Isabella Ackerl

Die bedeutendsten Österreicher


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wieder nahegebracht.

      Der jüngste Bruder Eduard, der interessanterweise als einziges Familienmitglied seinen Nachnamen mit »ß«, anstatt mit doppeltem »s« schrieb, studierte Harfe und Musiktheorie und spielte anfangs im Orchester seines Bruders. Nach dem Tod von Josef Strauss übernahm er die Orchesterdirigate. Von seinen zu Schlagern gewordenen Kompositionen sind Titel wie Wein, Weib und Gesang oder Morgenblätter aus Wiener Ballsälen nicht wegzudenken. Eduard war sehr reisefreudig und unternahm mit dem Orchester zahlreiche Gastspielreisen. So soll er in insgesamt 840 Städten in Europa und in Übersee Konzerte gegeben haben. 1882 wurde ihm die Funktion des Hofball-Musikdirektors übertragen, die sein Bruder Johann bereits 1871 abgegeben hatte. Er übte dieses Amt bis 1901 aus, dann zog er sich aus dem öffentlichen Musikleben zurück. Eduard war mit Maria Klenkhart verheiratet, aus dieser Ehe stammten zwei Söhne, Johann Strauss Enkel (1866–1939) und Josef Eduard Strauss (1868–1940), ersterer widmete sich ebenfalls der Musik. Deren Nachkommen leben heute noch in Wien.

      War Johann Strauss Vater noch ein populärer Volksmusiker, könnte man bei seinem Sohn in der Diktion unserer Tage von einem »Popidol« sprechen. Johann Strauss Sohn stilisierte sich zur Musikikone, sein unstetes Privatleben lieferte immer wieder öffentlichen Gesprächsstoff. Jedenfalls baute die Familie Strauss in zwei Generationen einen Musikkonzern auf, der damals seinesgleichen suchte. Doch nicht nur der bekannteste Repräsentant der Strauss-Dynastie beherrschte die Kunst der Stilisierung: in nur zwei Generationen baute Österreichs bedeutendste Komponisten-Familie einen Musikkonzern auf, der damals seinesgleichen suchte.

      Ignaz Philipp Semmelweis

      * 1. Juli 1818 Ofen (heute Budapest), † 13. August 1865 Oberdöbling (heute Wien)

      Arzt

      Semmelweis wurde als Sohn eines Kaufmannes in Ofen geboren. Nach Besuch des Piaristengymnasiums studierte er an der Universität in Pest (heute ebenfalls Budapest). 1837 kam er nach Wien, um Jura zu studieren, wechselte aber ein Jahr später das Fach und nahm ein Medizinstudium auf. Nach seiner 1844 erfolgenden Promotion arbeitete er als Arzt im Allgemeinen Krankenhaus und an der pathologischen Anatomie. Zwei Jahre später wechselte er als Assistenzarzt in die Abteilung Geburtshilfe. Zu dieser Zeit lag die postnatale Sterblichkeitsrate durch Kindbettfieber zwischen 5 und 15 %, teilweise sogar bei 30 %. Die Geburt von Kindern stellte folglich ein großes Risiko dar.

      Semmelweis entdeckte durch Beobachtungen, dass in jenen Orten, in denen Studenten und Ärzte sowohl in der Pathologie als auch in der Geburtshilfe tätig waren, die Sterblichkeit höher war, als in den Abteilungen, in denen ausschließlich Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden, die nicht in der Pathologie arbeiteten. Daher untersuchte Semmelweis die Mütter noch gründlicher, was jedoch zu einem weiteren Anstieg der Todesfälle führte. Erst der Todesfall eines anderen Mediziners, der sich bei einer Leichensektion verletzt hatte und an Blutvergiftung starb, brachte Semmelweis auf die Ursache: Ärzte und Studenten sezierten täglich die an Kindbettfieber verstorbenen Frauen und gingen unmittelbar danach zu weiteren Geburten, ohne zwischendurch ihre Hände zu desinfizieren. Daher instruierte Semmelweis seine Studenten, sich nach den Leichensektionen mit Chlorkalk zu desinfizieren, wodurch die Todesrate merklich sank. Semmelweis entdeckte darüber hinaus, dass nicht allein die Leichensektion, sondern bereits der Kontakt mit anderen septischen Patienten zu Ansteckungen führen kann. Daher verlangte er von seinen Mitarbeitern, sich nach jeder Untersuchung zu desinfizieren. Der Erfolg war groß, die Sterblichkeitsrate sank auf 1,3 %. Doch die Anerkennung für seine Entdeckung blieb ihm verwehrt. Die konservativen Kollegen machten nicht die fehlende Sauberkeit sondern »Miasmen« für das Kindbettfieber verantwortlich.

      1849 wurde Semmelweis Assistenzstelle nicht verlängert, da die Kollegenschaft mehrheitlich gegen ihn stimmte. Nur der Internist Josef Skoda soll sich auf seine Seite gestellt haben, jedoch überstimmt worden sein. Semmelweis reagierte mit Empörung und heftigen Anwürfen gegen die Kollegen, wurde sogar ausfallend und nannte sie Mörder vor Gott und der Welt. Offenkundig trug dieses Verhalten nicht zu einer Entspannung seiner misslichen Lage bei und zu alldem erschwerend hinzu trat die Tatsache, dass die Einsetzung einer Untersuchungskommission über seine Ergebnisse von seinen Kollegen verhindert wurde. Der Arzt verließ Wien daraufhin voller Wut und ging an die Universitätsklinik in Pest, die heute seinen Namen trägt. Auch in Ungarn fand er kaum Unterstützung, denn Hygienemaßnahmen wurden als Zeitverschwendung betrachtet. Semmelweis verfasste in Reaktion darauf polemische offene Briefe, in denen er an seinen Kollegen kein gutes Haar ließ. 1865 eskalierte die Situation in Budapest: Semmelweis erkrankte psychisch und wurde durch den Antrag von Kollegen in die Irrenanstalt in Oberdöbling eingeliefert. Zwei Wochen nach seiner Einweisung starb er an einer Blutvergiftung. Er wurde in Budapest beigesetzt.

      Semmelweis Bedeutung wurde lange nicht erkannt, erst in den 1880er Jahren setzte die öffentliche Anerkennung langsam ein und es begannen dramatische Gerüchte um seinen frühen Tod zu kursieren, die von verweigerter Hilfeleistung bis zu seiner Ermordung reichten. Tatsächlich wurde erst ein Jahrhundert später entdeckt, dass Semmelweis lange vor seinem Tod an Syphilis litt, eine Krankheit, die bei Frauenärzten vielfach aus ihrer beruflichen Tätigkeit und nicht aus einem ausschweifenden Lebenswandel resultierte. Obwohl die damalige Diagnose »Blutvergiftung infolge eines Abszesses« korrekt war, befand sich seine Paralyse unmittelbar vor seinem Tod bereits in einem sehr fortgeschrittenen Stadium, was auch seine hohe Aggressivität und die starken Stimmungsschwankungen erklären.

      Gregor Mendel

      * 20. Juli 1822 Heinzendorf (heute Vražné, Österreichisch-Schlesien), † 6. Januar 1884 Brünn

      Naturforscher und Pionier der Vererbungslehre

      Der Kleinbauernsohn half schon im elterlichen Garten bei der Veredelung von Obstbäumen. Wegen seiner guten Schulerfolge durfte er das Gymnasium in Troppau besuchen; in den Oberklassen musste er sich dort seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer verdienen. Da seine jüngere Schwester zu seinen Gunsten auf ihr Erbteil verzichtete, konnte er drei Jahre die Universität in Olmütz besuchen. Doch dann musste er mangels irgendeines Unterhalts sein Studium abbrechen. Mendel entschloss sich, Mönch zu werden, und trat in die Augustinerabtei St. Thomas in Brünn ein. Zwischen 1845 und 1848 studierte er Theologie und Landwirtschaft in Brünn. 1847 erfolgte seine Priesterweihe. Seine Ordensoberen erkannten rasch seine wissenschaftliche Neigung und Begabung und setzten ihn als Hilfslehrer am Gymnasium ein. Da er die Lehramtsprüfung für Naturgeschichte und Physik nicht bestand, erlaubte ihm der Orden, diese Fächer ihn Wien zu studieren. Er studierte Experimentelle Physik bei Christian Doppler (→ siehe dort) und Pflanzenphysiologie bei Franz Unger. Ab 1854 wurde er wieder als Lehrer in Brünn eingesetzt. 1856 scheiterte er aber aus unbekannten Gründen noch einmal an der Lehramtsprüfung.

      Unterstützt von seinem Abt Cyrill Franz Napp, der an der Naturwissenschaft, speziell am Obstbau, sehr interessiert war, begann er im Klostergarten mit seinen systematischen Experimenten mit Erbsen. Seine Kreuzungen mit Erbsen hatte er sorgfältig geplant. Er unterschied die Pflanzen nach Blütenfarbe bzw. nach Samenfarbe und -form. Er kreuzte die Sorten, indem er Pollen der einen Sorte auf die Narben der anderen Sorte aufbrachte, wobei er eine Fremdbestäubung durch Entfernung der Staubblätter und Verhüllung der Blüten verhinderte. Er unternahm 335 künstliche Befruchtungen und konnte aus den fast 13.000 entstandenen Pflanzen eine nach klaren Regeln verlaufende Vererbung der Merkmale beweisen. Innerhalb von acht Jahren zog er insgesamt 28.000 Erbsenpflanzen, die ihn zu drei allgemeinen Gesetzen führten, die heute als Mendel’sche Regeln bekannt sind. Er entdeckte das Uniformitätsgesetz, das Spaltungsgesetz und die Unabhängigkeitsregel.

      Seine Forschungen präsentierte Mendel erstmals in einem Vortrag im Februar und im März 1865 im Naturforschenden Verein in Brünn. 1866 publizierte er »Versuche über Pflanzenhybriden« und 1870 einen Artikel mit dem Titel »Über einige aus künstlicher Befruchtung gewonnene Hieracium-Bastarde«. Die Rezeption seiner Entdeckungen fiel mager aus. Vermutlich waren seine Erkenntnisse für die damalige Zeit zu revolutionär. Sein Artikel wurde kaum gelesen, selbst der damals bedeutende Botaniker Carl Nägeli, dem Mendel ein Exemplar übersandt hatte und mit dem er eine längere Korrespondenz führte, erkannte nicht die Bedeutung von Mendels Forschungsergebnissen.