Heidi Cullinan

Winterfeuer


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dass ich jung bin. Sag nicht, dass du alt bist. Sag kein Scheißwort, weil ich es nicht hören will. Das ist erniedrigend für uns beide. Ich hab schon festgestellt, dass du nicht interessiert bist. Ich bin ein großer Junge – ganz erwachsen – und ich bin darüber hinweg. Meiner Meinung nach lässt du dir dabei mehr entgehen, weil ich aus verschiedenen Quellen gehört hab, dass ich absolut versaut im Bett bin. Vielleicht nicht ganz so heftig wie Arthur, aber das hat für dich ja nicht unbedingt funktioniert, richtig?«

      Als Paul zusammenzuckte, ließ Kyle ein Grinsen aufblitzen, bei dem sich Pauls Magen vor Verlangen zusammenzog.

      »Bitte, halt mich nur für einen kindlichen Twink, der dir den Arsch unter die Nase hält, in der Hoffnung, dass er es von einem süßen Teddybären besorgt bekommt.« Das Grinsen verblasste und ließ lediglich wildes Verlangen zurück. Kyle streichelte Pauls Gesicht nicht, doch er konnte schwören, dass er allein von dem intensiven Blick des Mannes vor sich kribbelig wurde. »Ich bin kein Kind, ich kann nichts für mein Aussehen und falls ich dich je in ein Zimmer mit Bett bekomme, wäre es nicht mein Arsch, der am nächsten Morgen wund ist.«

      Paul konnte nicht sprechen. Sein Atem ging in unregelmäßigen, abgehackten Stößen. Als sich sein Schock gelegt hatte, fühlte er sich immer noch wie gelähmt – aber vor Lust, nicht vor Angst. Das kann nicht richtig sein, wiederholte sein Verstand immer wieder, nur dass er Kyle anstarrte, ihn wirklich ansah, und ziemlich sicher war, dass sein Verstand falsch lag.

      Außerdem argwöhnte Paul anhand der Art, wie Kyle sich dichter zu ihm lehnte – ein heißblütiger Krieger, der seine Beute in die Ecke drängte –, dass er kurz davor stand, geküsst zu werden. Zu seiner Überraschung war er bereit, geküsst zu werden. Von Kyle Parks. An der Rückseite der Tür zu seinem Geschäft. Ein wütender Ich werd's dir zeigen-Kuss, der Pauls Innerstes bereits zum Schmelzen gebracht hatte.

      Doch in der letzten Sekunde hielt Kyle inne. Er wich zurück und wandte den Blick ab. Dann zog er den Reißverschluss seiner Jacke zu und fischte mit bebenden Händen seine Mütze und die Fäustlinge aus seinen Hosentaschen.

      »Ich… ich sollte gehen.«

      Geh nicht. Das war verrückt, also schluckte Paul die Worte hinunter. »Ich fahr dich.«

      Kyle zerrte sich die Mütze über sein Haar. »Schon okay. Ich laufe.«

      Nein, das war verrückt. »Bis zum Café sind es mehr als anderthalb Kilometer und draußen sind es minus zwölf Grad.«

      »Perfekt.« Kyle wickelte den Schal um sein Gesicht und salutierte Paul mit einem dicken Fäustling. »Schreib mir wegen Sonntag.«

      Er schob Paul zur Seite und öffnete die Tür. Paul sah ihm nach, wie er durch den fallenden Schnee in die dunkle Nacht hinausstapfte.

      Sobald Kyle außer Sichtweite des Ladens war, rief er Corrina an, wurde jedoch zur Mailbox weitergeleitet. Er legte auf, dachte darüber nach, einfach durchzuhalten und zu laufen, und knickte dann doch ein und rief Gabriel an. »Tut mir leid, wenn ich dich störe, aber bist du noch in der Stadt? Falls ja, besteht die Chance, dass ich dich dazu überreden kann, mich zu meinem Auto zu fahren?«

      »Ja, und sicher – aber wo bist du und warum brauchst du einen Chauffeur? Hast du Probleme mit deinem Auto?«

      »Ich laufe von Pauls und Arthurs Geschäft zum Café. Es ist ein langer Weg und ich friere.«

      »Bin gleich da.«

      Gabriel tauchte in einem grünen Nissan auf, der ein wenig schlitterte, als er im tiefen Schnee bremste.

      Kyle stieg ein, nachdem er so viel Schnee wie möglich von sich geklopft hatte. »Vielen Dank.«

      »Ich bin sogar ganz froh, dass du angerufen hast.« Gabriel blinzelte durch die dicken Schneeflocken auf seiner Windschutzscheibe, die ihn offensichtlich beunruhigten. »Ich habe die Zeit vergessen und nicht auf das Wetter geachtet. Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass Arthur noch nicht angerufen hat, um mich auszuschimpfen. Andererseits babysittet er Thomas und die Mädchen, also hat er möglicherweise nicht den Luxus, darauf zu achten, was draußen passiert.«

      Gabriel warf Kyle einen Seitenblick zu, bevor er sich wieder auf die Fahrt durch den Schnee konzentrierte. »Also. Erklär mal, warum ich dich hier abhole.«

      »Weil Corrina mir gesagt hat, dass ich Paul nicht küssen soll. Ich bin ziemlich sicher, dass der Kuss darin geendet hätte, ihn auf der Türschwelle zu vögeln, also bin ich weg.«

      »Warum hat sie dir gesagt, dass du ihn nicht küssen sollst? Und warum um alles in der Welt hast du darauf gehört?«

      Kyle legte den Kopf in den Nacken, um an die Decke zu starren. »Ich weiß es nicht. Zweimal wäre ich fast umgedreht. Schätze, ich dachte, dass sie mit dem Café recht hatte, also sollte ich ihr vielleicht vertrauen.«

      »Was war mit dem Café?«

      Den Rest der Fahrt verbrachte Kyle damit, Gabriel von der Verabredung zum Abendessen, Corrinas Treffen der Red Hat Society und der intimen Mahlzeit zu zweit im Laden zu erzählen. Außerdem brachte er ihn auf den neuesten Stand der Pläne zum Winter Wonderland. »Im Grunde haben wir entschieden, dass wir nicht verstehen, was Sache ist, und Paul will nachfragen, ob wir uns alle Sonntagnachmittag irgendwo treffen können. Alle heißt er, ich, du, Arthur, Marcus und Frankie. Er sagt, dass ihr das Chaos vom letzten Jahr auf die Reihe bekommen habt, also könnten wir das dieses Jahr vielleicht wiederholen.«

      »Das sollte klappen. Ich werde mit Arthur sprechen.«

      »Nein, nicht. Paul wird euch fragen. Tu so, als wärst du überrascht.«

      Gabriel lächelte. »Sicher. Dann erklär mir jetzt, wie du fast Sex auf einer Türschwelle gehabt hättest.«

      »Er hat mich immer wieder angestarrt. Anfangs dachte ich, ich hätte was im Gesicht, und er hat das auch gesagt, aber jetzt mache ich mir Gedanken. Laut ihm war ich heute Abend anders. Ich versteh immer noch nicht, inwiefern, weil er nur als sonst gesagt hat. Das nervt, weil ich vor allem nervös und verlegen war, aber dann hat er mich angesehen, als würde er endlich begreifen, dass ich ein Mann bin. Und dann hat er ausgesehen, als würde er mir gleich wieder sagen, dass ich zu jung bin, und irgendwie bin ich dabei auf ihn losgegangen.«

      »Interessant. Fahr fort.«

      »Na ja, ich hab ihm gesagt, dass ich nicht zu jung bin, hab gesagt, dass er sich am nächsten Tag eine neue Matratze kaufen und einen Eisbeutel auf seinen Hocker im Laden legen kann.«

      Gabriel lachte und der entzückende Klang hallte im Inneren des Wagens wider. »Ich wünschte, dass sie eine Überwachungskamera im Laden hätten. Ich würde zurückspulen, nur um sein Gesicht zu sehen.« Er sah zu Kyle hinüber. In seinen Augen tanzte der Schalk. »Bist du wirklich so durch und durch aktiv?«

      Eine seltsame Unterhaltung, die er da mit seinem örtlichen Bibliothekar führte. Kyle beschäftigte sich mit einem losen Faden an seinen Fäustlingen. »Nur weil ich schlank bin und feminin wirke, heißt das nicht, dass ich mich für jemanden vorbeugen will.«

      »Nein, und ich wollte dich nicht in eine Schublade stecken. Ich wollte sagen, dass es mich überrascht, aber wenn ich so darüber nachdenke, vielleicht doch nicht. Wenn du ihm diese Seite von dir gezeigt hast, verstehe ich, was Paul meint, wenn er sagt, du bist anders.«

      Sie erreichten jetzt das Café, bei dem kaum noch ein Fahrzeug auf dem Parkplatz stand. Gabriel lenkte den Wagen neben Kyles. Als Kyle seinen Sicherheitsgurt löste, drehte Gabriel sich mit einem Lächeln zu ihm um. »Ich denke, du und ich sollten einander besser kennenlernen. Frankie auch. Wenn wir uns am Sonntag zusammensetzen, wovon ich jetzt natürlich noch nichts weiß, sollten wir einen Zeitpunkt ausmachen, wann wir drei Duluth unsicher machen können.« Er wackelte mit den Augenbrauen. »Oder vielleicht sogar die Cities. Wir könnten ein paar frühe Weihnachtseinkäufe erledigen.«

      Kyle war seit Ewigkeiten nicht in Minneapolis gewesen. »Das klingt großartig.«

      Gabriel zwinkerte ihm zu und scheuchte ihn gutmütig zur Tür hinaus. »Na los. Fahr vorsichtig, okay?«

      »Du