unter der Bedingung abkaufen, daß ich sie Ihnen auf der Stelle ausbezahlen darf; es würde mir lieb sein, sie in den Händen meiner Frau zu sehen, welche dadurch an Sie erinnert werden würde.«
Da seine Frau sah, daß ich diesen Vorschlag nicht annahm, sagte sie, ihr würde es nicht dar auf ankommen, mir die gewünschte Anweisung zu geben.
»Aber«, fiel der Advokat ein, »siehst Du denn nicht, daß der Engländer nur in der Phantasie existiert. Er würde nie zum Vorschein kommen, und wir würden die Dose umsonst erhalten. Mißtraue, meine Teure, diesem Abbé, er ist ein großer Betrüger.«
»Ich glaubte nicht«, sagte seine Frau, mich ansehend, »daß Betrüger so aussehen«, und ich nahm eine traurige Miene an und sagte, ich wünschte wohl, reich genug zu sein, um oft solche Betrügereien zu begehen. Wenn man verliebt ist, so genügt ein Nichts, um in Verzweiflung oder in das größte Entzücken zu versetzen. In dem Zimmer, in welchem wir zu Abend speisten, stand das eine Bett und ein zweites in einem anliegenden Alkoven ohne Tür. Die Damen wählten natürlicherweise das Kabinett, und der Advokat legte sich vor mir in das Bett, in welchem wir gemeinschaftlich schlafen sollten. Ich wünschte den Damen, sobald sie sich schlafen gelegt, eine gute Nacht; ich sah meinen Abgott und legte mich mit der Absicht nieder, die ganze Nacht zu schlafen. Aber man denke sich meinen Zorn, als ich beim Schlafengehen ein Knarren der Bretter hörte, welches einen Toten hätte erwecken können. Ich rühre mich nicht, bis mein Bettgefährte fest eingeschlafen, und sobald ein gewisses Geräusch mir anzeigt, daß er ganz unter dem Einflüsse des Morpheus steht, suche ich aus dem Bette zu entschlüpfen; aber der Lärm, welchen die geringste Bewegung macht, weckt meinen Gefährten, welcher seine Hand nach mir ausstreckt. Da er fühlt, daß ich da, schläft er wieder ein. Nach einer halben Stunde mache ich denselben Versuch, stoße aber auf dasselbe Hindernis und gebe nun den Plan ganz auf. Der Liebesgott ist der schelmischste Gott; die Widerwärtigkeiten scheinen das Element zu sein, in welchem er sich bewegt. Da aber seine Existenz von der Befriedigung derjenigen Wesen abhängt, welche ihm einen eifrigen Kultus widmen, so läßt der kleine klarsehende Blinde alles in dem Augenblicke gelingen, wo jede Hoffnung verschwunden scheint. Ich fing schon an einzuschlafen, weil ich jede Hoffnung aufgegeben hatte, als plötzlich ein gräßlicher Lärm ertönte. In der Straße fielen Flintenschüsse, durchdringendes Geschrei, man lief die Treppen herauf und hinunter, und endlich klopfte man mit heftigen Schlägen an unsre Tür. Der Advokat fragt mich erschrocken, was das sein möchte; ich spiele den Gleichgültigen und sage, da ich es nicht wissen könnte, möchte er mich schlafen lassen. Aber die erschreckten Damen baten uns, Licht zu verschaffen. Ich tue gerade nicht sehr eilig; der Advokat steht auf, um Licht zu holen; ich stehe nach ihm auf, und indem ich die Tür wieder zumachen will, schlage ich sie ein wenig zu stark zu, so daß der Drücker einspringt und ich sie nicht mehr öffnen kann, ohne den Schlüssel zu haben. Ich nähere mich den Damen, um sie zu beruhigen; ich sage, daß der Advokat bald wiederkommen würde und daß wir dann die Ursache dieses Tumults erfahren würden; aber zugleich verliere ich nicht die kostbare Zeit, sondern mache um so mehr alle nur möglichen Einleitungen, als ich durch die Schwäche des Widerstandes aufgemuntert werde. Trotz meiner Vorsicht bricht das Bett zusammen, und nun liegen wir alle drei durcheinander. Der Advokat kommt zurück und klopft; die Schwester steht auf; auf Bitten meiner liebenswürdigen Freundin tappe ich zur Tür und sage dem Advokaten, daß wir ihn ohne Schlüssel nicht einlassen könnten. Die beiden Schwestern standen hinter mir; ich strecke die Hand aus; da ich aber heftig zurückgestoßen werde, so schließe ich daraus, daß es die Schwester ist, und ich wende mich mit mehr Erfolg an die andre Seite. Als hierauf der Mann zurückgekehrt war und das Geräusch eines Schlüssels uns benachrichtigt hatte, daß die Tür sich sogleich öffnen würde eilten wir in unsere Betten. Sobald die Tür geöffnet, eilt der Advokat an das Bett der beiden erschreckten Frauen, um sie zu beruhigen, aber er bricht in lautes Lachen aus, als er sie in dem zusammengestürzten Bette begraben sieht. Er ruft mich, um sie mir zu zeigen, aber ich bin zu bescheiden, um darauf einzugehn. Hierauf erzählte er mir, daß der Lärm davon herrühre, daß eine deutsche Abteilung die spanischen Truppen überfallen, welche tiraillierend abzögen. Eine Viertelstunde später hörte man nichts mehr, und die vollkommenste Ruhe trat wieder ein. Nachdem er mir über meine unverwüstliche Ruhe ein Kompliment gemacht, legte er sich wieder nieder und schlief bald ein. Ich aber schloß kein Auge mehr, und als ich den Tag anbrechen sah, stand ich auf. Zum Frühstück kehrte ich zurück, und während wir den köstlichen Kaffee tranken, er schien mir besser zu sein als gewöhnlich, bemerkte ich, daß ihre Schwester mir schmollte. Was wollte aber der Eindruck ihrer üblen Laune gegen das Entzücken besagen, welches die fröhliche Miene und die zufriedenen Augen meiner Lucrezia durch alle meine Sinne rollen ließen! In Rom langten wir sehr früh an. In la Torre waren wir zum Frühstuck geblieben, und da der Advokat gut gelaunt war, so versetzte ich mich in dieselbe Stimmung, und unter vielen verbindlichen Reden prophezeite ich ihm die Geburt eines Sohnes, indem ich durch eine komische Wendung seine Frau dazu brachte, ihm einen solchen zu versprechen. Ich vergaß die Schwester meiner angebeteten Lucrezia nicht, und um sie gegen mich umzustimmen, sagte ich ihr so viele Artigkeiten und zeigte ihr ein so freundschaftliches Interesse, daß sie sich gezwungen sah, mir den Zusammensturz des Bettes zu verzeihen. Als wir uns verließen, versprach ich ihnen einen Besuch für den folgenden Tag bei Donna Cäcilia, der Mutter meiner Schönen. Kaum hatte ich mich in Rom umgesehen, als ich mich ganz römisch kleidete, ließ mich rasieren und überraschte so die Damen und den Advokaten. Ich suchte einen möglichst günstigen Eindruck auf Donna Cäcilia zu machen, und erreichte es auch, daß mir beim Weggehen der Advokat mitteilte, seine Schwiegermutter wünsche, daß ich Hausfreund bei ihnen würde. In Rom gewann ich mir bald die besten Beziehungen im hohen Klerus, und besonders leutselig nahm sich der Kardinal Acquariva meiner an. In dem Pater Georgi fand ich einen ausgezeichneten Mentor, der mir die sichersten Wege wies, mich durch die Intrigen und Gefahren des römischen Hofes durchzufinden. Überrascht war ich, als er von meinem Besuche bei Donna Cäcilia ganz genau unterrichtet war und mich belehrte, daß ich dies Haus nicht zu häufig besuchen dürfe. Da ich seufzte setzte er hinzu: »Bedenken Sie, daß die Vernunft keinen größeren Feind hat als das Herz.«
Ich war fast zu Tode getroffen, denn ich liebte Lucrezia. An einem der nächsten Tage ging ich abends zu ihr. Man wußte alles und wünsche mir Glück. Sie sagte mir, ich schiene traurig, und ich antwortete ihr, ich feierte das Begräbnis meiner Zeit, deren Herr ich nicht mehr wäre. Ihr immer spaßhafter Mann sagte, ich wäre verliebt in sie, und seine Schwiegermutter riet ihm, nicht so sehr den Unerschrockenen zu spielen. Nachdem ich eine einzige Stunde im Kreise dieser liebenswürdigen Familie zugebracht, entfernte ich mich, die Luft mit der mich verzehrenden Glut entflammend. Als ich nach Hause gekommen war, beschäftigte ich mich mit Schreiben, und in der Nacht dichtete ich eine Ode, welche ich am folgenden Morgen an den Advokaten schickte, da ich sicher sein konnte, daß er sie seiner Frau geben würde, weil diese die Poesie sehr liebte und nicht wußte, daß dies meine Leidenschaft. Am Morgen sah ich den ehrlichen Advokaten in mein Zimmer treten, welcher mir sagte, ich würde mich täuschen, wenn ich ihm durch das Einstellen meiner Besuche zu beweisen glaubte, ich wäre nicht in seine Frau verliebt, und er lud mich für den folgenden Tag zum Frühstück mit der ganzen Familie in Testaccio ein.
»Meine Frau«, fügte er hinzu, »weiß Ihre Ode auswendig; sie hat sie dem Bräutigam Angelicas hergesagt, welcher vor Sehnsucht stirbt, Sie kennen zu lernen.«
Ich versprach ihm, am bezeichneten Tage mit einem zweisitzigen Wagen zu kommen. Wohl kam ich beim Heimweg von diesem Ausflug mit meiner angebeteten Lucrezia allein in einem Wagen zu sitzen, aber da wir nur eine halbe Stunde zu fahren hatten, so konnte sich unsere Zärtlichkeit kaum ergehen, als wir schon zu Hause waren. Um nun dieses Glück ganz auskosten zu können, lud ich die Gesellschaft zu einem Ausflug ein, den ich bestreiten wollte, und zwar nach Fraskati. Wir verabredeten einen nahen Tag, und um sieben Uhr fand ich mich bei Donna Cäcilia ein. Mein Phaeton und mein zweisitziger Wagen, ein so weicher und in so guten Federn hängender Visavis, daß Donna Cäcilia ihn lobte, standen vor der Tür.
»An mich«, sagte Donna Lucretia, »kommt die Reihe bei der Rückfahrt nach Rom.«
Ich machte ihr eine Verbeugung, wie um sie beim Worte zu halten. So forderte sie den Argwohn heraus, um ihn zu zerstreuen. Da ich sicher war, glücklich zu werden, überließ ich mich meiner ganzen natürlichen Heiterkeit. Nachdem ich ein gewähltes Mittagessen bestellt, begaben wir