Magda Trott

Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände)


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reden, Goldköpfchen.«

      »Haut mich dann das große Mädchen?«

      »Nun, das wird die nicht tun; aber wenn Leute sehr arm sind, wollen sie nicht, daß man davon spricht.«

      »Aber einen Goldregen wollen sie?«

      »Der könnte schon helfen.«

      Bärbel wurde nachdenklich. Beim gestrigen Spaziergange mit der Großmama war man an einem Garten vorübergekommen, in dem schöne Sträucher geblüht hatten. Ganz goldgelb sahen die Blüten aus, die in langen Trauben an den Zweigen hingen; die Großmama hatte Bärbel gesagt, daß dies Goldregen sei. Das Kind hatte den Namen nicht vergessen. – Dieser Goldregen sollte den armen Leuten helfen? Sollte es ermöglichen, daß das große Mädchen nicht mehr zu weinen brauchte?

      Bärbel stand vor einem neuen Rätsel. Aber dann fiel ihr ein, daß der Onkel Provisor ihr einmal Blumen gezeigt hatte, die den Kranken auch helfen sollten. Diese Blumen waren in der Apotheke geblieben; vielleicht hatte es mit dem Goldregen die gleiche Bewandtnis.

      Sie wollte den Onkel Provisor noch weiter ausfragen; aber die Apotheke füllte sich mit Kunden, daher zog sich Bärbel schweigend zurück.

      Am liebsten wäre das kleine Mädchen nun sogleich zum Vater gegangen, um ihm zu sagen, daß er dem weinenden Mädchen doch helfen solle.

      Dann hielt es Bärbel aber für ratsamer, die Großmama zu bitten, sie möge heute nochmals mit ihr zu jenem großen Garten mit den gelbblühenden Sträuchern geben.

      Sie verwarf aber beide Pläne, denn der Onkel Provisor hatte gesagt, daß man von diesen Sachen zu anderen Leuten nicht reden dürfe. Ein einziges Mal hatte sie dem Vater berichtet, daß Joachim von den Bäumen draußen Zweige abgebrochen hatte, sie hatte dafür von dem Bruder tüchtige Schläge bekommen, und darum fürchtete Bärbel auch jetzt, daß ein vorlautes Wort ihr gleichfalls eine Tracht Prügel eintragen könnte.

      Ein Goldregen würde helfen! Diese Worte des Onkels Provisor gingen ihr nicht mehr aus dem Sinn. Wenn sie dem weinenden Mädchen die goldgelben Blüten brachte, würde die kranke Mutter gewiß wieder gesund werden.

      In Bärbels Herz zog ein Gefühl namenlosen Glücks ein. Wie würden sich die vielen kleinen Kinder freuen, wenn die kranke Mutti wieder gesund würde. Vielleicht konnte auch der kranke Großvater mit von dem Goldregen essen und bald wieder aufstehen. O, wie schön mußte es sein, diesen armen Leuten ganz heimlich den Goldregen zu bringen. Dann würden alle Kinder sehr vergnügt und lustig »Häschen in der Grube« spielen, und der Großvater konnte vielleicht bald wieder mitspielen.

      Wenn aber ein Goldregen half, warum ging das weinende große Mädchen nicht in den Garten mit den Sträuchern und holte die schönen Blüten? – Auch darüber dachte Bärbel lange nach und kam schließlich zu der Überzeugung, jenes fremde Mädchen würde den Garten mit dem Goldregen gar nicht kennen.

      Wie gern hätte sie von ihrem Plan, der in dem kleinen Köpfchen reifte, zu einem Menschen gesprochen. Dem Kinde bangte ein wenig, ganz alleine von Hause fortzugehen, um die gelben Blüten zu holen. Aber schließlich überwog das Mitleid die Furcht, Bärbel verließ das Haus, blieb auf der Straße nochmals nachdenklich stehen, dann eilte sie davon.

      Es machte dem Kinde keine Schwierigkeiten, den Weg nach jenem Garten zu finden. Es wußte genau, wo es zu gehen hatte, und obwohl es manchmal von Vorübergehenden verwundert angeschaut wurde, ließ sich Goldköpfchen nicht beirren. Es lief eiligst weiter, bis der große Gitterzaun erreicht war, hinter dem die goldgelb blühenden Sträucher lockten.

      Nun aber stand Bärbel vor einer neuen Schwierigkeit. Das große Tor war anscheinend verschlossen, denn die schwere Tür bewegte sich nicht, obgleich sich Bärbel mit allen Kräften dagegenstemmte. Von der Straße aus waren die gelben Blüten nicht zu erreichen, und doch wollte Goldköpfchen den Goldregen haben, der der fremden Mutti und dem kranken Großvati half.

      Nach kurzem Überlegen entschied sich das Kind, am Zaune hochzuklettern. Das ging prächtig, nur eine der spitzen Zacken hielt das helle Kleidchen fest, und als das kleine Mädchen energisch daran zerrte, gab es einen Riß. Daran dachte die Kleine zunächst nicht; all ihr Trachten stand nach den gelben Blüten.

      Bärbel war endlich über den Zaun geklettert, aber – o weh, die Sträucher waren viel zu hoch, die Blüten nicht erreichbar. Da mußte sie eben nochmals klettern, wie sie das so oft mit Bruder Joachim tat.

      Nochmals wurde der Eisenzaun bestiegen. Bärbel turnte darauf herum, bis es ihr schließlich gelang, die ersten Blüten zu brechen.

      Das Kind hatte von der Anstrengung hochrote Wangen, es achtete auch nicht der Gefahr, in der es schwebte. Die beiden Händchen griffen nach den Zweigen, ein Brechen, ein Knacken, Bärbel hatte bereits einen ganzen Busch dieser Blüten im Arm, als sie erschreckt zusammenzuckte, denn dicht vor ihr stand ein Herr, der seinen Spazierstock drohend erhob.

      »Was machst du denn da, du Range?«

      Bärbel wäre beinahe vom Zaune gefallen. Jetzt stand die kleine Sünderin mit ängstlichem Gesicht vor dem Zürnenden.

      »Sind das deine Sträucher?«

      Bärbel vermochte nicht zu antworten, das Herz klopfte zu mächtig, und der drohend erhobene Stock ängstigte sie.

      »Bist du nicht die Kleine vom Apotheker? – Was fällt dir denn ein, in meinen Garten zu kommen und Blumen fortzunehmen? Habt ihr daheim nicht genug Sträucher?«

      Noch immer stand die Kleine auf dem Zaun.

      »Komm herunter!«

      Goldköpfchen hielt ihre Blumen fest im Arm. Alles hätte sie hergegeben, nur nicht diese goldenen Blüten.

      Schließlich kam der fremde Mann doch näher heran, griff nach dem aufschreienden Kinde und hob es vom Zaune herab.

      »Was fällt dir denn ein, heimlich in meinen Garten zu kommen und Blumen zu pflücken? Ist das recht? – Darf das ein artiges Kind tun?«

      Bärbel schwieg verängstigt.

      »Warum hast du die Blumen abgebrochen?«

      Wie gern hätte Goldköpfchen die Aufklärung gegeben, aber der Onkel Provisor hatte doch gesagt, daß man schweigen müsse. So schlossen sich die schon geöffneten Lippen aufs neue.

      Da faßte sie der Herr am Arm und schüttelte sie kräftig.

      »Kannst du dich nicht einmal entschuldigen? Du bist genau so unartig wie dein Bruder! Na warte, ich werde es deinem Vater erzählen, der mag dir die Prügel geben, die du verdienst. – Nun geh!«

      Mit einem unglücklichen Blick schaute das kleine Mädchen dem Zürnenden in die Augen.

      »Bärbel will die schönen Blumen nicht für Bärbel haben, ich – ich …« nun schluchzte sie laut auf.

      »Willst du sie vielleicht gleich wieder fortwerfen?«

      Goldköpfchen schüttelte heftig den Kopf.

      »Wer soll denn den Goldregen bekommen?« Der Zorn des alten Herrn hatte sich bereits ein wenig gelegt, als er in das tränenüberströmte Kindergesichtchen schaute. »Vielleicht die Mutti oder die beiden kleinen Brüderchen?«

      Erneutes Kopfschütteln.

      »Na, dann lauf; aber in Zukunft laß meine Sträucher in Ruhe. Ihr habt selbst genug im Garten.«

      Bekümmert eilte Bärbel davon. Nur als die Augen wieder auf die gelben Blüten fielen, hellte sich ihr Blick wieder auf.

      Doch jetzt wurde ihr plötzlich klar, daß sie gar nicht wußte, wem sie den Goldregen zu bringen hatte. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ins Elternhaus zurückzukehren und den Onkel Provisor zu fragen, wo das weinende Mädchen wohne.

      Als Bärbel den Vorgarten betrat, lief ihr Lina mit zürnendem Gesicht entgegen.

      »Eine Viertelstunde suche ich doch schon! – Meine Güte, wie siehst du denn aus! – Wo warst du denn, du Unart?«

      Ehe