ist kein schönes Land für eine schöne Frau«, schmeichelte Robert White.
»Kalifornien«, erwiderte Viola Finch renitent.
Robert White machte ein großes Auge. »Sacramento?«
Sie nickte widerwillig.
»Eine lange Reise.«
»Ich komme, um den Elefanten zu sehen.«
Er studierte ihr sauberes Kleid mit Schnüren, Spitze und Saum. Dann zeigte er auf den Waggon: »Brauchen Sie Ihr Gepäck, Ms. Finch?«
Keine Antwort, keine Geste. Sie klammerte sich an eine schmale Tasche, die sie sich gegen die Hüfte drückte.
»Ich schätze, Sie haben nichts dabei für einen Ritt über Stock und Stein oder das Nachtlager mit einer Horde Gesetzloser?«
Wieder schwieg sie.
»Dann brauchen Sie auch nicht Ihr Gepäck, das sicherlich vollgestopft ist mit diesen faden Lumpen.«
Charlie Mauve kam wieder, mit heruntergezogenem Halstuch und missmutigem Schnauzer. »Phil wurde hingerichtet und nicht erschossen«, beschwerte er sich.
Robert White schaute zum letzten Waggon. »Ich sehe keine Flammen.«
Charlie Mauve verneinte. »Ich lasse Phil nicht zurück.«
»Er wollte Whiskey, er bekommt seinen Whiskey. Heiß serviert«, feixte Robert White mit einem gefährlichen Unterton und zog seinerseits das Halstuch ab. »Jetzt geh zurück und brenn den verdammten Zug nieder!«
Charlie Mauve verzog das nicht mehr vermummte Gesicht samt Schnauzer und watschelte zurück.
Ein Handwisch und ein paar Banditen folgten, um den Whiskey großzügig zu verteilen und dem Feuer genügend Saft zu geben.
Wenig später fackelte der letzte Waggon als erstes. Dunkle Rauchschwaden stiegen gen Himmel.
Charlie Mauve, nach Whiskey und Brand stinkend, schleppte den toten Phil Hunter allein heraus und hievte ihn auf sein eigenes Pferd.
»Wollte dir keiner helfen?«, bellte Robert White mit Blick auf die Banditen, die einer nach dem anderen aus dem Waggon kletterten. Die Frage blieb unkommentiert, von allen Teilnehmern.
»Erteile ihm den letzten Segen«, zeigte sich Robert White gnädig, indem er Frank Brown zu Phil Hunter schickte. Als dieser wiederkam, schickte er ihn zum jammernden George Bone.
»Willst du ihn den Schlangen überlassen?«, fragte Frank Brown kritisch.
»Sie haben schon einen Namen für ihn«, entgegnete Robert White gleichgültig. »Er ist Ballast.«
»Zwei Männer und der Whiskey«, bezifferte Frank Brown die Verluste. »Dein Rachedurst wird die White Horses zerreiben.«
Robert White verdrängte die Luft zwischen sich und Frank Brown. »Mein Rachedurst bestätigt, dass ich der Anführer bin. Pass auf, dass du dich nicht weiter im Ton vergreifst, sonst wirst du George Gesellschaft leisten, bis die Schlangen über euch herfallen.«
»Was hast du nur an William, dass dich sein Fehlen so aus der Bahn wirft?«, hauchte Frank Brown skeptisch.
»Das ist nicht deine Sache, Frank. Schlag dein schlaues Buch auf und zeig ihm, wo Halifax liegt.«
Das Feuer kam näher, griff auf die nächsten, mit Whiskey gefluteten, Waggons über.
»Rusty!«, holte er seinen Bruder zu sich. »Schnapp dir Ben und reite nach Paradise City. Ich will endlich wissen, was mit William ist und wer für diese ganze verdammte Scheiße verantwortlich ist.«
Sam White deutete auf Emma Mayor. »Sollen wir sie mitnehmen?«
Robert White überlegte. »Nein. Die kleine Hure brauche ich als Faustpfand. Außerdem seid ihr ohne das quengelnde Kind schneller und unauffälliger.«
Sam White holte Ben Copper zu sich, ein ebenso kurzgeratener Mann jungenhaften Antlitzes ohne Bart. Geringe Körpergröße und geringes Gewicht der beiden eigneten sich hervorragend für schnelle, pferdschonende Ritte. Würde der Pony Express noch bestehen, wären die beiden ideale Kandidaten. Telegrafen machten die berittenen Boten zügig überflüssig und beendeten die unrentable Quälerei von Mensch und Tier.
»Ach, und Rusty«, ergänzte Robert White im Vertrauen, »sieh nach den beiden.«
Sam White wusste, wovon sein Bruder sprach. Familie unter sich, die über Familie sprach.
Die 2 leichten Reiter ritten los, um noch vor Anbruch der Dunkelheit die 50 Meilen bis Paradise City zu schaffen, vorbei an der wankenden, schwankenden Horde, die die Stadt bereichern würde.
»George kann den Schlangen entkommen«, säuselte Frank Brown, nachdem er Benanntem ein paar schöne Psalmen um die Ohren geschmissen hatte.
Robert White musterte den Verletzten aus der Distanz. »Ihm fehlt schon die Farbe und zu viel Blut ist außerhalb seines Körpers. Ich bin kein Arzt, aber das überlebt er nicht. Oder willst du den Krüppel pflegen, am Leben halten und schließlich, nach Tagen der Aufopferung, aufgeben müssen?«
Frank Brown blickte zu Boden.
»Dachte ich mir«, antwortete Robert White selbst. Er schritt auf seine Bande zu. »Whiteman! Phil ist tot und George wird ihm folgen, vielleicht nicht heute, aber in den nächsten Tagen. Wer will sich die Last aufbürden und George in den Tod begleiten?«
Niemand meldete sich. Einzig Charlie Mauve, der Phil Hunter gerade im Sattel verschnürte, horchte auf.
»Will keiner von euch den Sterbenden mit eingeweichtem Gras füttern, ihm den Wazoo abwischen und vor hungrigen Kojoten beschützen? Will keiner von euch hier bleiben, gekocht von der Sonne und dem brennenden Zug, und George den giftigen Schlangen übergeben, mit Glück nicht selbst zu den Schlangen rutschen?«
Erneut meldete sich keiner. Robert White zog seinen Revolver und drückte den Abzug nach hinten. Der Schlagbolzen krachte ins Leere. Die Kugel fehlte. George Bone zuckte kurz, mit dem Lauf vor der Visage und dem Nachhall der leeren Waffe in den Ohren. In aller Ruhe lud Robert White den 6-Schüsser nach.
»Bitte!«, flehte George Bone kreidebleich, »Es ist nur eine Fleischwunde. Morgen bin ich wieder auf den Beinen.« Dazwischen schleuderte blutiger Auswurf aus seinem Rachen.
»Ich!«, rief Charlie Mauve schließlich.
Robert White drehte sich zum Meuterer um. Sein Blick glich einem Todesurteil. »Geh nach Halifax, du verdammter Idiot! Bist du die Heilsarmee?«
»Ich bin kein Knochensammler!«
Die Whiteman hielten die Luft an, hinter ihren Halstüchern.
Robert White erzeugte eine künstliche Pause, seinen Revolver fertig ladend und die unerbittlichen Sonnenstrahlen genießend. »Okay«, sagte er dann, half George Bone hoch, der selig lächelte und erleichtert schnaufte, stützte ihn und zwang ihn in den ersten Waggon, der noch kein Feuer gefangen hatte, aber nur einen brennenden Waggon davon entfernt war.
»Nein, bitte!«, bettelte George Bone plötzlich wieder verzweifelt, als er realisierte, was ihm bevorstand.
Aber Robert White lud ihn im Waggon ab. Rauchschwaden aus den hinteren Waggons waren bereits vorgedrungen und nebelten die Szenerie ein.
»Wenn du dich aus dem Zug robbst, fängst du dir eine Kugel ein«, drohte Robert White bösartig und verdünnisierte sich, den wimmernden George Bone im Angesicht des herankriechenden Feuers, im Beisein dutzender Leichen, zurücklassend.
Draußen trat ihm Charlie Mauve entgegen. »Du Scheusal!«
Robert White schlug ihm mit der Faust gegen das Nasenbein, das dadurch knackte. Sofort schossen Blutfäden aus den Nasenlöchern. Charlie Mauve krümmte sich und hielt die Hände vors Gesicht. Hernach bekam er noch einen Fußtritt gegen die Schläfe und fiel gänzlich zu Boden. Dann kniete sich Robert White auf den weichen Hals, wodurch er wichtige Arterien und die Luftröhre