von Schneidermeister Peiske hörte.
Mit zerkratztem Gesicht und zerrissenem Ärmel machte sich Joachim wieder an die Reinigungsarbeiten, und als der Vater erschien, war alles fertig.
»Siehst du, mein Junge, diese Arbeit hättest du dir sparen können. In Zukunft laß das Bassin und die Fische in Ruhe.«
»Die ollen Fische sind mir ganz wurscht, es lohnt sich gar nicht, daß man sich mit solchem Viehzeug abgibt«, entgegnete der Knabe verächtlich.
»Und nun kannst du an die Schularbeiten gehen.«
Leise maulend folgte der Knabe dem Vater. Er fühlte sich in seiner Schülerehre tief gekränkt. Zu Aufräumungsarbeiten war doch das Personal da. Er war doch schließlich kein Hausdiener. – Wenn nur der Emil den Mund hielt und es nicht weitererzählte. Was würden seine Schulkameraden sonst von ihm denken?
Verstohlen ballte er die Fäuste nach dem Nachbargrundstück hin. »Ich schlage dir noch das andere Auge blau, wenn du was sagst«, murmelte er leise vor sich hin.
Als Goldköpfchen eine halbe Stunde später ins Kinderzimmer kam, wurde sie von dem arbeitenden Bruder angeschrien.
»Ich habe zu arbeiten, du Gans! – Hinaus!«
Erstaunt schaute die Kleine den zürnenden Bruder an.
»Na, – was glotzt du denn?«
»Du hast wohl Haue gekriegt, Joachim?«
»Kannst gleich welche besehen! Pah, – überhaupt – mit solchen kleinen Mädchen sollte man gar nicht reden!«
»Lausebengel«, sagte Bärbel mißmutig und ging davon, denn sie wußte, daß der Bruder in solcher Stimmung gern zuschlug. Sie war in der besten Absicht gekommen, um den Bruder zu rufen, denn der Vater hatte eben gesagt, daß er die Fische füttern wollte. Nun eilte Goldköpfchen allein in den Garten und schaute voller Interesse zu, wie die Tierchen nach den ins Wasser geworfenen Ameiseneiern schnappten.
»Bitte, gib mir die Tüte, Vati«, bettelte die Kleine.
»Nein, Goldköpfchen, die Fische haben genug Futter.«
»Ach, ich möchte so gern noch etwas hineinwerfen.«
»Das darfst du an einem anderen Tage. Wir kaufen dann Futter, recht schönes Futter für die Fischlein, und dann darfst du es ins Wasser werfen.«
Nun wollte Bärbel natürlich noch wissen, was das für Futter sei, wer das Futter koche, und geduldig gab Herr Wagner seinem Töchterchen Auskunft. Der Apotheke schräg gegenüber war die Handlung, in der man alles Notwendige erhielt.
Dieses Fischefüttern beschäftigte das Kind den ganzen Nachmittag. Es rief die Großmama; aber Frau Lindberg erklärte, das Fischfutter sei verbraucht, heute könne man den Tierchen nichts mehr geben, denn es müsse erst neues gekauft werden.
Und als dann Bärbel im Vorgarten stand, kam ihr der Gedanke, daß es vielleicht ganz richtig sei, wenn man heute schon für morgen das Futter besorge.
Kurz entschlossen lief das Kind über die Straße, betrat die Vogelhandlung und forderte Fischfutter für die goldenen Fischlein.
»Hast du Geld mit?« fragte der Inhaber freundlich.
»Nein.«
»Ist das Futter für deinen Vater?«
Bärbel machte ein entrüstetes Gesicht. »Für die Fische, – der Vati ißt so was nicht.«
Der Ladeninhaber lachte belustigt auf. »Ich meine, ob dich der Vater herübergeschickt hat, das Futter zu holen?«
Wieder mußte Bärbel verneinen, und so erklärte der Händler, daß er das Futter hinüberschicken werde. Für morgen wäre dann wieder etwas da.
Als Goldköpfchen ins Haus zurückkehrte, sah es den Bruder auf der Straße, der eifrig nach Maikäfern ausschaute.
»Ich habe mir schon einen Busch zurechtgemacht, damit fange ich mir hundert Stück.«
Bärbel jubelte. »Mir schenkst du auch sieben?«
»Fang dir selbst welche!«
»So fängt mir Emil welche oder Felix.«
Beim Abendessen war Joachim recht unruhig. Er hatte wieder einmal ein schlechtes Gewissen. Zwar war es ihm gelungen, die zerrissene Jacke bisher zu verbergen; aber das Gesicht wies neue Kratzer auf.
Der Apothekenbesitzer aber gab sich den Anschein, als sähe er das nicht, und Joachim war froh, als das Abendessen endlich vorüber war. An dem heutigen warmen Tage durfte er noch ein wenig hinaus; und diese Stunde wollte er dazu benutzen, sich Maikäfer zu fangen, die er morgen in der Schule gegen irgend etwas anderes eintauschte. Außerdem machte es furchtbaren Spaß, dem Lehrer einen Maikäfer um den Kopf schwirren zu lassen.
Die lange Stange, an der ein Busch junges Grün festgebunden war, geschultert, begab sich Joachim hinaus aus die Straße. Vor dem Nachbarhause ließ er seinen Pfiff ertönen, der Freund Emil herauslocken sollte. Er war ihm freilich noch etwas gram, aber Maikäfer fangen sich am besten zu zweien.
Er pfiff und pfiff, schließlich erschien der Schneidermeister. Mit einigen Sätzen war der Knabe auf der anderen Straßenseite.
»Du pfeifst wohl nach dem Emil? Der hat Stubenarrest und darf heute nicht mehr hinaus.«
»Warum denn?« rief es von der anderen Straßenseite herüber.
»Das solltest du doch am besten wissen!«
»Kommt er nicht runter?«
»Nein, er hat Arrest.«
»Er soll doch nur Maikäfer mit mir fangen.«
»Ich habe dir doch gesagt, daß er nicht raus darf, und dabei bleibt es! Also, laß das Pfeifen sein!«
Der Schneidermeister verschwand wieder in der Haustür, und Joachim schaute nach den Fenstern des ersten Stockwertes hinauf. Dort mußte der Emil sitzen. Er pfiff schriller und immer schriller, bis sich schließlich das Gesicht Emils an die Scheibe drückte.
»Mach’ doch mal auf!« rief Joachim.
Zögernd wurde das Fenster geöffnet.
»Du bist eingesperrt? Ich fange Maikäfer.«
Emil spuckte aus dem Fenster aus die Straße hinunter.
»Ich habe schon hundert Maikäfer«, renommierte Joachim voller Schadenfreude.
»Das ist ja gelogen! Du lügst überhaupt immer.«
»Och du«, klang es verächtlich von unten herauf »Haha, bist ja eingesperrt!«
»Und du hast den Dreck ausräumen müssen!«
Daraufhin hielt es Joachim für ratsam, die Unterhaltung abzubrechen; aber er spazierte vor dem Hause auf und ab und schrie von Zeit zu Zeit höhnend hinauf:
»Schon wieder einen gefangen!«
Währenddessen sann Emil auf Rache. Er holte ganz heimlich einen Wasserkrug, stellte ihn neben sich auf das Fensterbrett, und als Joachim wieder triumphierend vorüberging, bekam er einen mächtigen Guß ab.
Das war aber auch von unten gesehen worden, denn im gleichen Augenblick war die Frau des Schneidermeisters aus dem Hause getreten, hatte mehrere Spritzer abbekommen, und es dauerte gar nicht lange, so hatte die resolute Frau ihrem Sprößling die Lust an ähnlichen derartigen Späßen genommen.
Bärbel war natürlich immer in der Nähe des Bruders und freute sich unsäglich über die krabbelnden Tiere. Nur daß der Bruder die Maikäfer in eine Zigarrenkiste einsperrte, gefiel ihr gar nicht.
»Sie wollen doch umherfliegen und singen, – laß sie wieder raus, Joachim.«
»Quatsch, – die nehme ich morgen mit in die Schule.«
»Du kannst sie doch nicht die Nacht über einsperren?«
»Das