Heidi Cullinan

Winterfeuer


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einen Film geguckt, während sie auf Kyle gewartet hatte, und flirtete mit ihm, als sie sich verabschiedeten. Kyle verließ die Bibliothek mit seiner Schwester, seinem Stapel DVDs und der Quittung seiner Gebühren, wobei ein roter Kreis um die Bemerkung gezogen war, dass er noch $5,65 nachzuzahlen hatte.

      Fürs Mittagessen hielten sie beim Café, in dem Linda Kay abwechselnd die Handlung des Kinderfilms, den sie angesehen hatte, während sie gewartet hatte, wiedergab und Melodien aus ihren Lieblingssendungen sang. Sobald sie wieder im Auto saßen und auf dem Weg nach Hause waren, wühlte sich Linda Kay durch die DVDs, die Kyle ausgeliehen hatte. »Warum hast du diese ganzen Filme?«

      Kyle war nicht sicher, wie er das erklären sollte. »Gabriel wollte, dass ich sie mal ausprobiere.«

      »Sehen langweilig aus.«

      Da musste Kyle zustimmen. »Ich werde ihnen trotzdem eine Chance geben.«

      Mit dem ersten Film begann er noch an diesem Abend, während er von der Arbeit an der Skulptur einer Märchenprinzessin (mit Zauberstab) auftaute, die zum Schneedrachen gehörte. Corrina sagte, dass The Christmas Card einer von Pauls fünf Lieblingsfilmen war. Kyle legte ihn in den DVD-Player ein und rollte sich mit einer Häkeldecke zusammen, bereit, seinen Schwarm näher kennenzulernen.

      Zwanzig Minuten später hatte er es aufgegeben sich einzureden, dass der Film gar nicht so schlecht war, und versuchte nur noch mit aller Kraft, sich nicht zu übergeben. Als seine Mutter hereinkam und fragte, was er machte, schaltete er den Film hastig aus, als wäre er bei einem Porno erwischt worden.

      Er beendete den Film in seinem Zimmer und würgte während der nächsten Tage den Rest hinunter. Am Dienstag gab er sie auf dem Weg von der Arbeit nach Hause zurück, zusammen mit dem Rest seiner Ausleihgebühr.

      Gabriel war nicht anwesend, Corrina jedoch schon und sie strahlte ihn an. »Und? Was denkst du?«

      Kyle versuchte, sich auf die Zunge zu beißen, aber nach Tagen voller Schrott hatte er keine Chance. »Was ich denke? Oh mein Gott. Sie sind grässlich. War das ein Witz?«

      »Nicht im Geringsten. Das sind einige von Pauls Lieblingsfilmen. Ich habe sogar mit Arthur Rücksprache gehalten, obwohl ich ihm nicht gesagt habe, warum ich das wissen möchte.« Verschmitzt musterte Corrina ihn. »Was hat dir an ihnen nicht gefallen?«

      Wo sollte er da nur anfangen? »Erstens war die Hälfte davon gruselig religiös. In die Kirche zu gehen, ist okay«, fügte er hastig hinzu, da Corrina ihn in der fünften Klasse der Sonntagsschule unterrichtet hatte, »und du weißt, dass ich hingehe, wenn ich nicht arbeite, aber die waren so… mit dem Holzhammer. Und kitschig. Und ohne Tiefgang. Diese Charaktere sind nicht mal Karikaturen. Und was soll das Ganze, dass ständig ein Verlobter oder ein Freund sitzen gelassen wird? Ich meine, das passiert in jedem einzelnen Film.« Er versuchte, es dabei zu belassen, konnte es jedoch nicht. »Warum um alles in der Welt sind das Pauls Lieblingsfilme?«

      »Das ist etwas, worüber du nachdenken solltest, nicht wahr?« Corrina nickte zur Uhr. »Bist du heute Abend immer noch mit ihm zum Essen verabredet? Um sieben?«

      »Ich fahre jetzt nach Hause, um mich umzuziehen.«

      »Gut. Zieh etwas Hübsches an, aber nicht zu hübsch. Auch nicht zu eng, Kyle. Überlass manche Dinge der Fantasie.«

      Kyle begann zu bereuen, dass er Corrina hinzugezogen hatte. »Ich hatte nicht vor, mich für einen Club rauszuputzen. Wir essen nur im Café zu Abend.«

      »Genau. Aber denk dran, Schätzchen. Egal, was passiert, ich möchte nicht, dass du ihn heute Abend küsst.«

      Kyle lachte. »Ich bin ziemlich sicher, dass das nicht im Bereich des Möglichen liegt.«

      Sie richtete einen Finger auf seine Nase. »Ich meine es ernst. Kein. Kuss. Ihr könnt euch nahe kommen, aber das ist alles. Das ist von entscheidender Bedeutung.«

      »Verstanden.« Es war definitiv ein Fehler gewesen, Corrina hinzuzuziehen. Er ließ sein verführerisches Lächeln aufblitzen und winkte. »Wünsch mir Glück.«

      Es hatte zu schneien begonnen, während er in der Bibliothek gewesen war. Nur ein leichter Schauer, doch nach so viel Schnee war es entmutigend und verdoppelte seine Fahrtzeit nach Hause. Während des Schneesturms vor ein paar Jahren hatte sein Bruder ihn mit dem Schneemobil zur Arbeit gebracht und nach dieser Erfahrung hatte Kyle ebenfalls Geld auf den Tisch gelegt und sich ein eigenes Schneemobil gekauft. Bis jetzt hatte er es nur in seiner Freizeit benutzt, aber irgendetwas sagte ihm, dass sich das dieses Jahr ändern würde.

      Er gab sich nicht zu viel Mühe, als er sich für sein Nicht-Date zum Abendessen umzog, achtete jedoch darauf, dass seine Haare nicht abstanden, dass er einen dunkelgrauen Pullover trug, der seine Augen betonte, und nur einen Hauch von Kenneth Cole Reaction auf seine Pulsstellen spritzte.

      Seine Mutter wackelte mit den Hüften und ließ ein Wow vernehmen, als er durch die Küche flitzte. »Du hast gar nicht gesagt, dass du ein Date hast.«

      »Hab ich auch nicht.« Kyle wandte sich ab und beschäftigte sich damit, seinen cremefarbenen Strickschal umzulegen und etwas hochzuziehen, damit er keine Mütze brauchte. »Ich hab ein Treffen wegen dieser Winter Wonderland-Sache.«

      »Also machst du die alten Ladies verrückt, indem du so gut aussiehst und riechst. Verstehe. Aber du solltest schnell was essen. Ich habe dir einen Teller im Ofen zurückgestellt.«

      »Das Treffen ist im Café. Ich werde da was essen.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, während er sich seinen Schlüssel aus der Schale über der Mikrowelle schnappte. »Bis später, Mom.«

      Er wünschte, er hätte ihr Essensangebot angenommen, denn als er in die Stadt fuhr, knurrte sein Magen. Sein einziger Trost war, dass sich das Café bis sieben bereits geleert haben würde, da die meisten um sechs oder sogar schon um fünf essen gingen. Allerdings fand er den Parkplatz zum Bersten gefüllt vor, als er dort einbog. Tatsächlich musste er sogar zwei Runden drehen, bevor er einen freien Platz fand.

      Paul stand sichtlich durcheinander in der Eingangstür. Jeder einzelne Platz war besetzt und die Leute reihten sich an den Fenstern auf, während sie auf freie Plätze warteten.

      Drei Viertel der Plätze wurden von Frauen mit roten Hüten eingenommen. Eine von ihnen war Corrina Anderson, die Kyle entdeckte und winkte. Oh. Nein.

      Hilflos deutete Paul auf das Gedränge. »Die Red Hat Society hat ihr abendliches Treffen hierher verlegt und die Wartezeit beträgt vierzig Minuten. An einem Dienstag. Vorher gab es nie eine Wartezeit. Niemals.«

      Kyles Schuldgefühle, unabsichtlich ein Teil dieses Komplotts zu sein, wurden von seinem nagenden Hungergefühl verdrängt. »Ich kann unmöglich vierzig Minuten mit dem Essen warten. Ich will nicht die Prinzessin raushängen lassen, aber das ist kein Scherz. Zum Mittag musste ich unterwegs einen Müsliriegel mitgehen lassen und das war um elf. Ich bin am Verhungern.«

      »Wir könnten was zum Mitnehmen bestellen, aber unter diesen Umständen wäre das Essen erst Gott weiß wann fertig.«

      Gottverdammt, Corrina. »Weißt du was, ich hab es nicht eilig. Wir können es an einem anderen Tag versuchen. Uns vielleicht in der Bibliothek oder so treffen.« Und dann würde er seinem Helferlein nicht sagen, wann das Treffen stattfand.

      In einer befangenen Geste rieb Paul seinen Hinterkopf. »Es gefällt mir nicht, dich hungrig zu verabschieden. Wir könnten sie im Spirituosenladen dazu bringen, uns eine Pizza warm zu machen.«

      Im hinteren Bereich des Spirituosenladens gab es eine Bar, an der man für einen lächerlichen Preis eine aufgewärmte Tiefkühlpizza aus einem selten gereinigten Tischbackofen unter dem Tresen bekam. Kyle verkniff sich eine Grimasse. »Ich werd zu Hause was auftreiben.«

      Nachdem Paul mit gerunzelter Stirn in Richtung Küche gestarrt hatte, hob er eine Hand. »Gib mir fünf Minuten.«

      Kyle wollte ihn darauf hinweisen, dass er in fünfzehn Minuten zu Hause sein und Müsli in sich hineinschaufeln konnte. Stattdessen nickte er und drückte sich gegen den Hutständer, inzwischen kläglich ausgehungert inmitten des Essens anderer Leute. Er