ist dick und fett, da hat der Vater vergessen, ihn auseinanderzuschneiden, darum ist er so kugelrund.«
»Und wenn Vati ihn jetzt auseinanderschneidet?«
»Das geht nicht mehr, da geht man kaputt. Das kann man nur machen, wenn man ganz klein ist.«
»Hat das der Vati gemacht bei das Zwilling?«
»Nein, der Onkel Doktor.«
»Und so ein durchgeschnittenes Kind heißt dann Zwilling?«
»Freilich, wenn man’s in drei Teile zerschneidet, nennt man es Drilling.«
»O-o-o-ch!«
»So, – nun weißt du, wie das mit deinen neuen Brüdern ist.«
Felix wurde gerufen, und Bärbel saß im Hofe auf einer Kiste und ließ sich die Angelegenheit mit den Zwillingen nochmals durch den Kopf gehen. Eigentlich war das doch recht hübsch, daß man aus einem kleinen Menschen zwei machen konnte. Ob man wohl auch aus einer Puppe einen Zwilling machen konnte? In dem Bettchen hatte solch ein Zwilling Platz.
Nachdenklich begab sich Bärbel ins Kinderzimmer. Sie holte die Puppen herbei, die große, schöne mit den langen Haaren, und die andere, die mit den Armen und Beinen so schön schlenkern konnte. Puppe Olga war auch nicht größer als die Zwillinge im rosa Körbchen. – Ob sie aus der Olga wohl solch einen Zwilling machte? Eine Schere stand ihr nicht zur Verfügung, es war ihr auch streng verboten worden, in Muttis Nähtisch zu gehen. Aber vielleicht ging es auch ohne Schere. Sie würde Olga zuerst ein Bein, dann einen Arm ausreißen, dann würde langsam ein Zwilling daraus werden.
Ungesäumt begab sich Bärbel an die Arbeit. Bei Olga ging es überhaupt nicht; aber Hanna ließ sich mit Leichtigkeit ein Bein und einen Arm abreißen.
»Es tut gar nicht weh«, tröstete Bärbel, »du wirst ein Zwilling!«
Die Überraschung bei dem Kinde war freilich recht groß, als sich vom Rumpf nun auch das andere Bein und der andere Arm ablöste. Hier mußte Lina helfen. Bärbel nahm ihre geliebte Puppe Hanna und die abgetrennten Glieder in den Arm und ging in die Küche. Dort war nur Wanda, die Köchin, anwesend.
»Es soll ein Zwilling werden«, sagte das Kind mit strahlenden Augen und hielt der Köchin die Puppe hin. »Jetzt will ich ein Messer haben.«
»Was machst du denn schon wieder?« schalt Wanda, »hast ja der schönen Puppe Arme und Beine ausgerissen!«
Das kleine Mädchen gab die Erklärung.
»Wer hat dir denn diesen Unsinn gesagt?«
»Der Felix!«
»Natürlich, das sieht ihm ähnlich. Jetzt laß die schöne Puppe in Ruhe, daraus wird nie ein Zwilling. Wenn man Zwillinge haben will, muß man im Wochenbett liegen.«
Bärbel horchte auf. Das war schon wieder ein ganz neues Wort.
»Kann ich nicht auch im Wochenbett liegen?«
»Unsinn, – die Lina wird die Puppe wieder heil machen; wenn du sie aber nochmals entzwei machst, gebe ich dir was auf die Finger.«
»Ich wollte doch einen Zwilling machen.«
»Und den Felix, den nehme ich mir gehörig vor!«
Tiefbetrübt nahm Bärbel die zerstörte Puppe und trug sie wieder hinaus. Sie wollte sich später von Felix einen guten Rat holen, der würde sicherlich Bescheid wissen.
Gegen Mittag holte man sie wieder hinauf, sie sollte sich die Brüderchen nochmals ansehen. Aber auch jetzt war das kleine Mädchen arg enttäuscht, denn die beiden Säuglinge schrien aus Leibeskräften, waren krebsrot im Gesicht und hatten die kleinen Händchen zu Fäusten geballt.
»Nun, – was sagst du jetzt zu deinen Brüderchen?« fragte der Vater strahlend.
»Ein eigensinniges Biest«, sagte Bärbel, denn die Redensart, die Felix so oft brauchte, gefiel ihr gar zu gut.
»Pfui!« sagte die Mutter entrüstet.
»Und immerfort schreien, – pfui, das ist unartig!«
»Du wirst die beiden schon lieb bekommen, Goldköpfchen.«
»Nein, – das werde ich nicht«, entschied das Kind und eilte wieder zur Tür hinaus.
Wenige Tage später gab er eine neue Aufregung im Hause des Apothekenbesitzers. Da die fürsorgliche Aufsicht der Mutter fehlte, hatte sich Bärbel in Hof und Garten stark erkältet. Der Onkel Doktor wurde gerufen, der das fieberheiße Köpfchen befühlte und freundlich zu dem kleinen Mädchen sagte:
»Da bleibt uns nun nichts anderes übrig, Goldköpfchen, du mußt eine Woche lang ins Bett hinein.«
Ein glückliches Leuchten brach aus den Augen des Kindes. »Onkel Doktor«, stammelte Bärbel, »jetzt kriegt Bärbel doch noch einen Zwilling, denn jetzt muß ich ins Wochenbett!«
Frohgemut ließ sich Bärbel auskleiden, frohgemut legte es sich nieder und dachte an die glückliche Zukunft, die es mit Zwillingen beschenken würde.
Großmama kommt
Im Hause des Apothekenbesitzers Wagner war man voller Sorgen. Das Befinden der jungen Mutter hatte sich verschlechtert, und Wagner hatte auf Anraten des Hausarztes einen Professor herangezogen, der anfangs zwar recht besorgt war, aber schon am dritten Tage erklärte, daß sich Frau Wagner auf dem Wege der Besserung befände.
Da auch Bärbel von leichtem Fieber heimgesucht worden war, wußte sich Wagner keinen anderen Rat, als an die Mutter seiner Frau zu schreiben und Frau Lindberg zu bitten, nach Dillstadt zu kommen, um dort ein wenig nach dem Rechten zu sehen.
So hatte Frau Lindberg ihr Kommen telegraphisch für heute angezeigt, und nun war man in Erwartung des lieben Gastes.
Bärbel mußte freilich noch immer das Bett hüten, aber der Arzt meinte, daß sie schon in allernächster Zeit wieder aufstehen könne.
So saß Herr Wagner abwechselnd am Lager seiner Frau und seines Töchterchens. Er war eben dabei, Bärbel die frohe Kunde zu bringen, daß heute abend die Großmama einträfe, als ihm die Nachricht wurde, daß Joachim sich wieder einmal von einer Schlägerei mit seinem Freunde Emil ein blutiges Gesicht geholt hätte.
Er eilte zunächst zu dem Knaben, der sich bemühte, das Nasenbluten zu stillen. Sein Gesicht sah wenig erfreulich aus, es wies mehrere große Kratzwunden auf, der Ärmel seiner Jacke war fast vollkommen herausgerissen.
Nachdem das Nasenbluten gestillt war, mußte Joachim eine derbe Strafpredigt über sich ergehen lassen.
»Ich werde dir das Spielen mit Emil Peiske verbieten, wenn du nochmals in solchem Zustande heimkommst, mein Junge.«
»O-o-o-ch, das ist mein treuester Freund!«
»Ein schöner Freund, der dir das Gesicht zerkratzt und die Nase blutig schlägt.«
Das Gesicht des Knaben strahlte. »Dafür habe ich ihm das Auge dick und blau gehauen, Vater.«
»Pfui, schäme dich, Joachim! Deine Mutter liegt krank, und du machst ihr nette Sorgen. Was hast du denn mit Emil vorgehabt?«
»Wir haben nur sehr nett gespielt«, entgegnete der Knabe.
»Derartige Spiele haben in Zukunft zu unterbleiben!«
Die Unterredung wurde unterbrochen, Lina, das Hausmädchen, erschien und meldete, daß unten der Schuhmacher Halbe sei, der den Herrn Apotheker dringend zu sprechen wünsche.
In Joachims Antlitz stieg dunkles Rot. »Vater, du mußt nicht alles glauben, was dir die Leute erzählen. – Es war wirklich nur ein unglücklicher Zufall, daß das Glas an dem Stein hängenblieb.«
Wagner horchte auf und sah seinen Sohn ernst an. »Was hast du denn gemacht?«
»Ich habe mit Emil wunderschön gespielt. – Schlacht, große Schlacht, mit Granaten! Dann wurde der Emil frech, –