Befehlerton: "Die Lampe her!"
"Du sollst sie haben nach Begehr,"
Sprach Aladdin, "sobald ich oben."
Der Oheim schrie mit steter Steigrung:
"Die Lampe!" Doch voll Eigensinn
Blieb Aladdin bei seiner Weigrung:
"Wart', bitte, bis ich oben bin."
Des Oheims Wut ward ungeheuer;
Schnell goß er Räucherwerk ins Feuer,
Indem er eine Formel schnaubte.
Der Quader klappte drauf im Nu
Dem Aladdin grad überm Haupte
Wie eines Kastens Deckel zu.—
Wer wird aus diesem Oheim klug?
Ein Bruder Mustaphas? Behüte!
Verwandtschaft, Rührung, Herzensgüte
War samt und sonders Lug und Trug.
Ein Zaubrer war's, nicht hier geboren,
Nein, fern in Afrika daheim,
Und hatte diesen Vogelleim
Aus gutem Grund sich auserkoren.
Nachdem er nämlich festgestellt
Durch Hexerei, daß in der Welt
Es eine Wunderlampe gebe,
Die zu der höchsten Macht erhebe,
Ja, Geister fähig sei zu binden,
Hatt' er in einem Zauberbuch
Nach manch vergeblichem Versuch
Den Ort entdeckt, wo sie zu finden,
Und so, von Habgier angefacht,
Flugs auf die Reise sich gemacht.
Doch weil ihm ein Gesetz verwehrte,
Selbst in das Schatzgewölb' zu dringen,
Deswegen war vor allen Dingen
Er einem Werkzeug auf der Fährte,
Das ihm dazu geeignet schien.
Sein Auge fiel auf Aladdin
Als einen unerfahrnen Knaben;
Wenn ihm die Lampe der geschafft,
Dann durch der Zauberformel Kraft
Wollt' er lebendig ihn begraben,
Damit er nichts davon verriete.
Und nun? Gescheitert war der Plan,
Die jahrelange Müh' vertan!
Statt des Gewinnes eine Niete!
Vorzeitig hatte ja sein Zorn
Auf immerdar den Wunderborn
Mitsamt der Lampe zugeriegelt,
Und alle seine Kunst und List
Hätt' ihn kein zweites Mal entsiegelt.
So, mit sich selbst in argem Zwist,
Von Grimm gefoltert und von Scham,
Vermied er's, länger zu verweilen,
Und reiste wieder tausend Meilen
Dahin zurück, woher er kam.
Kapitel 3
Wer schildert Aladdins Entsetzen,
Als er sich hilflos, wie ein Fink
In eines Vogelfängers Netzen,
Verstrickt sah durch des Zaubrers Wink!
Vergebens, daß er laut und schrille
Nach dem vermeinten Oheim rief;
Mit Bleigewicht bedeckte tief
Ihn Dunkelheit und Grabesstille.
Vergebens, daß ihn Furcht und Schauer
zurück durch die drei Säle trieb;
Der Zugang zu dem Garten blieb
Verschlossen wie durch eine Mauer,
Und nicht imstand, sich zu befrei'n
Aus diesem schrecklichen Gefängnis,
Fing in verzweifelter Bedrängnis
Er an zu weinen und zu Schrei'n,
Bis endlich vor Entkräftung krank
Er auf den Boden niedersank.
So, nicht imstand mehr, sich zu regen,
Lag er entbehrend Speis' und Trank
Und blickte seinem Tod entgegen
Zwei Tage lang. Zuletzt am dritten,
Als er die schwachen Hände hob,
Um Gottes Beistand zu erbitten,
Da—ganz von ungefähr—verschob
An seinem Finger sich der Ring,
Der ihm vom Zaubrer angesteckt war,
Und dessen Kraft ihm noch verdeckt war.
Bevor ein Augenblick verging,
Erhob auf einmal, fürchterlich
Von Wuchs und Antlitz und Gebärde,
Ein Geist sich vor ihm aus der Erde
Und sagte: "Was begehrst du? Sprich!
Dein Sklav' bin ich und aller derer,
Die diesen Ring am Finger tragen."
Zwar fiel vor Schreck und scheuem Zagen
Dem Aladdin das Sprechen schwerer
Als je zuvor; doch nur bedacht
Auf Rettung, gab er schnell dem Geist
Zur Antwort: "Wer du immer seist,
Hilf mir, sofern's in deiner Macht,
Aus diesem schauerlichen Orte!"
Gesprochen waren kaum die Worte,
Da fand er sich bei Tageshelle,
Nachdem er einen Ruck verspürt,
Im Freien wieder an der Stelle,
Wohin der Zaubrer ihn geführt.
Doch zeigte sich kein Quader mehr
Und keine Tür zum Gruftgemäuer;
Nur vom erloschnen Reisigfeuer
Ein Häuflein Asche lag umher.
Zwar froh, jedoch zum Sterben matt
Und halb verhungert, suchte gierig
Er nach dem Heimweg in die Stadt.
Zum Glück war das nicht allzu schwierig.
Die Felsen halfen eng und dicht
Ihm auf den schmalen Pfad gelangen,
Den vor drei Tagen er begangen.
Die Gärten kamen bald in Sicht,
Und weit schon grüßten ihn voraus
Die wohlbekannten Türm' und Dächer.
Er schleppte, schwach und immer schwächer,
Sich bis zu seiner Mutter Haus
Und schlug, sobald er es betreten,
Ohnmächtig in der Stube hin.
Die Mutter, die von Anbeginn
Die Zeit mit Weinen und mit Beten
Verbracht und ihn zuletzt, beraubt
Jedweder Hoffnung, tot geglaubt,
War auf das eifrigste bestrebt,
Ihn wieder zu sich selbst zu bringen;
Er aber sagte, kaum belebt:
"Ach, Mutter, hol' vor allen Dingen