Эрнст Гофман

E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen


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Reiz.

      Berganza. Den das Sonett auch wohl gewiß für jedes nicht ganz rohe Ohr hat und ewig behaupten wird.

      Ich. Und doch scheint mir die Form, das Metrum des Gedichts, immer etwas Untergeordnetes, worauf man in der neuesten Zeit nur zu viel Wert gelegt hat. –

      Berganza. Dank sei es dem Bemühen eurer neueren, mitunter höchst vortrefflichen Dichter, daß sie metrische Kunst, welche die alten großen Meister des Südens mit Liebe und Sorgfalt übten, wieder in ihr wohlerworbenes Recht einsetzten. Die Form, das Metrum des Gedichts, ist die zufällige Farbe, die der Maler den Gewändern seiner Personen gibt, – es ist die Tonart, in der der Komponist sein Stück schreibt. Werden beide nicht Farbe und Tonart mit reifer Überlegung, mit aller nur ersinnlichen Sorgfalt wählen, wie es der Ernst, die Würde, die Anmut, die Zärtlichkeit, die Leichtigkeit, die innere Behaglichkeit der vorzustellenden Person oder des Stücks erfordern? – Und wird nicht Ein großer Teil der beabsichtigten Wirkung von der richtig getroffenen Wahl abhängen? – Ein keckgefärbtes Gewand erhebt oft die mittelmäßige Person, sowie die ungewöhnliche Tonart den gewöhnlichen Gedanken, und so kommt es denn oft, daß selbst Verse, denen ein tief eingreifender Sinn mangelt, und die nur auf der Oberfläche schwimmen, durch die Anmut der Form, durch die zierliche Verschlingung der Reime den Geist wie in angenehmer Dämmerung mit lieblichem Spiel umfangen und so, ganz abgesehen davon, was der Verstand vergebens darin suchen dürfte, einen geheimnisvollen Zauber ausüben, dem kein reizbares Gemüt zu widerstehen vermag.

      Ich. Aber der Mißbrauch, der nun von den Formkrämern gemacht wird –

      Berganza. Dieser sogenannte Mißbrauch möchte wohl in seiner Wirkung sich ganz auflösen, und ich glaube, daß in dem jetzt emporgekommenen strengen Beachten der Metrik sich auch der tiefere Ernst zeigt, der sich mit der eingetretenen verhängnisvollen Zeit über alle Zweige der Kunst und der Literatur verbreitet hat. Damals, als jeder sogenannte Dichter zu jedem seiner Liedlein sich selbst ein stolprichtes, holprichtes Metrum schuf, als die einzige südliche Form, welche man noch zu kennen schien, die Ottave rime, auf die tollste Weise verpfuscht und verhudelt wurde, damals wollten die Maler nicht mehr zeichnen lernen und die Komponisten keinen Kontrapunkt studieren. Kurz, es war eine Verachtung jeder Schule eingetreten, die in allen Künsten die verfehltesten Zerrbilder hervorbringen mußte. Selbst bei den mittelmäßigen Dichtern führen die Versuche in allerlei Formen zu einer gewissen Geregeltheit, die immer besser tut, als die prosaische Ausgelassenheit des leeren Kopfs. Also bleibe ich dabei, es ist schön und erfreulich, daß man auf die Form, auf das Metrum recht viel Fleiß verwendet.

      Ich. Deine Kombinationen, lieber Berganza, sind ein wenig kühn, doch kann ich dir in der Tat nicht unrecht geben. – Nimmermehr hätte ich geglaubt, daß sich meine Ansichten nach der Überzeugung eines verständigen Hundes regeln würden.

      Berganza. In dem Zirkel meiner Dame befand sich ein junger Mann, den sie mit dem Namen: Dichter! beehrten, und der, der neuesten Schule mit ganzer Seele anhängend, in lauter Sonetten, Kanzonen u.s.w. lebte. Von besonderer Tiefe des Geistes war bei ihm nicht die Rede, seine Gedichte, in südlichen Formen geschrieben, hatten indessen einen gewissen Wohlklang und eine Lieblichkeit des Ausdrucks, wodurch Gemüt und Ohr des Kenners bestochen wurde. Er war, wie die Dichter insgemein sind, und wie man es beinahe von ihnen fordert, sehr verliebter Natur und verehrte von weitem mit Inbrunst und Andacht Cäcilien wie eine Heilige. Ebenso wie der Dichter ließ es sich auch der Musiker, der übrigens viel älter war, angelegen sein, ihr ganz im Geist der Chevalerie den Hof zu machen, und es entstand oft zwischen beiden ein komischer Wettstreit, in dem sie sich in tausend kleinen Aufmerksamkeiten und Galanterien überboten. Cäcilia zeichnete beide, die im hohen Grade ausgebildet, all die musikalischen, deklamatorischen und mimischen Spielereien der Dame nur um ihrentwillen duldeten und nur für sie in dem Zirkel lebten, merklich vor all den übrigen jungen Laffen und Gecken, die sie umschwärmten, aus und belohnte ihre ganz absichtslose Galanterie mit einer heitern kindlichen Offenheit, die das Entzücken steigerte, womit sie das Mädchen im Gemüte trugen. Ein freundliches Wort, ein holder Blick diesem zugeworfen, erregte oft bei dem andern eine komische Eifersucht, und es war höchst ergötzlich, wenn sie sich beide wie die Troubadours der alten Zeit auf Lieder und Gesänge herausforderten, die Cäciliens Anmut und Holdseligkeit priesen.

      Ich. Das Bild ist anziehend, und solch ein unschuldiges zartes Verhältnis mit einem kindlichen Gemüt kann dem Künstler nicht anders als wohltun; der Konflikt des Dichters mit dem Musiker hat gewiß gute Werke hervorgebracht.

      Berganza. Hast du nicht bemerkt, mein lieber Freund, daß alle diejenigen Personen, die mit einem trocknen, sterilen Gemüte sich nur das Poetische aneignen, sich selbst und alles, was sich mit ihnen zugetragen und noch zuträgt, für höchst besonders und wunderbar halten?

      Ich. Allerdings! indem sie alles das, was innerhalb der Wände ihres Schneckenhauses vorgeht, für wundervoll halten; weil solchen erleuchteten Personen nichts Gemeines begegnen kann, bleibt ihr Sinn für die göttlichen Wunder der Natur verschlossen.

      Berganza. So hatte auch meine Dame die Torheit, alles was ihr begegnete, höchst sonderbar und ominös zu finden. Selbst ihre Kinder waren unter besondern Umständen und geistigen Beziehungen geboren, und sie gab nicht undeutlich zu verstehen, wie seltsame Kontraste und widrige Elemente sich zu einer besondern Mischung in den Geistern ihrer Kinder vereinigt hätten. Außer Cäcilien hatte sie aber noch drei ältere Söhne, die unbedeutend und stumpf ausgeprägt waren wie gemeine Scheidemünze, und dann ein jüngeres Mädchen, die in allen ihren Äußerungen weder Gemüt noch Verstand zu erkennen gab. Cäcilia war demnach die einzige, die wirklich von der Natur nicht allein mit einem tiefen Sinn für die Kunst, sondern auch mit einem genialen Produktionsvermögen ausgestattet war. Bei einem weniger kindlichen, unbefangenen Gemüte hätte sie aber die Feierlichkeit, mit der die Mutter sie behandelte, und die beständigen Äußerungen, wie in ihr eine Künstlerin geboren sei, wie es noch nie eine gab, leicht überspannen und auf Abwege führen können, von denen wenigstens ein Frauenzimmer nicht so leicht wieder zurückkehrt.

      Ich. Wie, Berganza, du glaubst auch an die Unverbesserlichkeit der Weiber?

      Berganza. Mit ganzer Seele! – Alle verschrobenen, überbildeten oder geistig erstarrten Weiber gehören, wenigstens nach dem fünfundzwanzigsten Jahr, unerbittlich ins ospitale degli incurabili, es ist mit ihnen nichts mehr zu machen. Die Blütezeit der Frauenzimmer ist zugleich ihr eigentliches Leben, in dem sie sich mit nie erschlaffender Kraft doppelt aufgeregt fühlen, alle seine Erscheinungen begierig im Gemüte aufzufassen. – Wie mit glühendem Purpur umsäumt die Jugend alle Gestalten, daß sie wie verklärt dem freudetrunknen Auge erglänzen, und ein ewig bunter Frühling schmückt selbst die Dornenhecken mit süßduftenden Blumen. Nicht besondere Schönheit, nicht ein ungewöhnlicher Verstand, nein! – nur jene Blütezeit, nur irgend etwas, sei es im Äußern oder im Ton der Stimme oder sonst, das nur eine flüchtige Aufmerksamkeit erregen kann, reicht hin, dem Mädchen überall die Verehrung selbst geistreicher Männer zu verschaffen, so daß sie unter älteren ihres Geschlechts wie im Triumphe als die Königin des Festes auftritt. Aber nach dem unglücklichen Wendepunkte verschwinden die schimmernden Farben, und mit einer gewissen Kälte, die in jedem Genuß das Geistig-Schmackhafte tötet, verliert sich auch jene Regsamkeit des Geistes. Keine Frau wird imstande sein, die Tendenzen zu ändern, welche sie in jener goldnen Zeit hatte, die ihr allein das Leben scheint, und war sie damals in Irrtümern des Verstandes oder des Geschmacks befangen, so nimmt sie dieselben ins Grab, verlangte auch der Ton, die Mode der Zeit, sie mühsam zu verleugnen.

      Ich. Es ist gut, Berganza, daß dir nicht Frauenzimmer, die über den Wendepunkt hinaus sind, zuhören, du würdest sonst übles Spiel haben.

      Berganza. Glaube das nicht, mein Freund! – Im Grunde fühlen die Frauenzimmer es selbst, wie in jener Blütezeit sich ihr ganzes Leben konzentriert, denn nur daraus läßt sich die ihnen mit Recht vorgeworfene Torheit erklären, ihr Alter zu verleugnen. Über den Wendepunkt hinaus will keine; sie sträuben und sperren sich; sie kämpfen hartnäckig um das kleinste Plätzchen hinter dem Schlagbaume, der, sind sie hindurch, ihnen das Land voll Wonne und Heiterkeit auf immer verschließt. Drängen nun die jugendlichen Gestalten immer mehr und mehr, und jede in die