Rita Hajak

Mord am alten Friedhof


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später standen sie vor einem gepflegten Gebäude mit mehreren Etagen. Auf ihr Klingeln ertönte umgehend der Summer. An der Wohnungstür, im Erdgeschoss, stand eine gut aussehende Frau um die vierzig, salopp gekleidet, mit dunkelblond gewelltem Haar. Zwischen ihren ringgeschmückten Fingern hielt sie eine Zigarette.

      »Entschuldigen Sie, ich dachte, es wäre mein Mann. Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie beunruhigt.

      Silke schaute Lauenberg an, zog ihren Ausweis und stellte sich und ihren Kollegen vor.

      »Geht es um Michael? Haben Sie was herausgefunden? Hat er was angestellt?« Ihre Augen blickten besorgt auf Silke und wanderten zu Lauenberg. »Aber wieso Mordkommission?«

      »Dürfen wir hereinkommen?«, fragte Silke.

      Die Frau nickte und ging aufrecht voran ins Wohnzimmer, das extravagant eingerichtet war. Der riesige Flachbildschirm, umrahmt von Regalen mit wertvollen Kleinigkeiten und jede Menge Bücher, nahm die halbe Wand ein. An der Seitenwand stand ein moderner Kaminofen, dem eine angenehme Wärme entströmte. »Nehmen Sie Platz, bitte.« Ihre Hände strichen unruhig den Stoff ihrer Hose glatt, nachdem sie die Zigarette im Ascher ausgedrückt hatte.

      Silke setzte sich vorsichtig auf die weiße Ledercouch, bevor sie sagte: »Frau Steiner, was sollten wir herausgefunden haben?«

      »Kommen Sie nicht wegen der Vermisstenanzeige? Ich hatte sie in der Nacht aufgegeben.« Die Frau blickte unsicher von einem zum anderen.

      »Nein, nicht aus diesem Grund. Aber wir haben Ihren Mann gefunden. Er wurde niedergeschlagen. Er ist … «

      Die Frau sprang auf. »Ist er schwer verletzt?« Zitternd riss sie die Augen auf.

      Silke trat vor sie hin. »Er ist tot, erschossen.«

      Die Frau schwankte. Silke hatte es kommen sehen und stützte sie. Lauenberg war ebenfalls aufgestanden.

      »Tot?«, flüsterte die Frau, als begreife sie nicht, was das bedeutete.

      Sekunden später fing sie an zu weinen.

      »Können wir jemand verständigen?« Lauenberg schaute sie besorgt an.

      Sie schüttelte fassungslos den Kopf und beruhigte sich allmählich. »Ich rufe meine Schwester an. Sie wohnt in der Nähe.« Sie nahm ihr Handy und drückte die Kurzwahltaste. In kurzen abgehakten Worten bat sie ihre Schwester um ihr sofortiges Kommen.

      »Wie ist das passiert und wann?«, fragte sie Silke verzweifelt.

      »Wir wissen nichts Genaues. Ein Mann mit Hund hat ihn heute Morgen beim Spaziergang in der Nähe des alten Friedhofs gefunden. Vermutlich ist es gestern Abend gegen 23 Uhr geschehen. Die Spurensicherung muss erst alle Ergebnisse auswerten«, gab Silke Auskunft.

      »Dann ist es auf dem Heimweg passiert«, schluchzte Frau Steiner.

      »Gibt es noch andere Verwandten oder haben Sie Kinder?«, fragte Silke.

      »Nein.«

      »Wo war ihr Mann beschäftigt, Frau Steiner?«

      »Bei Alfa Elektro«, stotterte sie.

      »Hatte Ihr Mann Feinde?«

      Sie tupfte sich die Tränen von den Wangen und schüttelte den Kopf. »Nicht das ich wüsste. Er war zu jedem freundlich und hilfsbereit. Wer sollte etwas gegen ihn gehabt haben?«

      Es klingelte an der Haustür. Silke und Lauenberg erhoben sich. Frau Steiner öffnete und fiel ihrer Schwester um den Hals. Die Kommissare verabschiedeten sich, nachdem Silke der Schwester die Sachlage geschildert hatte.

      »Fahren wir zuerst zu dieser Firma. Wir müssen die Firmenleitung über Steiners Tod informieren«, meinte Silke, als sie in den Wagen stiegen. »Finden Sie nicht, dass die Frau keine echte Trauer zeigt? Wirkt wie einstudiert.«

      Lauenberg zuckte mit den Schultern. »Jeder Mensch reagiert anders. Fahren wir in die Firma des Toten.«

      Unterwegs meinte Silke: »Sie werden mit der neuen Kollegin gut auskommen. Ich kenne sie von einem Einsatz. Sie ist umgänglich, aber wenn sie von einer Sache überzeugt ist, gibt es kein Pardon«, lachte sie.

      »Wir werden sehen«, antwortete Lauenberg. Er schaute Silke kurz an und richtete seinen Blick auf die Straße, indem er dachte: Sie sieht gut aus. Halblange mittelblonde Haare, gute Figur, ebenmäßiges Gesicht. Tolle Frau!

      »Haben Sie Familie oder ist Ihnen das zu persönlich?«, wollte die Kollegin wissen.

      »Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich lebe seit einem Jahr von meiner Frau getrennt.«

      Silke nickte. »Macht Ihnen das zu schaffen?«

      »Ich liebe sie noch immer.«

      »Verstehe.«

      »Und Sie?«, fragte er.

      Silke hatte das Gefühl, es interessiere ihn nicht wirklich, dennoch antwortete sie: »Ich bin seit vielen Jahren geschieden und lebe seit knapp drei Jahren mit einem Kollegen vom LKA zusammen. Udo Berger. Vielleicht laufen Sie sich mal über den Weg.«

      »Ich werde mir den Namen merken«, versprach Lauenberg. Als sie ins Büro zurückkamen, wartete Polizeirat Dr. Manderbach auf sie. In knappen Worten unterrichtete Lauenberg ihn über den neusten Fall.

      »Haben Sie was in der Firma des Toten ermittelt?«,

      fragte Dr. Manderbach.

      »Nichts, was uns weiterbrächte«, antwortete der Kommissar.

      »Der Chef, ein Herr Brinkmann, war noch nicht anwesend. Einige Mitarbeiter haben das Opfer als einen zuverlässigen, kompetenten Kollegen bezeichnet. Ich werde dort nochmals vorsprechen.«

      Dr. Manderbach nickte. »Tun Sie das.«

      Silke und Lauenberg standen auf und verabschiedeten sich.

      »Ich gehe noch in die Cafeteria, mir ein Streuselstückchen holen. Mögen Sie auch eins.«

      »Da sage ich nicht nein«, grinste Lauenberg. »Ach, wissen Sie was? Ich komme mit und wir trinken einen Kaffee zusammen.«

      »Ich bin begeistert. Unser letzter gemeinsamer Tag«, antwortete

      Silke erfreut.

      Kapitel 3

       Samstag, 8. April 2018

      Am nächsten Morgen schaute Lauenberg ungeduldig zu Andreas Hauser und trat ans Fenster. »Was haben Sie herausgefunden?«

      Hauser hob beschwichtigend die Hand. »Geduld, wir warten, bis der Chef da ist.«

      Wie auf Kommando ging die Tür auf und Dr. Manderbach trat ein. »Guten Morgen. Ich habe die Unterlagen von Frau Dr. Eichhorn mitgebracht, die ich zuerst vorlese. Also: Der Tote ist mit einem Stein niedergeschlagen worden. Das erklärt die große Wunde am Kopf. Danach wurde er in die Büsche geschleift, was die Spuren an seiner Hüfte bestätigen. Auf Oberkörper, Magen und Unterleib befinden sich mehrere Hämatome, die von Schlägen und Tritten herrühren. Die Todesursache jedoch war der aufgesetzte Nahschuss. Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer bereits bewusstlos. Der Einschuss erfolgte in der Mitte des Hinterkopfs und trat am unteren Rand des rechten Auges aus«, beendete Dr. Manderbach den Bericht. »Jetzt sind Sie dran, Hauser.«

      Der Leiter der KTU räusperte sich. »Wir haben Abdrücke von Turnschuhen oder anderen Schuhen mit grobem Profil, der Größe 44, rund um den Tatort gefunden. Die Blutanalyse hat ergeben, dass es das Blut des Toten ist. Auf der Spielkarte waren keine Fingerabdrücke zu finden. Schmauchspuren am Opfer konnten wir feststellen. Es muss noch ausgewertet werden, um was für eine Schusswaffe es sich handelt. Das Projektil haben wir erst heute Morgen, tief im Erdboden, in der Nähe der Mauer, gefunden. Mehr haben wir im Moment nicht. Weitere Spuren konnten wir wegen der leichten Schneedecke nicht lokalisieren.«

      »Danke, Herr Hauser, viel ist das nicht