Männern zwischen Kohlewagen und Kessel, die die Geschichte natürlich nicht glaubten, aber der tödlichen Unterzahl gewahr wurden. Sie stellten die Gewehre ab und hielten ihre verkohlten Hände aus den Fenstern, um sich zu ergeben. Husten und Flehen gingen einher. Robert White gab ein Zeichen, woraufhin ein Kugelhagel in die Lok einschlug, die Fenster zerbarst und den menschlichen Inhalt durchsiebte. Ein paar Querschläger prallten am äußeren Stahlkorpus ab, schlugen aber nur in die Steppe und nicht in den Anführer, der gefährlich nah am Ziel verharrte und sein Halstuch gemächlich wieder vors Gesicht zog.
Danach hallten timide Rufe der Passagiere, die mittlerweile an den Waggonscheiben den Überfall wahrnahmen. Verstecke wurden gesucht; Wertsachen wurden schon einmal vorsorglich gesammelt; kleinkalibrige Waffen erschienen in den Händen weniger Draufgänger.
Die Hälfte der Bande ritt mit Robert White zum Einstieg in den ersten Waggon, unter ihnen der zittrige Tom Black, der läufige Henry Gray, George Bone, Phil Hunter und Charlie Mauve. Sie stiegen ab, banden ihre Pferde aneinander und an den Zug, denn mögliches Kanonenfeuer könnte die reiterlosen Tiere aufscheuchen.
Robert White schickte George Bone zuerst hinein. Dieser öffnete die Tür gegen den Widerstand der aufmüpfigen Passagiere und verschaffte sich Zugang, indem er durch den Türschlitz schoss, boxte und trat. Über ein paar Verwundete kletternd enterte George Bone den Waggon. Er verteilte ein paar letale Kopfschüsse an die liegenden Widerständler, bevor er den schmalen Gang betrat, wo ein paar Kugeln an ihm vorbei surrten, eine ihn allerdings kalt erwischte. Er klappte zusammen wie die Falltür am Galgenpodest auseinander. Hinter ihm erledigte Tom Black die Schützen mit wilden Feuerstößen aus 2 Revolvern. Phil Hunter zerrte den angeschossenen George Bone aus dem Waggon.
Hinter Tom Black kamen Henry Gray und Robert White. Den ersten Waggon hatten sie schnell unter Kontrolle. Henry Gray sammelte alle Waffen ein und warf sie aus den Fenstern, die er vorher kaputtschoss. Tom Black trieb die Überlebenden zusammen und jagte Kugeln zwischen die Augen der Niedergeschossenen, um sicherzugehen.
»Sehr verehrte Damen und Herren«, palaverte Robert White durch den Stoff vor seinem Mund, »Ich heiße Sie herzlich willkommen in Nordnevada, oder Whiteland, wie ich es nenne. Behalten Sie Ihren Schmuck! Dies ist kein Raub, sondern Ihre Endstation. Bleiben Sie bitte sitzen, bis der Schaffner«, er stand neben dem toten Schaffner, den ein paar Kugeln gelöchert hatten, und schaute diesen schief an, »bis der Bahnsteig zum Aussteigen einlädt.«
Phil Hunter schloss wieder auf. Robert White befahl Charlie Mauve, er solle den Aufpasser im ersten Waggon mimen. Dann ging die Gruppe zum nächsten Waggon. Mit abnehmender Gegenwehr setzten sie die Inspektion des Zuges bis zum Ende fort, wo im Warenwaggon noch einmal ein paar Kugeln flogen, aber durch einen beherzten Schusswechsel alle Widersacher beseitigt werden konnten, ohne eigene Verluste.
Phil Hunter lief der Sabber im Mund zusammen, als er die Whiskey-Fässer taxierte. Er zog sein Halstuch ab und wischte sich über den Mund sowie durch den feuchten Bart. »Boss, das ist ein Silberschatz!«
»Nein!«, maßregelte Robert White, als Phil Hunter eines der Fässer anzapfen wollte. »Wir sind nicht hier, um uns zu besaufen.«
»Aber Boss«, insistierte Phil Hunter grantig, »ich habe ungeheuren Durst! Wir sind den halben Tag durch Bullenhitze geritten und haben Stunden unter der Sonne gewartet. Ich hörte schon die Schlangen zischeln.«
Robert White trat näher, hob seinen Revolver und ballerte Phil Hunter über den Haufen. Dann drehte er sich zu den anwesenden Banditen. »Will noch jemand ein Gelage feiern?«
Alle schüttelten die vermummten, hutbedeckten Köpfe.
Auf dem Rückweg vom letzten Warenwaggon über die Passagierwaggons bis vor zum Übergang zum Kohlewagen scheuchte Robert White jeden noch lebenden Insassen - Frauen, Männer, Kinder, Greise – hinaus, wo sie zusammengetrieben wurden. Nur eine Lady entging dem Viehtrieb, geschützt durch die gierigen, schmierigen Fittiche von Henry Gray, der sich sein Lamm ausgesucht hatte.
Wieder außerhalb schritt Robert White die Passagiere ab, die von den Gewehren der Whiteman, hoch zu Pferde, in Schach gehalten wurden. Saubere Kleidung, weiße Haut, erschrockene Blicke, manche mit dem Blut der Toten besprenkelt. Bei 3, 4 widerspenstigen Männern, denen der blanke Hass anzusehen war und die scheinbar einen Ausbruch vorbereiteten, verschenkte Robert White ein paar Patronen, damit die Geier, Kojoten und Schlangen etwas zu essen bekamen. Jeder Schuss wurde von weiblicher Hysterie begleitet. Seine Hand musste ein paar der Damen zur Besinnung schlagen.
»Dort entlang«, zeigte er nach Westen, »liegt Paradise City. Ich vermute, dass dies nicht das gewünschte Ziel ist, aber sehen Sie es als Chance für einen Neuanfang in geschätzten 50 Meilen.«
Als sich niemand bewegte, schoss er in die Luft. »Abmarsch!«, schrie er.
Die Menschen setzten sich furchtsam in Bewegung. Ein paar, vor allem die Alten, würden die Wanderung nicht überleben. Wie es eine Frau darauf ankommen ließ und sich weigerte, gar forderte, er solle sie gleich erschießen, ehe sie verdurste, verhungere, verbrenne oder ersticke, legte Robert White an und drückte skrupellos ab, woraufhin die Menschen schneller von dannen zogen, mit noch einem Maul weniger zu stopfen und noch einem Paar Füßen weniger, über die man stolpern konnte.
Vorm Waggon lag George Bone kaltschweißig, blasshäutig und schmerzvoll stöhnend. Er drückte auf die abdominale Schusswunde, deren Blut sich durch seine Finger mäanderte.
Frank Brown sah Robert White tadelnd an, der mit einer Hand eine Geste formte, die es untersagte, etwas zu sagen.
»Wo ist Phil?«, erkundigte sich Charlie Mauve, als alle Whiteman aus dem Zug und alle Überlebenden auf dem Weg waren.
»Tot«, antwortete Robert White ungerührt und schaute den Fragenden warnend an. George Bone ließ er links liegen. »Brenn den Zug nieder«, raunte er Charlie Mauve zu.
»Wie?«, fragte dieser.
Robert White nickte nach hinten zum letzten Waggon. »Mit dem Whiskey.«
Teile der Bande hielten die Luft an. Sie blickten sich verdutzt an, als habe ihr Anführer soeben befohlen, über die Klippen in den Tod zu reiten, wie es die Rothäute einst taten, um große, aufgescheuchte, angelockte Bisonherden zu erlegen und unten im Canyon gefahrlos auszuweiden.
»Wieso?«, murmelte Frank Brown, der sich der vorherigen Gestik seines Bosses widersetzte und den Unmut der Anderen deutlich spürte.
»Als Signal für Paradise City. Wer sich mit mir anlegt, wird im Fegefeuer vergehen«, zwinkerte Robert White zur Bibel in Frank Browns schweißnassen Händen.
»Wer ist das?«, wollte Robert White von Henry Gray erfahren. Er zeigte auf die Frau mit den großen Brüsten, der einladenden Hüfte, dem jungen Gesicht, den sauberen, welligen Haaren und dem hübschen Kleid.
»Eine Trophäe«, geiferte Henry Gray lüstern, seine Klauen um die Frau werfend. Auch ein paar der anderen Männer konnten die Augen nicht von der Schönheit lassen.
»Wie heißt du?«, ereiferte sich Robert White interessiert.
Die Frau sträubte sich. Tränen und Zorn mischten sich in ihren Pupillen, aber auch Neugier und Übermut.
Er trat an sie heran, öffnete seine Augenklappe für einen kurzen Moment und entlockte ihr einen Schrei. »Ich stelle Fragen ungern zweimal.«
»Viola Finch«, murmelte sie bissig und eingeschüchtert zugleich.
»Willkommen, Viola Finch. So wie es aussieht, wirst du uns eine Weile begleiten. Ein Pferd ist freigeworden«, lachte Robert White, weil er den gierigen Ausdruck seiner Männer kannte. Er lehnte sich zu ihr, um zu wispern: »Du musst als Whiskey-Ersatz herhalten. Ich hoffe, dass man mit dir genauso viel Spaß haben kann.«
Er betrachtete sie eingehend und schaute immer wieder zu dem Zug, in dem er dutzende Leichen hinterließ, und zu der Menschenhorde, die im Westen langsam kleiner wurde. »Trauern Sie nicht um Ihre Liebsten? Wollen Sie Ihnen folgen?«
Sie wollte sich erst weigern, sah dann aber ein, dass ihr Gegenüber auch mit ihr kurzen Prozess