Marc Short

Die Sturmnacht


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oder?« In Skyes dunklen, runden Pupillen spiegelte sich das Feuer wieder und beinahe glaubte er, sie war das Feuer. Diese Frau, sie war unheimlich.

      »Wie, wie alt bist du?«

      »Was schätzt du?«

      »Vierundzwanzig? Siebenundzwanzig?«

      »Du solltest schlafen, gefallener Stern. Morgen gibt es vieles zu besprechen und zu tun.«

      »Hier, auf dieser einsamen Insel? - Dreiunddreißig?«, versuchte er es ein weiteres Mal.

      »Schlaf jetzt!« Das Feuer wallte plötzlich auf, die Flammen schienen ihn zu umkreisen, die Hitze sein Gesicht aufzufressen. Er biss sich auf die Lippe und dachte an die raue See, das wankende Deck der STURMNACHT. Vielleicht war das, was er dort am Rand der Reling gesehen hatte nicht das Schlimmste gewesen, vielleicht gab es noch ganz unheimlichere, bösartigere Dinge. Mit einem Mal ging das Feuer aus, doch er fragte nicht nach dem Warum. Vielleicht war es ja besser so, um nicht noch bösartige Tiere herzulocken, denn da waren Geräusche in der Nacht - das Heulen eines Wolfes, oder war es das eines Hundes? Das Zischen einer Schlange, die Rufe von Seelöwen aus der Richtung der Küste. Vielleicht sind wir die einzigen Menschen, die einzigen Bewohner sind wir jedenfalls nicht. Aber wahrscheinlich bildest du dir gerade zu vieles ein.

      Ja, wahrscheinlich. Er wand sich auf seiner Unterlage von rechts nach links und zur Mitte, um eine Schlafpositionen zu finden und dachte an sein Zuhause, an seinen Rappen Thorn und wie er ihn mit fünf Jahren zum ersten Mal gesattelt und auf ihn gestiegen war. Wie sie durch die malerische Landschaft mit seinem wogenden Grasmeer und den Buchten geflogen waren, aber auch über steile Klippen und felsiges Gestein. Seit langem träumte er zum ersten Mal wieder von seinem Zuhause, von Cornwall.

      Skylla beobachtete den Gefallenen Stern im Schlaf. Was fand die Meerfrau an dem Jungen so interessant? Was war der Grund, dass sie dafür Poseidon aufgeben wollte, einen der mächtigsten Männer, einen Gott? Poseidon sollte mich nehmen, ich bin ihm würdig, ich bin ihm gut, dachte sie. Ich kann auch eine Meerfrau sein und gleichzeitig noch viel mehr. Sie dachte an ihre Zeit als Ungeheuer, als sie einen Unterkörper aus einem Verbund aus Schlangen, Hunden und Wölfen besessen hatte. Jetzt dagegen mutete sie wie ein Mädchen aus einem Traum an, wie zu ihrer Anfangszeit. Bis ein Mann dazwischen kam und die Eifersucht einer Frau. Circe war ihr Namen gewesen und Glaukos der Name des Mannes, der sie geliebt hatte. Zu spät hatte sie dies erkannt. Sie sah ihn vor sich, groß und breit, mit gekräuseltem Haar im Licht der Sterne und einem Barthaar, dass er kunstvoll zu einer dreikantigen Spitze geflochten hatte, ganz wie der Tritonstab, den er mit sich führte, mehr zur Zierde, denn als Waffe und noch weniger als Herrschersymbol, denn Glaukos war niemals ein Herrscher gewesen, obwohl er meisterliche Arbeiten geleistet und der Sohn namenhafter Eltern gewesen war. Er war von sanftem Gemüt gewesen. Skylla schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab. Das waren wahre Männer gewesen, aber dieser gefallene Stern, er musste erst einmal zum Mann reifen. Vielleicht konnte sie ihm dabei helfen und würde selbst davon profitieren.

      Noch immer war sie gebunden an die magischen Ketten der Zauberin Circe und allein, solange sie an Land blieb, war sie geschützt, solange sie den Zauber Poseidons besaß. Doch sie war abhängig von Amphitrite und das behagte ihr nicht. Eine Frau sollte unabhängig sein, dachte sie. Liebe Schwester, ich mache aus deinem Jungen einen Mann und sprenge die Ketten, die mich halten. Es würde schmerzhaft werden, aber es musste sein. Sie sah durch die Nacht zu ihren Beschützern, dem Wolfshund, dem Pferd, der Schlange und gedachte der Meerlöwen am steinigen und von Sand umspülten Inselrand. Bald bin ich frei, freier und unabhängiger als Amphitrite.

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