Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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immer wahrhaftig, immer freundlich, daß du weiter in der Schule gut lernst, daß dich alle lieb behalten.«

      Pommerle schlang seine beiden kleinen Ärmchen um den Hals der Tante und küßte sie stürmisch.

      »Ich möchte schon immer gut und lieb sein, Tante, aber es kommt so oft was dazwischen. – Ach, höre doch, wie die See singt!«

      »Nun steh auf, mein Pommerle, denn Onkel und Tante warten schon. Der Kaffeetisch ist draußen im Vorgarten gedeckt.«

      Frau Professor Bender drückte dem Kinde noch einen herzlichen Kuß auf die Stirn, dann verließ sie das Stübchen.

      Pommerle blinzelte nach dem Fenster und machte erstaunte Augen, als es sah, daß die Sonne schon hoch am Himmel stand. Dann sprang das Kind mit beiden Füßchen aus dem Bett, lief ans Fenster und blieb dort stehen.

      Die See! Die liebe, liebe Ostsee, nach der sich Pommerle schon monatelang gesehnt hatte. Endlich hatten Onkel und Tante den Herzenswunsch ihres Schützlings erfüllt; Pommerle weilte wieder in der unvergessenen Heimat.

      Die See! – Alles, was gewesen war, rauschte sie dem Kinde in diesen Augenblicken zu. Pommerle sah sich als Fischerstochter in dem bescheidenen Häuschen, sie sah den Vater, der, die Netze auf dem Rücken, alltäglich hinab zum Strande ging, um Flundern oder Heringe zu fangen. Sie sah sich neben der Tante Berta sitzen, die dem Fischer Ströde die Wirtschaft führte, weil Pommerles Mutter schon lange tot war.

      Horch! Jetzt rauschte die See gar wild und böse. Freilich, so war es auch im vorigen Jahre gewesen, als Pommerles Vater zum letzten Male mit seinen Netzen in den Kahn gestiegen war. Er war nicht wiedergekommen. Die Leute hatten gesagt, die See habe ihn verschlungen.

      Pommerle bohrte die Fäuste fest in die Augen, das kleine Herzchen pochte wieder laut und stürmisch, so daß es beinahe schmerzte. Der Vater kam nicht mehr wieder, und Professor Bender und seine Frau, die alljährlich als Badegäste nach dem kleinen Neuendorf kamen, hatten Pommerle mitgenommen in die schlesischen Berge.

      Pommerle rechnete nach. Das war im Herbst gewesen, als die Bäume anfingen, das Laub zu verlieren. Schnee und Eis waren gekommen, schließlich waren die Bäume wieder grün geworden, Pommerle hatte die hohen Berge des Riesengebirges erschaut; aber die See, die geliebte und doch mitunter so böse Ostsee, konnte das Kind nicht vergessen.

      Nun war der Sommer ins Land gezogen, der Sommer, in dem Pommerle alljährlich mit den vielen anderen Fischerkindern im Wasser gewatet, am Strande gespielt hatte. Und Onkel und Tante Bender hatten die Sachen gepackt und Pommerle zurück an die Ostsee gebracht, um dreißig lange Tage hier zu bleiben.

      Heute war Pommerles Geburtstag. Das hatte das kleine Mädchen in all dem Jubel, die geliebte See wiederzusehen, völlig vergessen. Das schönste Geschenk blieb ja doch, daß es wieder den Strand und die weite Wasserfläche sehen konnte.

      Im Vorgarten hörte Pommerle die Stimme des Onkels. Da raffte sich die Kleine aus ihrem Sinnen auf, schlüpfte rasch in die über den Stuhl gelegten Sachen, wusch sich Gesicht und Hände, kämmte hastig das blonde Haar, schlüpfte in das Kleidchen und lief hinaus, wo der gedeckte Kaffeetisch bereitstand.

      Das kleine, bescheidene Fischerhaus, in das Professor Bender in diesem Sommer als Mieter einzog, hatte von allen Fenstern den freien Blick auf die See. Hier in Neuendorf gab es wenige höhere Häuser, meistens waren es kleine, im schlichten Landhausstil erbaute Häuschen, die von den Fischern bewohnt wurden. Professor Bender, der bisher stets auf der anderen Seite des Dorfes gewohnt hatte, wählte in diesem Sommer absichtlich eine andere Wohnung, damit sein Pflegekind nicht zu sehr an die traurigen Ereignisse des letzten Herbstes erinnert wurde. Aber auch hier beim Fischer Jäger hatte man freundliche Wirtsleute gefunden.

      Pommerles Augen wurden groß, als es den Frühstückstisch erblickte. Um die eine Tasse lag ein kleiner Kranz aus Feldblumen, den die Tante wohl selbst gewunden hatte. Vor der Tasse aber stand ein großer Napfkuchen, der von neun brennenden Lichtern umgeben war.

      Pommerle wagte kein Wort zu sagen, es hielt auch mäuschenstill, als Herr Professor Bender den Kopf seines Pfleglings zwischen beide Hände nahm und der Kleinen herzliche Glückwünsche sagte. So festlich war Pommerles Geburtstag noch niemals begangen worden. Der Kranz und die neun brennenden Lichtlein waren dem Kinde ganz etwas Neues.

      Tante Bender, die Pommerle nochmals mit herzlichen Worten alles Gute wünschte, gab dem Kinde die Erklärung für den Schmuck und die brennenden Lichter.

      »Du wirst heute neun Jahre alt, mein Pommerle, da müssen neun Lichter für dich brennen, denn jedes Lebensjahr hat sein Licht.«

      »Wie alt wirst du denn, Onkel?«

      »Ich werde fünfzig Jahre.«

      »O je, – müssen dann fünfzig Lichter brennen?«

      »Große Leute bekommen keine Lichter mehr, mein Kind.«

      »Nein, Onkel, die haben das elektrische Licht, das sie anknipsen können. – Knipst du zu deinem Geburtstag fünfzigmal?«

      »Das kann ich machen, mein Kleines, – aber jetzt setze dich nieder, heute darfst du dir das erste Stück Kuchen nehmen, denn der Kuchen gehört dir.«

      Die drei hatten sich niedergesetzt, und Pommerle machte ausgiebig Gebrauch von seinen Geburtstagsvorrechten. Es suchte nach dem größten Kuchenstück und legte es auf seinen Teller. Dann schaute es fragend die Tante an.

      »Was hast du denn auf dem Herzen, Kind?«

      »Ich weiß nun gar nicht, wie ich mich artig zu benehmen habe, Tante, – soll ich euch auch ein Stück Kuchen geben, oder dürft ihr euch das selber nehmen oder – – ist der Kuchen ganz für mich allein?«

      »Man bietet von seinen Sachen den anderen immer etwas an, Pommerle.«

      »Bitte sehr, liebe Tante, ich erlaube dir, daß du von meinem Kuchen nimmst, und suche dir auch ein recht großes Stück aus. Und der Onkel darf auch eins nehmen. – – Warte mal, – –«

      Pommerle zählte die Stücke durch.

      »Ihr könnt jeder zwei Stücke nehmen. – Bitte sehr, langt zu, ihr werdet euch doch den Magen nicht verderben.«

      Da saß man fröhlich plaudernd am Geburtstagstisch, und Pommerle betrachtete abwechselnd den Kuchen, die Lichter und das Kränzlein um die Tasse.

      »Ach, das ist alles so schön, – und dazu die liebe Ostsee! – Nachher darf ich doch zur See hinunter, daß sie mir wieder schöne Geschichten erzählt?«

      »Natürlich darfst du zur See, mein Liebling, du darfst auch deine früheren Freundinnen und Freunde aufsuchen und sollst ihnen sagen, daß sie am Nachmittag herkommen dürfen, um mit dir den Geburtstag zu feiern.«

      »Das darf ich?« rief das Kind glühend vor Erregung. »Zur Grete Bauer, – zur Elli Götsch, zum Otto Jäger, – – o Tante, und zu Meister Hinsche und zu Onkel Will darf ich auch gehen?«

      »Natürlich, meine Kleines, du darfst überall hingehen.«

      »Und alle dürfen herkommen?«

      »Die Kinder, die du ganz besonders gern hast.«

      Pommerle breitete entzückt beide Arme aus. »Ich hab' sie alle gern, alle –«

      Der Professor wehrte lachend ab. »Du darfst dir sechs Kinder holen, die du besonders gern hast.«

      »Und noch den Fischer Ehmke und den Onkel Haegler?«

      »Nein, Pommerle, nur Kinder. Sieh, du bist doch auch noch ein Kind, und Kinder sollen unter sich spielen.«

      »Ach, wenn ich doch immerzu Geburtstag hätte! Darf ich jetzt gleich gehen, darf ich sie alle herholen?«

      Sehr bald drängte die Kleine zum Aufbruch.

      »Du sollst zuerst deinen Geburtstagstisch ansehen, Pommerle. Komm herein, Tante und Onkel wollen dir doch eine Freude machen.«

      Man führte das Kind ins Wohnzimmer. Auf dem kleinen Tische stand ein großes Licht, ringsherum