Мэри Элизабет Брэддон

Der Capitän des Vultur


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rührte und nichts weiter mehr sagte, nahm sie ihr Buch wieder auf und begann zu lesen. Es trat eine Pause ein, während welcher der Capitän die erlöschenden Kohlen aufstörte. Darauf wendete er sich um und blickte seine Frau scharf an. Nachdem er sie einige Minuten mit einem zornigen Ausdruck in seinen hübschen, braunen Augen beobachtet hatte, sagte er mit einem verächtlichen Lachen:

      »Der Himmel segne diese romanlesenden Weiber! Der Tod eines Mitmenschen ist ihnen gar nichts, wenn nur Miß Clarissa mit ihrem Geliebten versöhnt ist und Mistreß Palmela’s Tugend im sechsten Bande belohnt wird! Was Du doch für ein zartes, theilnehmendes Wesen bist! Weinst über Sir Charles Grandison und fragst mich nicht einmal, wer der ist, der im blauen Zimmer des Schwarzen Bären zwischen Leben und Tod liegt.«

      Mrs. Duke sah ihren Gatten mit einem bittenden Blicke an, als ob sie an harte Worte und als Erwiderung darauf an Entschuldigungen gewöhnt wäre.

      »Ich bitte Dich um Vergebung, George,« sagte sie zögernd. »Ich bin wirklich nicht gefühllos, dieser verwundete, halb sterbende Mann thut mir leid, wer er auch sein mag. Wenn ich ihm einen Dienst leisten könnte, so würde ich es sehr gern thun, was es mir auch kosten möchte. Was kann ich mehr sagen, George?«

      »Und man spricht von weiblicher Neugierde,« rief der Capitän mit einem spöttisches Gelächter; »selbst jetzt fragt sie mich nicht, wer der Verwundete ist.«

      »Sein Name kann wenig Unterschied in meinem Mitleid für ihn machen, George. Der arme Mensch! Er dauert mich sehr, wer er auch sein mag. Ist er ein Freund von Dir? Ist es Jemand, den ich kenne, George?«

      Ihr Gatte wartete einige Augenblicke, ehe er diese Frage beantwortete. Millicent hatte sich von ihrem Sitz erhoben und stand am Tisch mit den Lichtern beschäftigt, welche nahe daran waren, auszugehen. Der Capitän drehte sich in seinem Stuhle um und beobachtete ihr bleiches Gesicht, während er langsam und deutlich sagte:

      »Der Mann ist Jemand, den Du kennst, und er ist kein Freund von mir.«

      »Wer ist es, George?«

      »Dein Cousin, Darrell Markham.«

      Sie stieß einen Ruf aus, keinen schrillen Schrei, sondern einen kläglichen Ruf, und erhob ihre Hände zum Kopf. Sie blieb einige Augenblicke in dieser Stellung, ganz still und ruhig, und dann sank sie wieder auf ihren Sitz am Tische nieder. Ihr Mann beobachtete sie die ganze Zeit über mit einem höhnischen Lächeln und einem boshaften Feuer in seinen Augen.

      »Darrell, mein Cousin Darrell, todt?«

      »Nicht todt, Mistreß Millicent, nicht ganz so schlimm als das. Dein theurer, blonder Cousin mit dem Milchgesicht ist nicht todt, mein süßes, liebendes Weib; er liegt blos im Sterben.«

      »Ja dem blauen Zimmer des Schwarzen Bären liegend,« sagte sie, die Worte, die er einige Minuten zuvor gesprochen hatte, in einer verwirrten Weise wiederholend.

      »In dem blauen Zimmer des Schwarzen Bären liegend. Ja, im blauen Zimmer, Nummer vier im langen Gang. Du kennst das Gemach gut genug. Warst Du nicht oftmals in dem alten Wirthshaus, um die frühere Haushalterin Deines Vaters, die Wittwe des Matrosen, jetzt die Frau des Wirths, zu besuchen ?«

      »Zwischen Tod und Leben schwebend,« wiederholte Millicent in demselben halb bewußtlosen Tone, der so kläglich anzuhören war.

      »Er war es! Der Himmel weiß, wie es seht mit ihm steht. Das war vor einer halben Stunde. Die Wage mag seitdem den Ausschlag gegeben haben; er mag todt sein!«

      Als George Duke die letzten Worte sprach, sprang seine Frau plötzlich von ihrem Sitze auf und eilte, ohne ihn anzublicken, nach der äußern Thüre. Sie hatte bereits ihre Hand auf dem Riegel, als sie im Tone des Schmerzes ausrief: »O nein, nein, nein!« und auf ihre Kniee niedersank, den Kopf an die Thüre gelehnt.

      Der Capitän des Vultur folgte ihr in den Gang hinaus und beobachtete sie mit harten, mitleidslosen Augen.

      »Du wolltest also zu ihm eilen?« sagte er, als sie auf ihre Kniee sank.

      Zum ersten Male, seit Darrell Markhams Name erwähnt worden war, blickte Millicent ihren Gatten an, nicht traurig, nicht vorwurfsvoll und am wenigsten furchtsam, sondern ihre blauen Augen sahen kühn und trotzig zu ihm empor.

      »Ich wollte es.«

      »Und warum gehst Du nicht?« Du siehst, ich bin nicht grausam; ich halte Dich nicht auf. Du hast Deine Freiheit. Geh! Geh zu Deinem Cousin und — zu Deinem Geliebten, Mistreß Duke. Soll ich Dir die Thüre öffnen?«

      Sie erhob sich mit einiger Anstrengung, noch immer zur Stütze an die Hausthür gelehnt.

      »Nein,« sagte sie, »ich will nicht zu ihm gehen, ich könnte ihm von keinem Nutzen sein; ich könnte ihn aufregen, ich könnte ihn tödten!«

      Der Capitän biß sich auf die Unterlippe und der triumphirende Blick verschwand aus seinen braunen Augen.

      »Aber wisse, George Duke,« sagte sie in einem Tone, der den Ohren ihres Mannes neu war, »es ist nicht die Furcht vor Dir, die mich hier zurückhält, keine Scheu vor Deinen grausamen Worten und noch grausameren Blicken, die mich abhält, an seine Seite zu gehen, denn, wenn ich ihm durch meine Gegenwart nur einen Augenblick des Schmerzes ersparen, oder durch meine Liebe und Aufopferung nur eine Minute Frieden und Trost geben könnte, und wenn die Stadt Compton ein einziges Feuermeer wäre, so würde ich durch die Flammen gehen, um es zu thun.«

      »Das ist eine sehr schöne Rede aus einem Roman,« sagte ihr Gatte, »aber ich glaube nicht an solche schöne Reden und ich habe vielleicht meine eigenen guten Gründe, daran zu zweifeln. Wenn Darrell Markham im Sterben nach Dir verlangte, so würdest Du vielleicht zu ihm gehen, besonders,« setzte er mit seinem gewöhnlichen Spott hinzu, »da die Stadt Compton nicht in Flammen steht.«

      Millicent sprang auf ihn zu und ergriff mit ihren beiden kleinen, schlanken Händen, die sonst so schwach und in dieser Nacht so stark waren, krampfhaft seinen Arm.

      »Hat er, hat er, hat er es gethan ?« rief sie leidenschaftlich; »hat Darrell nach mir verlangt? O, George Duke, bei Deiner Ehre als ein Gentleman, als ein Seemann, als ein Diener Sr. Majestät, bei Deiner Hoffnung auf den Himmel, bei Deinem Glauben an Gott, sage mir, hat Darrell Markham nach mir verlangt?«

      Der Capitän ließ sie auf seine Antwort warten, während er nach dem Wohnzimmer zurückkehrte und dort an der flackernden Flamme des großen Leuchters ein kleines Wachslicht anzündete.

      »Ich sage nicht Nein und sage nicht Ja,« sagte er. »Ich habe keine Lust, den Boten zwischen Dir und ihm zu machen. Gute Nacht,« setzte er hinzu, an seiner Frau vorüber in den Vorplatz tretend und von dort nach der Treppe gehend. »Wenn Du die ganze Nacht aufbleiben willst, so thue es, Mistreß Duke. Es ist auf den Schlag Zwei und ich bin müde. Gute Nacht!«

      Er ging hinaus und in ein kleines Schlafgemach über dem Wohnzimmer. Es war einfach, alter hübsch möblirt und überall herrschte die größte Nettigkeit. Im Kamin brannte noch das Feuer; aber obschon der Capitän fror, so lenkte er doch seine Schritte sofort nach dem Fenster. Er öffnete es sacht und lehnte sich hinaus, während die Uhren Zwei schlugen.

      »Ich dachte es mir,« sagte er, als er das leise Oeffnen der Hausthüre vernahm. »Ich wußte es, daß sie zu ihm gehen würde.«

      Der schwache Ton eines leichten und schnellen Tritts unterbrach die ruhige Stille der Straße.

      »Und die geringste Aufregung kann verderblich für ihn sein,« murmelte der Capitän, während er das Fenster schloß.

      Darrell Markham lag in einer todtenähnlichen Betäubung in dem blauen Zimmer des Schwarzen Bären. Mr. Jordan, der Arzt, hatte erklärt, daß es mehrere Tage dauern werde, bis der gebrochene Arm des Patienten wieder eingerichtet werden könne. Mittlerweile war Mrs. Sarah Becker angewiesen, über das geschwollene Glied fortwährend kühlende Umschläge zu machen. Aber in keinem Falle sollte die würdige Matrone den jungen Mann, wenn sein Bewußtsein wieder zurückkehrte, durch Klagen oder Fragen beunruhigen; noch sollte sie bei Gefahr seines Lebens irgend Jemand, mit Ausnahme des Arztes selbst, den Zutritt zu ihm gestatten.

      Mrs.