Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman


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mir sogar noch lieber«, erklärte Freddy zornig. »Dann würde ich dir eine Stellung zu bedeutend besseren Bedingungen bieten, Evi.«

      »Du lässt dich von diesem Fremden duzen?«, fuhr Titus Grossmann seine Tochter an. »Das muss ich mir verbittten!«

      »Ich denke, Sie und mein Großvater waren Freunde?«, fragte er.

      »Es ist lange her«, sagte Titus Grossmann heiser. »Er hat seine Heimat verraten.«

      »Wenn Sie es so auffassen? Mein Großvater mag gute Gründe gehabt haben, sich eine neue Heimat zu suchen. Jedenfalls hat er dort mehr erreicht, als er hier hätte erreichen können.«

      Er wich den durchdringenden Blicken des Älteren nicht aus.

      »Vielleicht ist es nicht der richtige Ort und auch nicht der richtige Zeitpunkt, Herr Grossmann, aber ich bitte Sie in aller Form um die Hand Ihrer Tochter.«

      Evi wurde weiß.

      Ihre Hand krampfte sich um das Gatter. Ihr Vater packte sie am Arm.

      »Nach Hause!«, zischte er. »Und Sie, Mr Ride, kommen uns nicht wieder unter die Augen!«

      »Das werden wir ja sehen!«, rief Freddy erzürnt. »Sie können Evi nicht einsperren! Sie hat ein Recht auf ein eigenes Leben!«

      »Bitte, sag nichts mehr, Freddy«, flüsterte Eva. »Es ist vergeblich.«

      »Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!«, stieß er wild hervor.

      Sie wandte sich zu ihm um.

      »Ich danke dir jedenfalls, dass du mich …«

      »Halt deinen Mund!«, brüllte Titus Grossmann.

      *

      »Na, Freddy, was für eine Laus ist denn dir über die Leber gelaufen?«, empfing Tracy ihren Bruder.

      »Ich drehe dem Alten den Hals um!«, stieß er hervor.

      Tracy sah ihn erschrocken an.

      »So etwas sagt man auch nicht im Zorn«, murmelte sie. »Freddy, ich nehme an, du sprichst von Grossmann. Hat er euch ertappt?«

      »Was heißt ertappt? Geredet haben wir miteinander. Und dann kam er daher und behandelte Evi wie Dreck. Sei froh, dass du nicht einen solchen Vater hast, Tracy.«

      »Er wäre auch dein Vater«, erinnerte sie ihn.

      »Ich wäre längst auf und davon!«

      »Sie ist neunzehn. Sie kann nicht einfach weglaufen, Freddy.«

      Mary-Ann Ride kam näher.

      »Worum geht es bei dem Streit?«, fragte sie.

      »Wir streiten nicht«, erwiderte Tracy. »Freddy hat anscheinend mit Grossmann gestritten.«

      »Warum?«, fragte Mary-Ann Ride.

      »Ich habe um Evis Hand angehalten«, stellte Freddy düster fest.

      »Du liebe Güte!«, sagte die Granny. »Damit hättest du dir noch Zeit lassen sollen.«

      »Wenn Daddy kommt und verlangt, dass ich wieder nach Australien zurückgehe? Ich hätte mir ja auch noch ein paar Tage Zeit gelassen und erst mit dir gesprochen, Granny, aber er hat mich wirklich auf die Palme gebracht.«

      »Dann steig wieder herunter«, bemerkte sie lächelnd. »Man hält nicht um die Hand eines Mädchens an, weil der Vater ausfallend wird.«

      »Deswegen doch nicht«, brummte Freddy. »Ich mag Evi sehr. Ich will keine andere.«

      Staunend betrachtete die alte Dame ihren Enkel.

      »Du warst schon oft verliebt, Freddy!«, sagte sie mahnend.

      »Diesmal ist es anders«, beharrte er »Evi ist kein Mädchen, mit dem man flirtet. Ich liebe sie.«

      »Ui je!«, seufzte Tracy.

      »Wir werden uns darüber in Ruhe unterhalten«, meinte Mary-Ann Ride.

      »Wie kann ich mich in Ruhe unterhalten, während er sie wahrscheinlich drangsaliert!«, empörte sich Freddy. »Wir müssen sie herausholen, Granny!«

      »Immer langsam mit den jungen Pferden«, entgegnete die alte Dame diplomatisch.

      *

      Titus Grossmann sagte gar nichts. Er hüllte sich in grimmiges Schweigen.

      Eva wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie hatte mit einer Flut von Beschimpfungen gerechnet.

      »Geh in die Küche«, sagte er endlich.

      Sie folgte ohne Widerspruch. Die alte Käti bereitete das Essen.

      »Was hat er denn heute wieder, Kindchen?«, fragte sie.

      Kätis wegen erduldete Eva manches. Wie viel hatte die alte Frau ihretwegen geweint.

      Es würde ihr das Herz brechen, wenn sie heimlich auf und davon ging.

      Doch mit diesem Gedanken hatte Eva auch so manches Mal gespielt, wenn es unerträglich mit ihrem Vater wurde.

      Viele Jahre war Käti der einzige Mensch gewesen, der ihr Liebe entgegenbrachte, der es sogar wagte, gegen Titus Grossmann aufzubegehren.

      Und jetzt war da plötzlich noch ein anderer Mensch. Wie der Prinz aus einem Kindermärchen war Eva Freddy Ride erschienen. Jung, strahlend, unbekümmert, anfangs nur ganz kameradschaftlich.

      Er hatte gleich du zu ihr gesagt, und ihr wäre es komisch vorgekommen, »Herr« zu ihm zu sagen.

      Es hatte nicht vieler Worte bedurft, dass sie sich verstanden.

      Freddy war gar nicht anzüglich, er war so offen und herzlich, und er sagte alles, was er dachte.

      Das hatte er allerdings auch heute getan und in einem Ton, den sie ihm nicht zugetraut hätte.

      Ihrem Vater musste es wohl doch die Sprache verschlagen haben. Oder hing das damit zusammen, dass er ein Rieding war?

      Was hatte ihr Vater eigentlich gegen die Riedings? Sie fragte es sich immer wieder.

      Nie war der Name in diesem Haus gefallen, und als damals Marianne von Rieding und ihre Tochter Sandra hierhergekommen waren, hatte Eva es erst viel, viel später erfahren.

      Als Sandra von Rieding Felix Münster heiratete und wenig später ihre Mutter den Architekten Carlo Heimberg, hatte Titus Grossmann sich zum ersten Mal geäußert.

      »Gottlob, nun gibt es keinen Rieding mehr«, hatte er gesagt und triumphierend dazu gelächelt.

      Und nun gab es doch einen oder sogar mehrere, denn Eric Ride hatte als Erster Anspruch auf den Titel.

      »Was denkst du denn, Kindchen?«, fragte Käti nochmals.

      Eva krauste die Stirn.

      »Was hat Vater eigentlich gegen die Riedings, Käti?«

      Es schien fast so, als zucke Käti zusammen.

      »Wie kommst du darauf?«, sagte sie rau.

      Eva wurde verlegen, weil sie selbst Käti noch nichts von Freddy Ride erzählt hatte. Nun musste sie es nachholen. Käti war plötzlich ganz aufmerksam.

      »Wann ist das Essen fertig?«, brüllte Titus Grossmann aus dem Esszimmer.

      »Wir reden nachher weiter, Käti«, murmelte Eva. »Bringen wir ihn nicht noch mehr in Rage.«

      Das Haus war sehr geräumig und mit kostbaren alten Möbeln ausgestattet.

      Alles in allem wirkte es etwas düster, aber das kam daher, dass Titus Grossmann keine hellen Wände leiden konnte.

      Nun, er passte hier hinein in seiner Gewichtigkeit, mit dem kantigen Bauernschädel.

      Eva hätte gewünscht, dass Käti mit ihnen am Tisch essen würde, aber ihr Vater hatte es nicht gewollt, und Käti war eigentlich ganz froh,