Мэри Элизабет Брэддон

Der Capitän des Vultur


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      »Ich habe mir’s ja gedacht, daß er in ein Wundfieber verfallen würde. Er redet bereits irre,« sagte der Arzt mit leiser Stimme.

      Capitän Duke schlug die Augen nieder und ein dunkler Schatten verbreitete sich über sein hübsches Gesicht.

      »Ihr träumt, mein Lieber,« sagte Mrs. Pecker. »Welcher Mann und wo, wo ist er?«

      Darrell Markham hob langsam seinen unverwundeten Arm auf und deutete auf das dunkle Gesicht des Capitäns.

      »Dort!« sagte er, sich in dem Arme des Mannes, der ihn unterstützte, ein wenig emporrichtend und dann bewußtlos wieder zurücksinkend.

      »Ich dachte es mir,« murmelte der Capitän.

      »Ich ebenfalls,« erwiederte der Arzt. »Das Fieber ist bereits da und damit auch die Gefahr.«

      »Und er muß ruhig gehalten werden?« fragte der Capitän, als der Verwundete die breite, eichene Treppe hinaufgetragen wurde.

      »Er muß ruhig gehalten werden, sonst kann ich nicht für sein Leben einstehen. Ich habe ihn als Knaben gekannt und ich weiß, daß ihm jede heftige Aufregung eine Gehirnentzündung zuziehen wird.«

      »Armer Mensch! Er ist in Folge meiner Verheirathung mit seiner Cousine ein Verwandter von mir, obschon ich fürchte, daß in dieser Beziehung keine große Zuneigung zwischen uns besteht. Und dies ist das erste Mal, daß wir einander gesehen haben. Seltsam!«

      »Es giebt Vieles im Leben, was seltsam ist, Capitän Duke,« sagte der Arzt.

      »So ist es, Doktor,« antwortete der Capitän. »So ist Darrell Markham auf seinem Wege von Compton nach Marley Water von einer oder mehreren unbekannten Personen durch einen Schuß verwundet worden. Sehr seltsam!«

      Zweites Capitel.

      Millicent.

      Millicent Duke saß an diesem Herbstabend allein in ihrem kleinen Wohnzimmer, während der Nordostwind draußen um das Gebäude heulte,— sie saß allein und versuchte Richardsons letzten Roman zu lesen, einen kleinen, abgegriffenen Band, den ihr die Frau des Pfarrers von Compton geliehen hatte. Aber so sehr sie Richardsons Novellen liebte, so war sie heute doch nicht im Stande, ihre Aufmerksamkeit auf die Erzählung zu concentriren; ihre Gedanken entfernten sich von der armen Clarissa und dem bösen Lovelace, das Buch entsank ihrer Hand und sie verfiel in ein tiefes Nachsinnen. Es lohnt sich wohl der Mühe, auf Mrs. Millicent Duke zu blicken, wie sie ruhig an ihrem einsamen Kamin sitzt, mit der einen weißen Hand ihren kleinen Kopf stützend, während ihr Ellbogen auf der Armlehne des Stuhls ruht, in welchem sie sitzt.

      Es ist ein sehr schönes und mädchenhaftes Gesicht« auf dem das wechselnde Licht des Feuers zittert, bald die eine Wange mit einer sanften Röthe beleuchtend, bald sie im Schatten lassend, je nachdem die Flamme emporschießt oder zurücksinkt. Es ist ein sehr schönes und mädchenhaftes Gesicht mit zarten Zügen und dunkelblauen Augen, in deren sanften Tiefen ein Schatten wohnt — ein Schatten wie von langgetrockneten, aber nicht vergessenen Thränen. Es sind auch gedankenvolle Linien um den Mund bemerkbar, die nicht von einer vollkommen glücklichen Jugend Zeugniß geben. Wenn man diesen gedankenvollen Mund und diese traurigen Augen ansieht, so läßt sich unschwer errathen, daß Millicent Duke und Kummer und Sorgen längst Bekanntschaft mit einander gemacht haben. Aber trotz dieser Schwermuth, welche ihre Züge überschattet, oder vielleicht gerade wegen dieser Schwermuth, ist Millicent Duke ein sehr schönes Mädchen. Man kann sie sich nicht leicht als eine verheirathete Frau denken. Ihr Aussehen ist noch so jugendlich, in ihrem Benehmen liegt eine so mädchenhafte, fast kindische Schüchternheit, daß ihr Gatte — kein besonders liebender oder zärtlicher Gatte — zu sagen pflegte: »Millicent ist so schwer wie ein kleines Kind zu behandeln, denn man weiß niemals, ob sie nicht wie ein verzogenes Kind im nächsten Augenblicke in Weinen ausbrechen wird.« Es giebt indeß Leute in Compton, welche sich der Zeit erinnern, wo das verzogene Kind niemals weinte und wo ein Frühlings-Sonnenblick kaum heiterer war als das strahlende Gesicht von Millicent Markham. Aber dies war in den guten alten Tagen, wo ihr Vater, der Squire, noch lebte und wo sie gewohnt war, auf ihrem hübschen weißen Pony die Gegend zu durchstreifen, begleitet und beschützt von ihrem Cousin und theuersten Freunde, Darrell Markham.

      Sie ist an diesem kalten Herbstabend ganz besonders traurig. Der scharfe Wind, unter dessen Stößen die Fenster erzittern, macht sie frösteln und sie zieht den schweren Stuhl näher an das niedergebrannte Feuer. Sie hat ihre einzige Magd längst zu Bett geschickt und es fehlt ihr an Material, um das Feuer in dem weiten Kamin zu unterhalten. Die Wachskerzen sind in den alten, silbernen Leuchtern tief heruntergebrannt. Es bat Zehn, Elf, Zwölf auf dem Kirchthurme von Compton geschlagen, aber noch immer ist kein Anzeichen von der Rückkehr des Capitäns.

      »Er ist glücklicher bei ihnen, als bei mir,« sagte sie traurig. »Wer kann sich auch darüber wundern? Ihre Reden unterhalten und erheitern ihn; ich kann ihn mit meinem unglücklichem blassen Gesicht nur langweilen.« Sie warf, während sie dieses sprach, einen Blick in den ihr gegenüberhängenden Spiegel, in welchem sie bei dem schwachen Lichte des erlöschenden Feuers und der düster brennenden Kerzen ihr bleiches Gesicht erblickte. »Und doch nannte man mich einst ein hübsches Mädchen,« murmelte sie; »ich hatte Farbe aus meinen Wangen und Darrell pflegte zu sagen, ich habe die Rosen aus dem Garten gestohlen. Ich glaube, er würde mich jetzt kaum mehr erkennen.«

      Die lange Stunde nach Mitternacht schlich träge dahin und als es endlich Eins schlug, vernahm sie den scharfen Tritt ihres Mannes auf dem Pflaster der leeren Gasse. Sie sprang rasch von ihrem Stuhle auf und eilte hinaus in den Vorplatz; aber gerade als sie im Begriff war den Riegel zurückzuziehen, hielt sie plötzlich inne und legte die Hand auf’s Herz.

      »Was ist’s diesen Abend mit mir?« murmelte sie. »Ich habe das Gefühl, als ob mir ein großer Kummer bevorstände, aber welcher neue Kummer kann mich noch treffen?«

      Ihr Mann klopfte mit seinem Schwertgriff ungeduldig an die Thüre, während sie mit zitternder Hand zu öffnen suchte.

      »Hattest Du an der Thüre gehorcht, Millicent, weil Du so schnell aufmachst?« fragte er beim Eintritt.

      »Ich habe Deine Tritte in der Straße gehört und mich beeilt, Dich einzulassen, George. Du kommst sehr spät,« setzte sie hinzu, während er in das Zimmer trat und sich in den Stuhl warf, in dem sie gesessen hatte.

      »Das klingt wie ein Vorwurf,« sagte er spöttisch. »Ich habe allerdings sehr Vieles, was mich zu Hause halten könnte,« murmelte er sich umsehend — »ein weinendes Weib, ein schlechtes Feuer und herabgebrannte Lichter.«

      Er wandte seiner Frau den Rücken und beugte sich über die erlöschenden Kohlen, indem er an denselben seine Hände zu wärmen suchte. Seine Frau setzte sich an einen kleinen, polirten Tisch, wo sie den Roman von Richardson wieder aufnehmend, sich den Anschein gab, als sei sie im Lesen vertieft.

      Nach einer kleinen Pause sprach der Capitän, ohne sich nach seiner Gefährtin umzuwenden, ohne sie auch nur ein einziges Mal beim Namen anzureden: »Es hat drunten ein Unglück gegeben,« sagte er kurz.

      »Ein Unglücks« rief Millicent, ihr Buch weglegend und mit einem Ausdruck von unbestimmter Besorgniß aufblickend. »Ein Unglück! O, das thut mir leid; aber was für ein Unglück?«

      Da er ihre Frage nicht beantwortete, so wiederholte sie dieselbe:

      »Was für ein Unglück, George?«

      »Ein Mann ist auf dem Compton-Moor von Straßenräubern halb ermordet worden.«

      »Aber nicht wirklich ermordet worden, George?« Sie war so lebhaft mit ihren eigenen traurigen Gedanken beschäftigt, daß sie dem, was ihr Mann sagte, nur eine halbe Aufmerksamkeit zu schenken vermochte.

      »Nein, nicht ermordet, aber fast ermordet; hab’ ich es Dir nicht gesagt?« antwortete der Capitän. »Und ein sehr hübscher, junger Bursche ist es,« setzte er halb zu sich sprechend hinzu — »ein hübscher Mensch mit weißem