls; wieder andere kauten auf Gräsern oder ölten ihre Revolver.

      Emma Mayor zuckte mit den Schultern, was Robert White nicht sah. Das Ausbleiben einer Antwort bestätigte aber seinen Verdacht. Er zog die Nase hoch, ungehalten, wobei sein Schnauzbart warnend vibrierte. Dann schnellte seine Hand hoch und packte das Mädchen derb an der Kehle. Sie röchelte erschrocken und wurde ein paar Inches von den Sohlen gehoben. Die Kette, die sie mit ihm verband, begann zu schweben. Ein paar Tropfen Kaffee schwappten über.

      »William war sehr«, Robert White drehte sich zu ihr und fixierte sie dämonisch, »sehr wichtig für mich! Hätte ich geahnt, dass er einer kleinen Hure verfallen war, hätte ich diese kleine Hure schon sehr viel früher nach Halifax geschickt!«

      Sein Griff wurde fester. Emma Mayor bekam keine Luft mehr. Sie zappelte in der Luft.

      »Also, kannst du mir sagen, ob er noch lebt?«

      Emma Mayor bewegte ihren Kopf horizontal, auf der würgenden Hand schabend. Ihre Augen weiteten sich, suchten nach Luft, verdrehten sich.

      »Robert!«, rief Frank Brown, der von den Schweinen kam.

      Robert White verzog den Mund, knurrte und ließ Emma Mayor auf den Boden fallen. Sie hustete, hielt sich den Hals, wimmerte. Die Kette fiel auf sie. Robert White hatte das Ding von seinem Knöchel entfernt, denn Schlafenszeit und Fluchtgefahr waren vorüber. Er nahm einen großen Schluck Kaffee, wonach seine Zunge flüssige Reste vom unteren Rand des Schnauzbartes wischte.

      »Frank«, begrüßte er den Störenfried am Morgen zähneknirschend.

      Frank Brown holte eine ledergebundene Bibel hervor, legte seine Hand darauf und stellte sich zwischen das Mädchen und den Anführer. »Sieh dir ihr Kleid an.«

      Robert White tat, wie empfohlen, musste sich jedoch zur Seite neigen, um das neue Hindernis zu umschauen.

      »Sie ist ein wertvolles Tauschobjekt. Kein Mädchen von der Straße. Sie stammt aus reichem Hause.«

      Robert White grummelte.

      »Gott hat sie zu uns geführt. Wir dürfen dieses Geschenk nicht einfach wegwerfen.«

      »Sie ist Williams Verderben«, konterte Robert White angefressen.

      »Und sie wird dein Verderben sein, wenn du sie tötest.«

      Robert White schaute auf Franks Bibel und anschließend auf ihn. »Sagt dir das dein Gee?«

      Frank Brown lächelte sanft. »Ihre Erscheinung sagt mir das. Ihr Kleid ist zu teuer für ein Landmädchen. Ihre Haare sind zu gepflegt für eine Bauerntochter. Ihre Sprache ist zu geschliffen für einen Hurenspross. Wenn du sie tötest, entgeht uns ein gutes Tauschgeschäft und ich denke, dass ihre Familie ein gutes Kopfgeld für denjenigen ausgibt, der sie tötete, wenn nicht sogar noch einflussreichere Dinge geschehen und wir uns letztlich dem Sheriff oder sogar der Armee gegenübersehen.«

      Robert White feixte teuflisch. »Ich bin Robert White. Wer soll mich schon aufhalten?«

      »Die Erste Kavallerie«, flüsterte Frank Brown ehrfürchtig und nickte zum Horizont, wo die Sonne aufging.

      Robert White löcherte ihn mit einem tödlichen Blick und deutete verärgert an, dass er stinkwütend war, wegen William Emerald, Emma Mayor und Frank Browns Anmaßung, die sich nur 3 Menschen erlauben durften, wovon Frank Brown einer war. Er nickte abwesend, ließ sein Auge rotieren, blies seine Wangen auf, warf den Becher weg und presste seine Hände ineinander.

      »Aufsatteln!«, schrie er.

      »Was hast du vor, Robert?«, erkundigte sich Frank Brown besorgt.

      Robert White näherte sich dem Bibelträger. »Vergeltung.« Und zeigte zu Emma Mayor. »Du nimmst die kleine Hure mit und passt auf, dass sie nicht türmt. Wir reiten nach Paradise City.«

      »Das ist ein Tagesritt«, zweifelte Frank Brown. »Dort sind wir dem Marshal ausgeliefert, wenn wir erschöpft ankommen.«

      »Keiner von uns wird gesucht«, erwiderte Robert White ruppig.

      »Du schon, Robert«, erinnerte Frank Brown an die landesweite Fahndung, die Robert White tot oder lebendig forderte – für 1000