in die Küche. »Guck mal, nu bin ich vorne wie die Jungen! Gucke nur!« Pucki strahlte vor Freude.
Als das Kind mit lachenden Augen so vor der Mutter stand, konnte Frau Sandler über diesen neuen Streich nicht böse sein. Dann aber sah sie, daß Pucki sich die blonden Locken über der Stirn kurz weggeschnitten hatte.
»Pucki, was hast du getan!« rief sie.
»Ich habe mich frisiert!«
»Was fällt dir nur ein! Habe ich dir nicht streng verboten, die Schere zu nehmen?«
Die Kleine streckte beide Arme zärtlich nach der Mutter aus. »Weil Onkel Niepel immer so gut ist, wollte Pucki ihm eine Freude machen. – Mutti, gefalle ich dir nicht?«
Was war nun zu tun? Geradezu abscheulich sah das Kind aus. Es würde nichts anderes übrigbleiben, als auch die anderen Ringlein abzuschneiden.
»Eigentlich dürfte ich dich heute nicht zu Tante Niepel lassen. Dich gehen deine Haare gar nichts an, darum hast du dich nicht zu kümmern, du ungezogenes kleines Mädchen!«
»Aber Mutti, das sind doch meine Haare. Meine Hände muß ich auch immerzu waschen. – Na, dann wasch' ich mich in Zukunft nicht mehr.«
»Pucki, wenn du ungezogen bist, telephoniere ich sofort an Tante Niepel, daß sie den Wagen nicht erst schickt.«
»Mutti, Mutti«, jubelte die Kleine, »es rollt draußen! Ätsch, Mutti, das weiße Pferdchen ist schon da!«
Die Kleine stürmte davon. – Richtig, vor dem Forsthaus stand der Wagen mit dem weißen Pferd. Der alte Kutscher nickte dem Kinde freundlich zu.
»Heb mich schnell 'rein und fahr ganz fix ab.«
»Warum denn heute so schnell, kleines Ding?«
»Weil sie nicht will, daß ich hinkomme. – Bitte, heb' mich in den Wagen.«
»Da will ich zuerst mal hören, was los ist«, meinte der alte treue Kutscher lachend.
Schon trat Frau Sandler aus der Haustür. Pucki sah sorgenvoll auf die Mutter, hielt beide Händchen über den Kopf und sagte zärtlich:
»Mutti, wenn ich so mache, sieht man es nicht. – Nu können wir fahren!«
»Gut, Pucki, so wirst du mit dem abgeschnittenen Haar fahren. Mögen sie dich bei Niepels auslachen. Dort wird man dir sagen, wie unartig du warst.«
»Mutti, sie lachen nicht, sie freuen sich.«
»Wolltest du Tante Niepel nicht aus dem Garten ein paar Blumen mitnehmen? Du weißt, sie hat heute Geburtstag.«
»Darf ich die Blumen abpflücken?«
»Das darfst du, ich werde mitkommen und dir sagen, was du nehmen kannst.«
Es wurde ein schöner Strauß Tulpen für Frau Niepel abgeschnitten. Dann bestieg Pucki den Wagen, nachdem sie das Pferdchen geliebkost hatte. Jubelnd ging es dem Niepelschen Gutshause entgegen.
»Fahre ein bißchen fix, sonst essen mir die Jungen alle Torte und Schlagsahne weg, und ich freue mich doch so darauf.«
»Es gibt nicht eher etwas, als bis du da bist.«
Pucki hüpfte vergnügt auf dem Sitz hin und her. »Ich eß ganz doll, bis ich nicht mehr kann.«
Die drei Knaben empfingen Pucki mit lautem Geschrei. Paul, der noch nicht ganz sicher auf den Füßen war, doch immerhin schon wieder leidlich laufen konnte, blies mehrfach auf der Trompete, zum Zeichen, daß Pucki eingetroffen war.
»Die dummen großen Leute sind noch nicht da, doch wir bekommen schon vorher zu essen.«
Pucki sprang mit den Knaben davon.
»He – holla, Hedi«, rief der Kutscher.
»Was willste denn schon wieder?«
»Im Wagen liegen die Tulpen, was soll damit geschehen?«
»Ach so, die habe ich vergessen.«
»Was hast du denn mit den Haaren gemacht?« forschte Walter, »du stehst ja so ulkig aus?«
»Schön bist du nicht«, meinte Paul.
Pucki war recht enttäuscht. Und als Fritz sogar über die abgeschnittenen Haare laut lachte, verzog sie das Gesicht.
Nun ging es zuerst zu Tante Niepel, um ihr zu gratulieren und ihr die Tulpen zu überreichen. Auch Frau Niepel war über das Aussehen des Kindes entsetzt.
»Aber Pucki, so etwas darfst du doch nicht machen!«
»Ich wollte doch dem Onkel Niepel gefallen.«
Aber dem Onkel gefiel sie auch nicht. Er lachte schallend, als er den halb abgeschorenen Kopf sah.
»Na, setze dir nur den Hut auf, dann sieht man es nicht«, scherzte er.
Pucki war sehr niedergeschlagen, griff im Flur nach einer der Kindermützen und zog sie über die Ohren. Zwar wurde sie anfangs von den Knaben kräftig ausgelacht, als es dann aber zum Essen ging, als wirklich eine schöne Torte und Schlagsahne vorgesetzt wurde, waren Puckis Haare vergessen.
Es schmeckte den Kindern herrlich.
»Aber Hedi«, mahnte das Kinderfräulein, »du wirst ja krank, wenn du so viel ißt. Dein Bäuchlein muß doch schon ganz voll sein.«
»Ich hab' mir heute 'nen zweiten Bauch mitgebracht, in den kann ich noch viel stopfen.«
Endlich ging es wirklich nicht mehr.
»Jetzt sitzt es bis hier ganz oben«, meint das Kind und zeigte nach dem Hals. »Schade, es ist noch so viel da.«
»Ich denke, wir gehen nun hinaus in den Garten und spielen zusammen.«
»Aber dich brauchen wir nicht«, meinte Paul. »Ohne dich, Fräulein Irma, spielt es sich viel schöner.«
»Ich wollte so gerne mitmachen.«
»Na, dann laßt sie nur«, sagte Pucki, »wir spielen jetzt Jahrmarkt. Ich bin der Affe, du der Mann mit dem Leierkasten und du – Fräulein, du bist die Frau, die mir immerzu den Zucker reicht.«
»Ich will der Affe sein«, rief Walter.
»Zucker bekommst du doch nicht«, ereiferte sich Paul.
»Ich bin der Affe«, beharrte Pucki energisch, setzte sich auf einen Gartenstuhl und streckte die Hand aus.
»Ich weiß etwas besseres«, sagte das Kinderfräulein. »Wir wollen ein Kreisspiel machen oder Verstecken spielen.«
»Nein, wir wollen Hochzeit spielen«, meinte Hedi, »wie auf dem Bild zu Hause, das ich gesehen habe. Die Frau mit 'nem weißen Kleid und 'nem Schleier und der Mann mit einem Hut.«
»Ach ja, wir wollen Hochzeit spielen«, jubelten die drei.
»Ich muß aber einen Schleier haben«, meinte Hedi.
Erst überlegten die Kinder, dann rief Paul, indem er davoneilte: »Ich hole einen!«
Vor zwei Tagen war bei Niepels Wäsche gewesen, Paul hatte gesehen, daß die Gardinen geplättet wurden. Das war ein feiner Schleier. Oben in der Kammer lag ein großer Stoß solcher durchsichtigen Dinger. Davon konnte er einen holen.
In der Kammer zerrte er aus dem Stoß eine Gardine heraus. Sie war viel zu lang als Schleier. Er nahm eine zweite, eine dritte, warf sie achtlos auf den Fußboden und fand schließlich eine Scheibengardine, die sich vorzüglich eignete. Strahlend kehrte er damit zurück.
Das Kinderfräulein betrachtete die Gardine forschend.
»Wer hat dir das gegeben?«
»Es ist alles in Ordnung, du brauchst nicht immerzu dazwischen zu reden, Fräulein Irma.«
Die Gardine wurde Pucki über das Gesicht gehängt.
»Jetzt heirate ich«, sagte sie. »Komm, Fritz!«