Isabella Ackerl

Die bedeutendsten Österreicher


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Haus in Hampstead, in dem Freud ein Jahr später verstarb. Unmittelbar nach ihrem Eintreffen in London wurden Vater und Tochter in die Britische Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen. Nach dem Tod des Vaters wurde Anna Freud zur Testamentsvollstreckerin des Vaters.

      1940 gründete Anna Freud das Kriegskinderheim Hampstead Nurseries, um für ihr Gastland Großbritannien in der schweren Kriegssituation einen Beitrag zu leisten. In dieser Kinderkolonie wurden etwa 80 Kriegswaisen betreut. Nach dem Krieg kümmerte sich Anna zunächst um Waisenkinder aus dem KZ Theresienstadt. 1947 wurde daraus ein Ausbildungszentrum für Kinderanalyse. In diese Institutionen brachte Anna ihre gesamten Kenntnisse und all ihre Energie ein. Von London aus baute sie die Psychoanalytische Vereinigung wieder auf und knüpfte an alle alten Kontakte an, um die Lehren des Vaters weltweit zu verbreiten. 1965 wurde Anna Freud mit dem Titel Commander of the Order of the British Empire ausgezeichnet. Sie unternahm zahlreiche Vortragsreisen und beteiligte sich an internationalen Kongressen. Vor allem in den USA gibt es viele bedingungslose Anhänger des Freudschen Denkgebäudes.

      Obgleich sie einen großartigen und wesentlichen Beitrag zur Kinderanalyse leistete, hatte Anna Freud selbst keine Kinder. Der Vater war und blieb die dominierende Persönlichkeit in ihrem Leben. An eine Eheschließung hatte sie nie gedacht. Anna Freuds Leben beherrschten ein Mann, ihr Vater und eine Reihe von Frauen, darunter ältere Vorbilder wie Lou Andreas-Salomé und Marie Bonaparte, ihre Lebenspartnerin Dorothy Burlingham, sowie die engen Freundinnen und Fachkolleginnen Jeanne Lampl-de Groot und Marianne Rie-Kris. Nach Österreich kehrte sie erst im Jahr 1971 anlässlich der Teilnahme am 27. Psychoanalytischen Kongress in Wien zurück. Sie hielt dort einen Vortrag in englischer Sprache.

      Anna Freud, die sich bis zu ihrem Lebensende für ihre Kinderklinik einsetzte, starb, nachdem sie im Frühjahr 1982 einen Schlaganfall erlitten hatte, am 9. Oktober desselben Jahres in London. Sie hatte wesentliche Charakterzüge ihres Vaters geerbt: wie er war sie sehr genau, sehr pünktlich und sorgfältig. Im Umgang mit Menschen generell distanziert, ließen beide nur wenige Menschen nahe an sich heran. Am Anfang ihrer Karriere und solange der Vater lebte, stand sie immer in seinem Schatten, was wohl daran liegen mochte, dass sie nicht akademisch ausgebildet, sondern nur beim Vater in die Lehre gegangen war. Sie verhielt sich daher in allen Gremien äußerst scheu und zurückhaltend. So ambivalent der Vater seine emotionalen Stimmungen lebte, so konstant erscheint dagegen die Tochter in ihrer Lebensführung: Weder war sie eitel wie ihr Vater, noch besaß sie sein Savoir vivre, war im Gegenteil äußerst asketisch und auch nicht fähig, wie er ihr Leben in der Spannweite zwischen intensivster Arbeit und exzessiver Freizeit zu leben. Ihr Arbeitsdrang kam nie zur Ruhe, sie soll sogar beim Zuhören geradezu manisch mit Stricken beschäftigt gewesen sein. Schon in Hochrotherd und später im englischen Walberswick pflegte sie ihren Garten leidenschaftlich. Sie las viel, liebte Rainer Maria Rilke und war von der Musik von Richard Wagner und Gustav Mahler begeistert. Anna Freud war kein religiöser Mensch, sie glaubte jedoch an Gerechtigkeit.

      Drei Abhandlungen zur Sexualtherapie (1905), Der Witz und seine Beziehung zum Unterbewusstsein (1905), Totem und Tabu (1913), Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1917), Jenseits des Lustprinzips (1919), Das Ich und das Es (1923), Das Unbehagen in der Kultur (1930), Der Mann Moses und die monotheistische Religion (1939).

      Einführung in die Technik der Kinderanalyse (1927); Einführung in die Psychoanalyse für Pädagogen (1930); Das Ich und die Abwehrmechanismen (1936); Kriegskinder (1942, deutsch 1949); Anstaltskinder (1942, deutsch 1950); Normality and Pathology in Childhood. Assessments of Development (1965), dt.: Wege und Irrwege in der Kinderentwicklung (1968); Jenseits des Kindeswohles (1974); Diesseits des Kindeswohles (1979); In the best Interest of the Child (posthum 1985).

      Julius Wagner-Jauregg

      * 7. März 1857 Wels, † 27. September 1940 Wien

      Neurologe und Psychiater

      Der Sohn eines Juristen und Finanzrates wurde noch während des Medizinstudiums Assistent bei dem österreichischen Pathologen und Histologen Professor Salomon Stricker in allgemeiner und experimenteller Pathologie. 1883 nahm Wagner-Jauregg eine frei werdende Stelle in der psychiatrischen Klinik in Wien an. Bereits 1885 wurde er habilitiert. Zwei Jahre später übernahm er die Leitung der Klinik von Max Leidesdorf. Zwischen den Jahren 1889 und 1893 hatte er eine außerordentliche Professur für Nerven- und Geisteskrankheiten in Graz inne. 1893 kehrte er als Ordinarius und Klinikdirektor nach Wien zurück. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1928 wirkte er an der Wiener Psychiatrischen Klinik.

      Wagner-Jaureggs erfolgreiche Versuche, die durch Syphilis hervorgerufene progressive Paralyse mit einer künstlich herbeigeführten Malariainfektion zu bekämpfen, beruhten auf Beobachtungen, über die bereits Hippokrates berichtete. Bereits 1887 begann er mit ersten Experimenten mit Tuberkulosebakterien. Erst dreißig Jahre später stellte sich jedoch ein durchschlagender Erfolg ein, nachdem er einem Patienten das Blut eines Tertiana-Malariakranken injiziert hatte. Andere Versuche mit Malaria tropica gingen hingegen tödlich aus, weswegen der Österreicher schweren Anschuldigungen ausgesetzt wurde. Letzten Endes etablierte sich die Malaria-Impfung jedoch als die klassische Therapie für Paralyse und andere schwere Psychosen und trug dem Wiener Neurologen 1927 den Nobelpreis für Medizin ein. Damit ist er der einzige Psychiater, dem der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Durch die Anwendung der neu entdeckten Antibiotika in den 1940er Jahren wurden seine Forschungsergebnisse allerdings obsolet.

      Wagner-Jauregg beschäftigte sich darüber hinaus mit der Schilddrüsenerkrankung des Kretinismus, die infolge von Jodmangel Entwicklungsstörungen des Skelett- und Nervensystems hervorruft. Als Vorbeugung initiierte er die Trinkwasserjodierung, die heutzutage noch immer üblich ist. Auch war der Neurologe vielfach als Gerichtssachverständiger in Fragen der Zurechnungsfähigkeit von Straftätern im Einsatz.

      An der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert wurde Wagner-Jauregg wegen seiner rassehygienischen Ansichten vermehrt angegriffen, eine Aberkennung des Ehrengrabes der Stadt Wien bzw. eine erläuternde Ergänzungstafel zu seiner Büste im Arkadenhof der Wiener Universität werden erwogen.

      Carl Auer von Welsbach

      * 1. September 1858 Wien, † 4. August 1929 Schloss Welsbach bei Mölbling (Kärnten)

      Chemiker

      Der Sohn eines Buchdruckers und Direktors der Staatsdruckerei, der eine automatische Kupferdruckpresse, eine Schnellpresse und den Naturselbstdruck erfand, studierte in Wien und Heidelberg Chemie bei Robert Wilhelm Bunsen. Nach seiner Promotion im Jahr 1882 kehrte er nach Wien zurück und arbeitete am Chemischen Institut bei Professor Adolf Lieben, einem Pionier der organischen Chemie. In Liebens Institut beschäftigte sich Auer vorwiegend mit den so genannten »Metallen der Seltenen Erden« – chemischen Elementen der 3. Gruppe des Periodensystems (mit Ausnahme des Actiniums) und Lanthanoiden. Er zerlegte den bis dahin als Didym bekannten Stoff in die Elemente Neodym und Praseodym. Bei Verbrennungsvorgängen mit Seltenen Erden entdeckte er deren starke Leuchtkraft.

      1891 erfand Auer den Gasglühstrumpf, der eine neue Ära in der Geschichte der Beleuchtung einleitete. Am 4. November 1891 erprobte er den Glühkörper erstmals im Wiener Operncafé. Auers Glühlampen zeichneten sich durch eine viel stärkere Leuchtkraft als Kerzen, Kienspan oder Gaslampen aus. Ab 1892 wurde der so genannte »Auerstrumpf« maschinell erzeugt. Mit den Gewinnen aus der industriellen Produktion konnte Auer