Alfred Wegener

Die Entstehung der Kontinente und Ozeane (Illustriert)


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bringt sie teilweise mit den großen tertiären Faltungssystemen in Zusammenhang. Für die Lostrennung Grönlands von Nordamerika kommt er zur gleichen Vorstellung wie die Verschiebungstheorie. Beim Atlantik nimmt er jedoch an, daß nur ein Teil seiner Breite durch Fortziehen der amerikanischen Schollen entstanden sei, während der Rest abgesunken sei und die mittelatlantische Bodenschwelle darstelle. Er sieht in der „Polflucht“ des Landes das gestaltende Prinzip für die Anordnung der großen Gebirgsketten auf der Erde und begegnet sich dabei mit Kreichgauer. Die Verschiebung von Kontinenten spielt bei ihm eine untergeordnete Rolle und wird nur sehr kurz begründet.

      Als Geophysiker lernte ich diese Arbeiten naturgemäß erst kennen, als ich mich bei der Ausarbeitung der Verschiebungstheorie in der geologischen Literatur umsah. Die erste Idee der Kontinentalverschiebungen kam mir einst bei Betrachtung der Weltkarte unter dem unmittelbaren Eindruck von der Parallelität der atlantischen Küsten. Erst nach Jahr und Tag, als ich zufällig mit den paläontologischen Ergebnissen über frühere Landverbindungen im Süd- und Nordatlantik bekannt wurde, entschloß ich mich, die in Betracht kommenden Wissenschaften systematisch auf die Wahrscheinlichkeit solcher großen Verschiebungen zu durchmustern. 1912 erfolgten die ersten beiden Veröffentlichungen der Verschiebungstheorie 28, denen 1915 die ausführlichere Darstellung in der ersten Auflage dieser Arbeit folgte.

      Zweites Kapitel.

       Die Natur der Tiefseeböden

       Inhaltsverzeichnis

      Fig. 2.

Kontinentalrand

      Schematischer Querschnitt durch

       einen Kontinentalrand.

       Die Theorie von der Verschiebung der Kontinente findet ihre tiefere physikalische Begründung erst durch eine neue Auffassung über die Natur der Tiefseeböden, die wir in dem Satz formulieren können: Die Tiefseeböden sind nicht Teile der Lithosphäre, sondern bestehen bereits aus dem schwereren Material der Barysphäre. Die oberste Erdhaut, die Lithosphäre, soll also nicht mehr die ganze Erde umspannen, sondern in Gestalt der Kontinentalschollen nur noch etwa ein Drittel der Erdoberfläche bedecken, während auf den übrigen zwei Dritteln der Erdoberfläche bereits die Barysphäre entblößt ist. Fig. 2 zeigt schematisch einen Vertikalschnitt durch einen Kontinentalrand nach der neuen Anschauung.

      Der entscheidende Grund für die Richtigkeit dieser neuen Annahme ist die Existenz eines doppelten Häufigkeitsmaximums in den Höhenstufen der Erdrinde. Aus der Statistik dieser Höhenstufen geht mit außerordentlicher Deutlichkeit hervor, daß die ganze Erdoberfläche in zwei um rund 5000 m verschiedenen Niveauflächen angeordnet ist, die abwechselnd nebeneinander vorkommen und uns als Oberflächen der Kontinente und Tiefseeböden entgegentreten. Die bekannte „hypsometrische Kurve der Erdoberfläche“ (Fig. 3) gibt ein anschauliches Bild davon. Zahlenmäßig stellt sich die Häufigkeit folgendermaßen 29:

Häufigkeit der Höhen und Tiefen

Tiefe Höhe
unter 7 6–7 5–6 4–5 3–4 2–3 1–2 0–1 0–1 1–2 2–3 3–4 über 4 km
0,2 0,7 2,1 36,0 13,0 6,5 4,0 9,2 22,3 4,0 1,0 0,5 0,5 Proz.

       Das mittlere Krustenniveau, das bei 2,3 km Tiefe liegt, kommt also nur selten vor, und es bestehen zwei Häufigkeitsmaxima für die Höhen 0–1 km und die Tiefen 4–5 km; auf diese beiden Abschnitte entfallen allein fast 60 Proz. der gesamten Erdoberfläche. Wir können die Lage der Maxima noch genauer ermitteln, wenn wir innerhalb ihrer Stufen noch Unterstufen bilden. Es ergibt sich dabei:

4,8–5 4,6–4,8 4,4–4,6 4,2–4,4 4,0–4,2 km Tiefe
9,4 12,1 6,0 4,7 3,8 Proz.

       und

-0,2–0 0–0,2 0,2–0,4 0,4–0,6 0,6–0,8 0,8–1,0 km Höhe
6,0 10,0 5,2 3,2 2,1 1,8 Proz.
Hypsometrische Kurve

      Hypsometrische Kurve der Erdoberfläche, nach Krümmel.

       Die beiden Maxima liegen also bei einer Tiefe von etwa 4700 m und einer Erhebung von etwa 100 m. Bei der großen Wichtigkeit, welche der Gegenstand besitzt, seien diese Verhältnisse nochmals in anderer Weise in Fig. 4 veranschaulicht. Die als Abszissen dienenden Prozentzahlen beziehen sich auf Höhenstufen von 100 m Dicke. Bei diesen Zahlen ist noch zu beachten, daß mit der Zunahme der Lotungen der Steilabfall vom Kontinental- oder Schelfrand zur Tiefsee sich immer schroffer zeigt, wie jeder Vergleich älterer Tiefenkarten mit den neuen von Groll 30 entworfenen zeigt. Es ist daher zu erwarten, daß die beiden Häufigkeitsmaxima sich in Zukunft als noch steiler herausstellen werden, als sie es nach den bisher vorliegenden Beobachtungen tun.

Häufigkeitsmaxima der Höhen

      Die beiden Häufigkeitsmaxima der Höhen.

       Auf dem ganzen Gebiet der Geophysik gibt es wohl kaum eine zweite Erscheinung, die ein so klares Gesetz erkennen läßt wie diese Höhenstatistik