Ludwig Fulda

Aladdin und die Wunderlampe - Tausend und einer Nacht nacherzählt von Ludwig Fulda


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Befehlerton: "Die Lampe her!"

       "Du sollst sie haben nach Begehr,"

       Sprach Aladdin, "sobald ich oben."

       Der Oheim schrie mit steter Steigrung:

       "Die Lampe!" Doch voll Eigensinn

       Blieb Aladdin bei seiner Weigrung:

       "Wart', bitte, bis ich oben bin."

       Des Oheims Wut ward ungeheuer;

       Schnell goß er Räucherwerk ins Feuer,

       Indem er eine Formel schnaubte.

       Der Quader klappte drauf im Nu

       Dem Aladdin grad überm Haupte

       Wie eines Kastens Deckel zu.—

       Wer wird aus diesem Oheim klug?

       Ein Bruder Mustaphas? Behüte!

       Verwandtschaft, Rührung, Herzensgüte

       War samt und sonders Lug und Trug.

       Ein Zaubrer war's, nicht hier geboren,

       Nein, fern in Afrika daheim,

       Und hatte diesen Vogelleim

       Aus gutem Grund sich auserkoren.

       Nachdem er nämlich festgestellt

       Durch Hexerei, daß in der Welt

       Es eine Wunderlampe gebe,

       Die zu der höchsten Macht erhebe,

       Ja, Geister fähig sei zu binden,

       Hatt' er in einem Zauberbuch

       Nach manch vergeblichem Versuch

       Den Ort entdeckt, wo sie zu finden,

       Und so, von Habgier angefacht,

       Flugs auf die Reise sich gemacht.

       Doch weil ihm ein Gesetz verwehrte,

       Selbst in das Schatzgewölb' zu dringen,

       Deswegen war vor allen Dingen

       Er einem Werkzeug auf der Fährte,

       Das ihm dazu geeignet schien.

       Sein Auge fiel auf Aladdin

       Als einen unerfahrnen Knaben;

       Wenn ihm die Lampe der geschafft,

       Dann durch der Zauberformel Kraft

       Wollt' er lebendig ihn begraben,

       Damit er nichts davon verriete.

       Und nun? Gescheitert war der Plan,

       Die jahrelange Müh' vertan!

       Statt des Gewinnes eine Niete!

       Vorzeitig hatte ja sein Zorn

       Auf immerdar den Wunderborn

       Mitsamt der Lampe zugeriegelt,

       Und alle seine Kunst und List

       Hätt' ihn kein zweites Mal entsiegelt.

       So, mit sich selbst in argem Zwist,

       Von Grimm gefoltert und von Scham,

       Vermied er's, länger zu verweilen,

       Und reiste wieder tausend Meilen

       Dahin zurück, woher er kam.

      Kapitel 3

      Wer schildert Aladdins Entsetzen,

       Als er sich hilflos, wie ein Fink

       In eines Vogelfängers Netzen,

       Verstrickt sah durch des Zaubrers Wink!

       Vergebens, daß er laut und schrille

       Nach dem vermeinten Oheim rief;

       Mit Bleigewicht bedeckte tief

       Ihn Dunkelheit und Grabesstille.

       Vergebens, daß ihn Furcht und Schauer

       zurück durch die drei Säle trieb;

       Der Zugang zu dem Garten blieb

       Verschlossen wie durch eine Mauer,

       Und nicht imstand, sich zu befrei'n

       Aus diesem schrecklichen Gefängnis,

       Fing in verzweifelter Bedrängnis

       Er an zu weinen und zu Schrei'n,

       Bis endlich vor Entkräftung krank

       Er auf den Boden niedersank.

       So, nicht imstand mehr, sich zu regen,

       Lag er entbehrend Speis' und Trank

       Und blickte seinem Tod entgegen

       Zwei Tage lang. Zuletzt am dritten,

       Als er die schwachen Hände hob,

       Um Gottes Beistand zu erbitten,

       Da—ganz von ungefähr—verschob

       An seinem Finger sich der Ring,

       Der ihm vom Zaubrer angesteckt war,

       Und dessen Kraft ihm noch verdeckt war.

       Bevor ein Augenblick verging,

       Erhob auf einmal, fürchterlich

       Von Wuchs und Antlitz und Gebärde,

       Ein Geist sich vor ihm aus der Erde

       Und sagte: "Was begehrst du? Sprich!

       Dein Sklav' bin ich und aller derer,

       Die diesen Ring am Finger tragen."

       Zwar fiel vor Schreck und scheuem Zagen

       Dem Aladdin das Sprechen schwerer

       Als je zuvor; doch nur bedacht

       Auf Rettung, gab er schnell dem Geist

       Zur Antwort: "Wer du immer seist,

       Hilf mir, sofern's in deiner Macht,

       Aus diesem schauerlichen Orte!"

       Gesprochen waren kaum die Worte,

       Da fand er sich bei Tageshelle,

       Nachdem er einen Ruck verspürt,

       Im Freien wieder an der Stelle,

       Wohin der Zaubrer ihn geführt.

       Doch zeigte sich kein Quader mehr

       Und keine Tür zum Gruftgemäuer;

       Nur vom erloschnen Reisigfeuer

       Ein Häuflein Asche lag umher.

       Zwar froh, jedoch zum Sterben matt

       Und halb verhungert, suchte gierig

       Er nach dem Heimweg in die Stadt.

       Zum Glück war das nicht allzu schwierig.

       Die Felsen halfen eng und dicht

       Ihm auf den schmalen Pfad gelangen,

       Den vor drei Tagen er begangen.

       Die Gärten kamen bald in Sicht,

       Und weit schon grüßten ihn voraus

       Die wohlbekannten Türm' und Dächer.

       Er schleppte, schwach und immer schwächer,

       Sich bis zu seiner Mutter Haus

       Und schlug, sobald er es betreten,

       Ohnmächtig in der Stube hin.

       Die Mutter, die von Anbeginn

       Die Zeit mit Weinen und mit Beten

       Verbracht und ihn zuletzt, beraubt

       Jedweder Hoffnung, tot geglaubt,

       War auf das eifrigste bestrebt,

       Ihn wieder zu sich selbst zu bringen;

       Er aber sagte, kaum belebt:

       "Ach, Mutter, hol' vor allen Dingen