Мэри Элизабет Брэддон

Der Capitän des Vultur


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kehrte sie in Begleitung des Doktors, welcher die Treppe hinunterging, um in der Küche nach einem Trank zu sehen, den er für seinen Patienten verordnet hatte, zurück.

      »Wenn Ihr auf einen leblosen Körper blicken wollt, so könnt Ihr hereinkommen, Miß Millicent, denn er liegt so still wie ein solcher,« sagte Mrs. Pecker.

      Sie ergriff das Mädchen beim Arm und führte es in das Zimmer, wo Darrell Markham, einem hellen Kaminfeuer gegenüber, bewußtlos aus einem großen Himmelbett lag. Millicent wankte an die Seite des Lagers, setzte sich in den Armstuhl, den Sarah Pecker bisher eingenommen hatte, ergriff Darrell Markhams Hand und drückte sie an ihre zitternden Lippen. Es schien, als ob etwas Magisches in diesem sanften Druck läge, denn des jungen Mannes Augen öffneten sich seit der Scene in der Halle zum ersten Mal und blickten auf seine Cousine.

      »Millicent,« sagte er ohne Ueberraschung, »liebe Millicent, es ist so gut von Dir, daß Du bei mir wachst.«

      Sie hatte ihn vor drei Jahren während einer gefährlichen Krankheit gepflegt, und es war kaum auffallend, wenn er in seinem Delirium die Gegenwart mit der Vergangenheit verwechselte, indem er glaubte, daß er sich in seinem alten Zimmer in Compton Hall befände und daß seine Cousine an seinem Bette wache.

      »Ruf meinen Onkel, ruf den Squire", sagte er, »ich wünsche ihn zu sehen,« und dann nach einer Pause murmelte er für sich: »das ist doch nicht das alte Zimmer; es muß es Jemand verändert haben.«

      »Master Darrell,« rief die Wirthirn »wißt Ihr denn nicht, wo Ihr Euch befindet? Bei Freunden, Muster Darrell, bei treuen und aufrichtigen Freunden. Wißt Ihr denn nicht?«

      »Ja, ja,« sagte er, »ich weiß, ich weiß. Ich habe lange in der Kälte draußen gelegen und mein Arm ist verletzt. Ich erinnere mich setzt, Sally, ich erinnere mich; aber ich habe ein sonderbares Gefühl in meinem Kopfe und ich kann nicht sagen, wo ich bin.«

      »Seht her, Master Darrell, hier ist Mrs. Duke, die in dieser bitterkalten, finstern Nacht den weiten Weg vom andern Ende der Stadt hierher gekommen ist, um Euch zu sehen.«

      Die gute Frau sagte dies, um dem Kranken eine Freude zu machen; aber die Erwähnung des Namens Duke erinnerte den jungen Mann an die Heirath seiner Cousine und er rief mit Bitterkeit aus:

      »Mrs. Duke! Ja, ich erinnere mich’s, und dann den Kopf aus dem Kissen umdrehend, sagte er mit plötzlicher Heftigkeit: »Millicent Duke! Millicent Duke, weshalb kommst — Du hierher, um mich mit Deinem Anblick zu peinigen?«

      In diesem Augenblicke erhob sich der Ton eines Wortwechsels in dem Hausflur unten, gefolgt von raschen Fußtritten auf der Treppe. Mrs. Pecker eilte nach der Thüre, aber ehe sie dieselbe erreichen konnte, wurde sie heftig aufgerissen und der Capitän des Vultur trat in das Zimmer. Ihm auf dem Fuße folgte der Arzt, der sogleich an das Bett ging, indem er mit halbunterdrücktem Zorn ausrief:

      »Ich protestire dagegen, Capitän Duke, und wenn etwas Schlimmes daraus entstehen sollte, so mache ich Euch dafür verantwortlich.«

      Der Capitän nahm keine Notiz von der Rede, sondern wandte sich an seine Frau und sagte in rohem Tone:

      »Wird es Euch anstehen, mit mir nach Hause zu gehen, Mrs. Millicent? Es ist fast vier Uhr und das Zimmer eines kranken Gentlemans ist zu solcher Zeit kaum ein passender Ort für eine Dame.«

      Darrell Markham richtete sich im Bette empor und rief mit krampfhaftem Lachen:

      »Ich sage Dir, das ist der Mann, Millicent; Sarah, sieh ihn an. Das ist der Mann, der mich auf Compton Moor angehalten —- der Mann, der mich in den Arm geschossen — der Mann, der mir meine Briefe geraubt hat.«

      »Darrell! Darrell!« rief Millicent, »Du weißt nicht, was Du sagst. Der Mann ist mein Gatte.«

      »Dein Gatte! Ein Straßenräuber! ein —«

      Das Wort, das noch auf Mr. Markhams Lippe war, blieb ungesprochen, denn er fiel bewußtlos auf das Kissen zurück.

      »Capitän George Duke,« sagte der Arzt, seine Hand auf den Puls seines Patienten legend, »wenn dieser Mann stirbt, so habt Ihr einen Mord begangen.«

      Drittes Capitel.

      Rückblicke.

      John Homerton, der Grobschmied, sagte nur die Wahrheit, wenn er behauptete, daß der junge Squire, Ringwood Markham, sich in London ruinire. Wenn auch die einfachen Landbewohner die Gefahren und Laster der Hauptstadt leicht übertreiben, so war doch, was der ehrliche Meister Homerton sagte, keine Uebertreibung, denn der junge Squire eilte mit schnellen Schritten auf der glatten und bequemen Straße dahin, die als der Weg zum Ruin bekannt ist.

      Ringwood Markham war drei Jahre älter als seine Schwester Millicent und sechs Jahre jünger als sein Cousin Darrell, denn der alte Squire Markham hatte spät im Leben geheirathet und kurz nach seiner Hochzeit den kleinen Darrell adoptirt. Dieser war das einzige Kind seines jüngeren Bruders, der frühzeitig gestorben war und seinem Waisenknaben ein kleines Vermögen hinterlassen hatte.

      Ringwood Markham hatte in seinem Aeußern große Aehnlichkeit mit seiner Schwester. Er besaß dasselbe blaßgoldene Haar, dieselben tiefblauen, glänzenden Augen, dieselben feinen Züge und dieselbe weiße und rosige Hautfarbe. Aber jene Art Schönheit, welche reizend an einem Mädchen von Neunzehn ist, war viel zu weibisch an einem Manne von Zweiundzwanzig, um gefallen zu können, und der alte Squire sah mit Verdruß seinen geliebten Sohn zu nichts Besserem als zu einem hübschen Knaben, zu einem puppenhaften Gecken aufwachsen, die Bewunderung von einfältigen Schulmädchen und überspanntem mittelalterlichen Frauen.

      Ringwood war stets der Günstling seines Vaters gewesen, selbst mit Ausschluß der reizenden, liebenswürdigen und liebenden Millicent, und als Darrell zum Mann heranwuchs, kränkte es den alten Squire, in dem älteren Cousin einen muthigen, kühnen und kräftigen Jüngling zu sehen, der sich in allen männlichen Uebungen auszeichnete, während Ringwood nur an sein hübsches Gesicht und an seinen gestickten Rock dachte, und den glänzenden Griff seines Schwerts mehr liebte als die Klinge.

      Es war hart für den Squire, sich die demüthigende Wahrheit bekennen zu müssen; aber die Thatsache ließ sich nicht in Abrede stellen, daß Ringwood Markham ein Feigling war.

      Der alte Mann verbarg seine Kränkung in dem Innern seines Herzens und mit einem Gefühl von Ungerechtigkeit, welches eine der Schwächen leidenschaftlicher Liebe ist, haßte er Darrell, weil derselbe seinem Sohne überlegen war.

      So kam es, daß sich das blasse Gesicht des Kummers zuerst in der kleinen Familiengruppe zu Compton Halt zeigte.

      Darrell und Millicent hatten einander von Kindheit an geliebt und sie liebten einander so offen und aufrichtig, daß sie in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes vielleicht niemals Liebende gewesen waren.

      Sie hatten keine koketten Eifersüchteleien, keine reizenden Zwiste und noch reizendere Versöhnungen, keine verstohlenen Zusammenkünfte im Mondschein, keine Vermittlung von bestochenen Kammerzofen, welche mit der Besorgung parfümirter Liebesbriefe beauftragt waren. Nein, sie liebten einander ehrlich und offen mit einer ruhigen, unveränderten Zuneigung, die so wenig Worte bedurfte, daß vielleicht Niemand von der Tiefe und Stärke dieser stillen Leidenschaft eine Ahnung hatte.

      Wenn der Squire diese wachsende Neigung zwischen den jungen Leuten auch wahrnahm, so that er doch nichts, um sie zu begünstigen oder zu entmuthigen. Um Millicent hatte er sich ohnehin nie viel bekümmert. Sie und ihr Bruder waren die Kinder einer Frau, die er wegen ihres schönen Vermögens geheirathet hatte und die unbeachtet und unbetrauert — Einige sagten, am gebrochenen Herzen — gestorben war, bevor Millicent ihr erstes Jahr vollendet hatte.

      So verliefen die Dinge zu Compton Hals sehr friedlich. Darrell und Millicent ritten mit einander durch die schattigen grünen Feldwege und über die weite Moorfläche, während der Squire in dem eichengetäfelten Wohnzimmer oder in dem holländischen Garten seine Pfeife rauchte und Ringwood in dem Städtchen herumlungerte, oder in der Wirthsstube