Heidi Cullinan

Winterfeuer


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würde einen Anfall bekommen.«

      Sie bedachte ihn mit einem Blick, der sagte: Bitte, sei nicht albern. »Natürlich werden wir ihn verstecken.«

      Sie hob ihre Hand, damit Kyle sie abklatschen konnte. Kyle tat es, dann aß er seine Rühreier, während seine düstere Stimmung unter Plänen für einen kunstvollen, Eis spuckenden Drachen mit verborgenem Schwanz begraben wurde.

      Kapitel 2

      Am Morgen, nachdem er den Künstler der Schneepenisse enttarnt hatte, stolperte Paul übernächtigt ins Geschäft und umklammerte einen Kaffeebecher aus dem Gemischtwarenladen. Als Arthur eine abfällige Bemerkung über sein angeschlagenes Äußeres machte, hätte Paul ihn beinahe buchstäblich angeknurrt.

      »Wow.« Arthur legte die Stuhlklammer weg, die er in der Hand gehalten hatte, und wandte sich zu Paul um. »Was ist denn mit dir los?«

      Paul hatte das Haus in der festen Absicht verlassen, die Klappe zu halten, aber es brauchte nur Arthur, der ihn mit diesem Blick ansah, diesem besorgten, Lass zu, dass ich mich um dich kümmere-Blick, und Paul knickte ein. »Ich habe die Person erwischt, die die Skulpturen macht. Gabriel hatte recht. Es war ein Bewunderer.«

      »Was hatte ich?« Gabriel tauchte aus dem angrenzenden Büro auf und hielt eine Keramiktasse in den Händen, über deren Rand das Etikett eines Teebeutels baumelte. Er trug die aufgesetzte Gleichgültigkeit und das zerzauste Aussehen von jemandem zur Schau, der nicht wollte, dass alle Welt wusste, dass er eben noch ausgiebig auf einem Schreibtisch gevögelt worden war.

      Paul stellte seinen Coffee-to-go-Becher beiseite und setzte sich auf einen Hocker, während die Niederlage über seine Haut kroch. »Du hattest recht. Die Person, die die Schneepenisse auf meinen Eingangsstufen gebaut hat, hat versucht, meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er hat mir auch Grindr-Nachrichten geschickt. Letzte Nacht hab ich ihn getroffen.«

      »Und? Wer ist es?«

      Arthur schlang einen Arm um Gabriels Taille, als er die Frage stellte. Mit der gleichen unbewussten Zuneigung lehnte sich Gabriel in die Umarmung. Der Anblick der beiden, wie sie so miteinander im Einklang waren, machte Paul gleichzeitig glücklich und bedrückt, besonders nach seinem aktuellen Albtraum.

      Paul schnitt eine Grimasse, als er sein Geständnis hervorpresste. »Es ist Kyle.«

      Arthur runzelte die Stirn. »Kyle wer?«

      »Kyle Parks. Daryls jüngster.«

      Arthurs Augen sprangen praktisch aus seinem Kopf. »Kyle Parks? Heilige Scheiße.«

      Gabriel legte die Stirn in Falten. »Entschuldigt, was entgeht mir hier? Warum tut ihr zwei so, als wäre es das Ende der Welt? Ist er ein Ex oder dergleichen?«

      Entsetzt drehte sich Arthur zu Gabriel. »Natürlich ist er nicht Pauls Ex. Er ist ein Baby. Gott, ist er überhaupt schon aus der Highschool raus?«

      Gabriel gab Arthur einen Klaps. »Hör auf zu übertreiben. Ja, er ist etwas jünger als ihr beide, aber das bin ich auch. Und Frankie ebenfalls.«

      »Ja, aber er ist – was? Neunzehn?«

      »Das bezweifle ich.« Gabriel zog sein Handy hervor und klickte ein paar Apps an. »Laut Facebook ist er fünfundzwanzig.«

      »Es ist unmöglich, dass Kyle Parks so alt ist«, beharrte Arthur.

      Paul wollte gerade darauf hinweisen, dass PrinceCharming1990 als Beweis angeführt werden konnte, erkannte jedoch, dass das tatsächlich fünfundzwanzig Jahre her war. Was ihn sich älter als je zuvor fühlen ließ. Er rieb seinen Nacken. »Selbst wenn er es ist, ist er immer noch ziemlich jung.«

      Gabriel zog eine Augenbraue hoch. »Ich bin zweiunddreißig. Frankie ist einunddreißig. Was ist so schlimm an den sechs Jahren zwischen uns und Kyle? Besonders da Paul von euch dreien der jüngste ist.«

      Diese ganze Unterhaltung ging Paul an die Nieren. Er warf seine Hände in die Luft. »Ich denke nicht auf diese Art an Kyle Parks, egal, wie alt er ist.«

      Gabriel neigte den Kopf zur Seite. »Was ist so furchtbar an ihm?«

      Paul suchte nach einer anderen Ausrede. »Er ist nicht mein Typ.«

      Arthur sah immer noch düster vor sich hin. »Es ist absolut unmöglich, dass er fünfundzwanzig ist.«

      »Was ist dein Typ?«, hakte Gabriel nach.

      Zum Teufel, wenn Paul das nur herausfinden könnte. »Als er geboren wurde, war ich in der Highschool.«

      »Als ich geboren wurde, war Arthur in der dritten Klasse. Keiner von uns ist jetzt noch in der Schule.«

      »Er sieht jung aus. Zu jung für mich.« Nur dass Paul jedes Mal, wenn er sich an das anrüchige Grinsen auf Kyles Lippen erinnerte, schwindlig wurde. Dieses Selbstbewusstsein. Sein Strahlen, so atemberaubend und köstlich und… »Er… er… er ist zu feminin.«

      Noch bevor Arthur zusammenzuckte, erkannte Paul, dass er etwas Falsches gesagt hatte. Gabriel richtete sich zu seiner nicht unbeträchtlichen Größe auf und blitzte Paul durch seine Brille an. »Zu feminin. Meine Güte. Mir war nicht bewusst, dass du einen Männlichkeitstest durchführst, Paul.«

      »So meinte ich das nicht.« Paul sank nach vorne und stützte die Ellbogen auf seine Knie, damit er seinen Kopf in die Hände stützen konnte. »Ich suche nach Ausreden, weil ich unterm Strich durchdrehe, sexuell an Kyle Parks zu denken. Und er schickt mir Sexnachrichten und baut Erektionen auf meine Veranda.«

      »Dann sei ein erwachsener Mann und sag ihm, danke, aber du verzichtest.« Gabriel schnappte sich seine Tasse und kehrte ins Büro zurück.

      Paul erhob sich von seinem Hocker, stürzte einen kochend heißen Schluck Kaffee hinunter und schlurfte zur Werkbank.

      Arthur schlug Paul auf die Schulter. »Wenn's dir hilft, ich dreh durch und hinter mir ist er nicht mal her.«

      »Er ist wirklich nicht mein Typ.« Seine Wangen färbten sich rot, als er auf die Arbeitsfläche starrte. »Ich meine, was, zwei Passive?«

      »Du musst deinen Instinkten folgen. Nur weil ihr die letzten zwei schwulen Männer in Logan seid, heißt das nicht, dass ihr Tanzpartner werden müsst. Es gibt andere Städte.« Arthur zwinkerte. »Wir werden jemanden für dich finden. Mach dir keine Sorgen.«

      Mach dir keine Sorgen.

      Warum Paul das so sehr gegen den Strich ging, konnte er nicht sagen, doch das tat es.

      Wahrscheinlich, weil sie ihm das schon seit einem Jahr sagten. Wahrscheinlich, weil sie so taten, als gäbe es irgendwo ein geheimes Fass voller schwuler Männer, das sie aufbrechen konnten. Paul wusste es besser.

      Es war nicht fair. Die anderen hatten sich zu Paaren zusammengefunden und nicht einer von ihnen war auf der Suche gewesen, als sie ihren Mister Right getroffen hatten. Eigentlich hatten sie alle der Romantik entsagt. Wenn Paul auch nur für eine Sekunde glauben würde, dass nicht danach zu suchen das Wundermittel war, würde er es tun. Ehrlich gesagt, in letzter Zeit hatte er überhaupt nicht versucht, sich zu verabreden.

      Nur dass die Magie der Weihnacht nicht für ihn gewirkt hatte, weil er niemanden gefunden hatte. Und dennoch wollte er es immer noch. Er wollte es immer.

      Es war dunkel, als er nach Hause fuhr, und es schneite wieder. Dicke, große Flocken, deren kristallene Form er auf der Windschutzscheibe erkennen konnte, bevor der Enteiser sie wegschmelzen ließ. Er redete sich ein, durch die Stadt anstatt nach Hause zu fahren, weil er am Supermarkt anhalten wollte, doch er hielt nicht an. Er stoppte auch nicht am Spirituosenladen. Er fuhr den ganzen Weg bis zum nördlichen Ende von Logan, wo sich das Pflegeheim wie eine behagliche Oase gegen die Bäume abzeichnete.

      Vom Verstand her wusste er, dass er Kyle aufgrund der Anordnung der Räume und der Fensterläden, die gegen die Zugluft geschlossen waren, nicht sehen konnte, aber dennoch saß Paul da. Um sich das üblichere Bild von Kyle in den Kopf zu setzen, nicht das, bei dem Kyle verrucht aussah.

      Aber