Heidi Cullinan

Winterfeuer


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Solltest du Grindr-Köder auslegen und Penisse auf seine Veranda setzen, weil du gelangweilt bist und dir einen Spaß daraus machst, Logans letzten Junggesellen zu schnappen, dann betrachte dieses Abenteuer bitte als abgeschlossen. Sollte allerdings mehr als das dahinter stecken…« – sein Lächeln funkelte praktisch – »… dann wäre ich glücklich, dich bei der Ausarbeitung von Phase zwei deiner Kampagne zu unterstützen.«

      Kyles Augen wurden riesig. »Du würdest mir helfen? Ernsthaft? Warum?«

      »Weil ich dich mit deiner Schwester gesehen habe. Ich weiß, dass du sagen wirst: Aber sie ist mein Zwilling, natürlich kümmere ich mich um sie, aber nicht jeder fünfundzwanzigjährige Mann würde einer jungen Frau mit Down-Syndrom so viel Zeit und Aufmerksamkeit schenken. In der Öffentlichkeit umgibst du dich mit einer flirtenden, frechen Aura – was dir bei deinem Altersproblem nicht weiterhilft, wie ich anmerken möchte –, aber darunter bist du herzensgut und loyal. Im Umgang mit Linda Kay bist du ein vollkommen anderer Mensch. Ein umwerfender Mensch. Natürlich möchte ich das für Paul. Aber zuerst möchte ich wissen, warum. Zum Teil, weil ich neugierig bin, aber auch, weil deine Antwort mir dabei helfen wird herauszufinden, wie ich dich unterstützen kann.«

      Kyle starrte die Ecke des Schreibtischs des Bibliothekars an, als der seine Ansprache beendete. »Na ja, selbstverständlich weiß ich nicht, ob wir funktionieren würden. Aber ich hatte immer das Gefühl, als könnten wir funktionieren. Es hat angefangen… okay, das ändert nichts an der Altersgeschichte, aber als ich in der Mittelschule war, habe ich ihn gesehen… und er war so perfekt. Einmal hat er mich angelächelt und mir aufgeholfen, als ich auf einer vereisten Fläche auf meinem Arsch gelandet bin, und damit war mein Typ klar. Ich wollte immer große, blonde Männer mit leicht gelockten Haaren. Als ich in Duluth gelebt hab, hab ich auf dem Community College Paul-Klonen nachgejagt. Dann bin ich zurückgekommen, hab mich eingelebt und…«

      Kyle sah zu Gabriel auf. »Du bist nicht der Einzige, dem aufgefallen ist, dass Paul eine echte Beziehung will. Ich wusste, dass Arthur nicht der Richtige für ihn ist, also hab ich abgewartet. Andauernd hab ich versucht, Marcus' oder Arthurs Aufmerksamkeit zu erregen, weil ich dachte, dass ihn das vielleicht eifersüchtig machen oder wenigstens dazu bringen würde, mich zu sehen, aber das war ein Reinfall. Als er und Arthur sich getrennt haben und Arthur sich auf dich eingeschossen hat… tja, da dachte ich, jetzt oder nie. Aber noch immer konnte ich ihn nicht dazu bringen, mich überhaupt zu bemerken. Also hab ich versucht, ihn online zu verführen. Ich hab ihm ein paar Sexnachrichten geschickt, aber das war alles. Ich hatte nie den Mut, ihm zu sagen, wer ich bin. Eines Tages auf dem Weg von der Arbeit nach Hause hat es geschneit und ich bekam diesen verrückten Drang, einen Penis auf seine Veranda zu bauen. Ich weiß nicht, warum oder was ich dachte, dass das bringen würde, aber das hat mir mehr Aufmerksamkeit eingebracht als alles andere, also hab ich damit weitergemacht. Ich dachte, vielleicht ködere ich ihn langsam und mache eine große Enthüllungsnummer draus – aber dann hat er mich erwischt. Und ist zurückgeschreckt.«

      »Nicht vor dir. Vor der Vorstellung von dir.«

      Kyle schnaubte. »Warum ist das besser?«

      »Weil du ihm immer noch zeigen kannst, wer du bist. Dein wahres Ich, nicht das Kind, von dem er immer noch denkt, dass du es bist – oder der affektierte Geck, den du nach außen trägst.«

      Kyle richtete sich auf. »Ich bin kein Geck.«

      »Ich weiß. Hör auf, vor ihm so gekünstelt zu tun, damit er es auch sehen kann.«

      Kyle blinzelte. »Ich tu nicht gekünstelt.«

      Gabriel knickte auf klischeehafte Art sein Handgelenk ab und begann zu lispeln. »Darling, jedes Mal, wenn ich dich in der Öffentlichkeit sehe, gibst du du dich wie Carson Kressley.« Als Kyle irritiert die Stirn runzelte, rollte Gabriel die Augen. »Queer Eye for the Straight Guy. Sieh es dir auf YouTube an.«

      Kyle kannte Queer Eye vage. Carson musste der blonde Kerl sein, der ein wandelndes schwules Klischee war. »So schlimm bin ich nicht. Ich… spiele es nur ein bisschen auf, weil das die Dinge einfacher macht. Die Leute erwarten das. Es ist wie eine Mauer.«

      »Ja. Reiß sie für Paul ein.«

      Allein der Gedanke drehte Kyle den Magen um. Er schlang seine Arme darum und sackte in sich zusammen. »Und wer soll ich dann sein? Wag es nicht du selbst zu sagen.«

      »Nun, für was soll er sich denn interessieren?«

      Kyle zog die Schultern höher. »Das war hauptsächlich ich, als er mich dabei erwischt hat, wie ich den Penis gebaut hab. Er ist nicht interessiert, egal, was oder wer ich bin.«

      Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Mit einem Finger tippte Gabriel auf den Schreibtisch, während er über etwas nachgrübelte. »Ich gebe zu, ich habe keine Ahnung, wie genau ich helfen kann. Oder eher, ich habe eine Ahnung. Aber ich warne dich. Es besteht keine Möglichkeit, diese Waffe zurück in den Schrank zu schließen. Und wenn ich Waffe sage, meine ich eine Belagerungswaffe.«

      Kyle zog die Augenbrauen hoch. »Eine Belagerungswaffe?«

      Gabriel wackelte mit den Augenbrauen. »Wie gut kennst du Arthurs Mutter?«

      Kapitel 3

      Paul lag auf dem Rücken, den Kopf zur Seite gelegt, während er eine Schraube an der Unterseite eines beschissenen Fertigschreibtischs anbrachte, als die Glocke über der Eingangstür zum Geschäft läutete. Er schluckte einen Fluch herunter, weil er mit diesem verdammten Teil beinahe fertig geworden war, und lächelte die Spanplatte an, damit sein Tonfall nicht verärgert klang. »Ich bin sofort bei Ihnen.«

      »Oh, keine Eile, Schätzchen. Lass dir Zeit, wir warten.«

      Das war die Stimme von Corrina Anderson. Arthurs liebevolle, aber bestimmende Mutter. Mit einem wir.

      Paul legte den Bohrer und die Schraube zur Seite und glitt unter dem Schreibtisch hervor. »Wie kann ich dir helf…?«

      Die Worte erstarben auf seinen Lippen.

      Man musste Kyle zugutehalten, dass er sich sichtlich unwohl fühlte. Schwach lächelte er Paul an, bevor er seinen Blick umherschweifen ließ, um alles andere außer dem Mann vor sich anzusehen. Corrina, die das entweder nicht bemerkte oder nicht interessierte, fuhr auf ihre lebhafte, herrische Art fort.

      »Ich habe wundervolle Neuigkeiten. Jane Parks hat Kyle dazu überredet, uns beim Projekt Winter Wonderland zu unterstützen. Er ist so ein großartiger Künstler – er kann diese hübschen Verzierungen aus der skandinavischen Volkskunst zeichnen, anstatt sie zu schablonieren.«

      Kyle hob eine Hand. »Eigentlich müssen sie trotzdem noch schabloniert werden. Aber ich kann die Vorlagen entwerfen, ja.«

      Corrina strahlte. »Siehst du? Deshalb brauchen wir einen echten Künstler im Team. Und da du für den Bau verantwortlich bist, Paul, möchte ich, dass ihr zwei euch so schnell wie möglich zusammensetzt, um eure Pläne abzustimmen.«

      Paul geriet in Panik. »Der Bau? Wann wurde ich zum Verantwortlichen dafür ernannt?« Ich kann mich nicht mit Kyle treffen.

      »Oh, Schatz, das bist du immer gewesen. Hat Arthur dir das nicht gesagt?« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen: Das ist ja mal wieder typisch mein Sohn.

      »Corrina, ich würde sehr gerne helfen, aber wir sind bis oben hin mit Aufträgen ausgelastet und wenn Weihnachten –«

      »Aber ist das nicht offensichtlich? Deshalb ist Kyle hier.« Mit einem stolzen Strahlen klopfte sie beiden auf die Schulter. »Ich habe Kyle bereits deine Handynummer gegeben, damit ihr eine Zeit ausmachen könnt, um euch zu treffen und die Einzelheiten zu diskutieren. Ich dachte, vielleicht wäre das Café ganz gut geeignet. Oh, Kyle, Schätzchen, schick Paul eine kurze Nachricht, damit er deine Nummer hat.«

      Kyle zog sein Handy hervor und schrieb gehorsam eine SMS. Paul spürte, wie sein eigenes Handy in seiner Hosentasche vibrierte.

      »Hervorragend.« Corrina rieb ihre Hände aneinander. »So, ich muss noch ein paar Einkäufe erledigen, bevor der Supermarkt leer gekauft ist. Ihr zwei schmiedet