wirst diesen Lümmel nicht mehr treffen«, knurrte er. »Ich verbiete es dir!«
Eva hob den Kopf und sah ihren Vater offen an.
»Freddy ist kein Lümmel«, erklärte sie, »und wenn er noch Wert darauf legt, werde ich ihn auch treffen.«
»Du wagst, mir zu widersprechen? Ein Abkomme von diesem Halunken, diesem Blutsauger, wird die Schwelle meines Hauses nicht betreten!«
Eva nahm ihren Mut zusammen.
»Willst du mir nicht erklären, worum es geht, Vater?«, fragte sie ruhig.
»Das ist meine Sache. Es geht dich nichts an.«
»Bedenke doch bitte, dass Freddys Großvater bereits vor vielen Jahren von hier fortging, dass sein Vater in Amerika geboren wurde und den Namen Rieding ablegte. Was stört dich eigentlich noch?«
»Ich rede nicht von ihm, sondern von Albrecht. Und ich wiederhole, es geht dich nichts an. Aber sie sind alle ein Fleisch und ein Blut. Und um allem Weiteren vorzubeugen, sage ich dir, dass du Leopold heiraten wirst!«
»Leopold?«, stammelte Eva. »Meinen Cousin? Weißt du, was du da redest?«
»Das weiß ich genau! Dann bleibt das Geld in der Familie, dir vergehen deine Extravaganzen, und ihm werde ich seine Spinnereien mit dem Fohlenhof schon austreiben. Hast du verstanden?«
»Du schreist ja laut genug!«, erwiderte sie aggressiv. »Aber das lasse ich nicht mit mir machen!«
»Da sieht man den Umgang. So habe ich es mir gedacht. Dieser arrogante Lümmel setzt dir Flausen in den Kopf, damit er sein Vergnügen hat, und dann geht es wieder ab nach Australien und du bleibst sitzen, womöglich noch mit einem Bastard!«
Sie sprang auf. »Das verbitte ich mir, Vater!«, stieß sie zornerfüllt hervor. »Freddy hat um meine Hand angehalten. Und er ist kein Lümmel, das sage ich auch noch einmal! Du hast kein Recht …«
»Was für Rechte ich habe, werde ich dir schon beweisen!«, fiel er ihr ins Wort.
Aber dann tat Eva etwas, was sie früher nie gewagt hätte. Sie verließ wortlos das Zimmer.
Er starrte ihr nach. Schwer stützte er seinen Kopf in die Hand.
»Nein«, sagte er vor sich hin, »tausendmal nein!« Und dann hieb er auf den Tisch, dass Teller und Schüsseln tanzten.
*
Sechs Stunden war die Maschine nun schon in der Luft. Jacky war in Eric Rides Arm eingeschlafen. Ein paarmal hatte die Stewardess ihm schon verwunderte Blicke zugeworfen, die er jedoch ignorierte.
Nun blieb sie an der Seite stehen.
»Sie sind sehr reizend zu dem Kind, Mr Ride«, sagte sie und schenkte ihm einen bewundernden Blick, der jedoch mehr ausdrückte als nur Dankbarkeit.
Immerhin war Eric Ride noch ein sehr gut aussehender Mann, dass man seinem jugendlichen Gesicht nach zehn Jahre seines Lebens abstreichen konnte.
Es war durchaus nicht so, dass Eric Ride unempfänglich für weibliche Vorzüge gewesen wäre, aber jetzt galt seine Aufmerksamkeit ausschließlich dem Kind.
Er bedeutete der Stewardess mit einer Handbewegung, dass das Kind nicht geweckt werden sollte.
Immer wieder blickte er auf das süße Gesichtchen hinab, das jetzt ganz glücklich und gelöst aussah, und auch er wünschte, dass dieser Flug nie ein Ende nehmen möge.
Gut, dass er seine Ankunftszeit nicht telegrafiert hatte. So konnte er sich um das Wohl und Wehe seiner kleinen Freundin noch etwas länger kümmern. Und er war auch fest entschlossen, es zu tun, um sie keinesfalls einer herrischen Großmutter auszuliefern. Menschenkenntnis besaß er, aber zog nicht in Betracht, dass er jetzt schon Vorurteile hegte.
Was er von Jacky erfahren hatte, beschäftigte ihn sehr.
Sie hieß mit vollem Namen Jacqueline Dane, und ihre Mutter Li hatte anscheinend einen Rekord im Heiraten und Scheidenlassen aufgestellt, wenn man ausschloss, dass sie von Zeit zu Zeit mit verschiedenen Männern zusammengelebt hatte.
Welchen Namen die Großmutter trug, hatte er noch nicht in Erfahrung gebracht.
Aber der Flug war noch lang, und Jacky würde nicht die ganze Zeit schlafen.
Da war sie auch schon wieder munter. Sie rieb sich die Augen. Dann blinzelte sie zu ihm empor.
»Schön!«, seufzte sie zufrieden. »Ich dachte schon, dass ich bloß geträumt habe, aber du bist wirklich da, Daddy.«
Und nun schien sie es schon als Gewissheit zu nehmen, dass er auch bei ihr bleiben würde.
»Bekomme ich wieder Pickis?«, fragte sie. »Mir hat es noch nie so gut geschmeckt.«
Er winkte der Stewardess. Innerhalb kürzester Zeit brachte sie diesmal ein Tablett mit köstlichen Kleinigkeiten.
»Ich möchte aber sehr gern Pickis«, wisperte Jacky.
»Du sollst mal sehen, wie gut die schmecken, die ich dir jetzt mache«, sagte er.
»Du musst aber auch mitessen, Daddy«, verlangte sie. »Dann schmeckt es noch viel besser.«
Sie hatte die Umwelt vegessen. Eric Ride und Jacky Dane schienen allein zu sein unter dem blauen Himmel, und die Erde war unerreichbar fern.
»Da würde die Mama schön gucken, wie lieb ich zu unserem Daddy bin, nicht wahr, Bimbo?«, bemerkte Jacky, »wenn sie jetzt auf einer Wolke vorbeikäme? Aber kommt man eigentlich in den Himmel, wenn man sich das Genick bricht, Daddy?«
Er schwieg ein bisschen erschrocken, weil sie es gar so unbekümmert sagte.
»Sie hat sich nämlich das Genick gebrochen, als sie vom Pferd gestürzt ist«, erzählte Jacky eifrig weiter. »Clark hat gesagt, das musste ja mal passieren. Und die Nurse hat gemeint, dass ihr recht geschieht. Aber das darf man nicht sagen. Clark hat dann gesagt, dass man den Toten ihre Ruhe lassen soll, und dann hat er mit der Nurse einen ganz großen Whisky getrunken.«
Wenn sie in einer solchen Welt aufgewachsen war, war es kein Wunder, dass sie keinen tiefen Schmerz kannte.
»Du warst wohl viel allein, Jacky?«, fragte er.
»Na ja, die Nurse war schon da, und Amanda, unsere Köchin. Mama war meistens fort.«
»Und Charles, Ben und Clark?«, fragte er. Wie gut er die Namen behalten hatte!
»Die waren auch dauernd fort. Sie mussten Geld verdienen, damit Mama immer etwas hatte. Sie konnte sehr viel ausgeben. Clark hat manchmal Krach gemacht.«
Und während sie munter plapperte, hatte sie auch immer noch Zeit, die Pickis zu essen, die er sorgfältig zurechtmachte.
»Wie heißt denn deine Großmutter?«, fragte Eric Ride behutsam.
Jacky zuckte die Schultern.
»So ein komischer Name. Die Nurse hat alles aufgeschrieben. Ich zeige es dir gleich. Noch ein Picki, bitte.« Sie aß es mit Genuss. »Du bist der liebste Daddy von der ganzen Welt!«, versicherte sie ihm dann glücklich.
Und da beugte sich Eric Ride hinab und gab ihr einen Kuss.
Er war seit sechs Stunden ein anderer Mensch. Ein Kind hatte ihn verwandelt und ließ ihn alles vergessen, auch dass man in Erlenried auf ihn wartete.
Dann nestelte Jacky an ihrem Blüschen herum und holte schließlich einen kleinen Lederbeutel hervor, der um ihren Hals hing.
»Da ist alles drin, was man wissen muss, hat die Nurse gesagt«, erklärte sie. »Schau mal ’rein.«
Er zögerte. Das kam ihm doch ein bisschen indiskret vor. Aber Jacky lachte ihn an
»Du bist doch jetzt mein Daddy«, stellte sie strahlend fest. »Mach mal auf.«
Das Beutelchen enthielt einen engbeschriebenen Zettel, ein paar Geldscheine und einen sehr kostbaren