die Städte Pitom und Ramses als Vorratslager bauen.
Ex 1,11
Aus den biblischen Berichten erwächst der Eindruck, die hebräische Gruppe der Israeliten wäre von den Ägyptern nicht nur kurzzeitig für Fronarbeiten herangezogen worden. Vielmehr hätten die Ägypter das ganze Volk versklavt und in weiterer Folge durch die Tötung der männlichen Neugeborenen auszurotten versucht.
Je mehr man sie aber unter Druck hielt, umso stärker vermehrten sie sich und breiteten sie sich aus, sodass die Ägypter vor ihnen das Grauen packte. Daher gingen sie hart gegen die Israeliten vor und machten sie zu Sklaven. Sie machten ihnen das Leben schwer durch harte Arbeit mit Lehm und Ziegeln und durch alle möglichen Arbeiten auf den Feldern. So wurden die Israeliten zu harter Sklavenarbeit gezwungen.
Ex 1,12–14
Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die versklavten Israeliten bereits den Gott Jahwe verehrten. In der Bibel gibt es zahlreiche Anmerkungen darüber, dass alle Völker grundsätzlich ihre eigenen Gottheiten anbeteten:
Ich bin der Herr, euer Gott. Fürchtet nicht die Götter der Amoriter, in deren Land ihr wohnt.
Ri 6,10
Möglicherweise lernte Mose erst bei den Midianitern, zu denen er nach der Ermordung des ägyptischen Aufsehers floh (siehe unten), die Jahwe-Verehrung kennen. Vor allem der Bericht von der Götzenanbetung der Israeliten lässt den Schluss zu, die Israeliten hätten vor Mose keinen Eingottglauben gehabt, sondern pflegten ebenso wie andere Völker uralte vormosaische Kulte wie Toten- und Ahnenkulte, Tierkulte, Steinkulte, Baum-, Quell- und Astralkulte usw. (Mensching, S. 19).
Der ägyptische Pharao war ein Monarch von menschlicher und göttlicher Natur. Obwohl eine sterbliche Person, erfüllte er laut Glauben seines Volkes den Willen der Götter und hatte ebenso die Aufgabe, für die Erfüllung ihres Willens auf Erden zu sorgen. Neben der göttlichen Verehrung des Pharao existierte für die Ägypter auch eine vielfältige Götterwelt. Re, Isis, Osiris, Ptah u. a. wurden im ganzen Land verehrt, andere wiederum nur lokal. In Ägypten gab es eine „polytheistische Nationalreligion, die es erlaubte, dass andere Götter von anderen Völkern auch in Ägypten verehrt wurden“ (Brunner, Sp. 254). Neben den offiziellen Kulten gab es noch das persönliche Gebetsleben. Dokumente bezeugen sowohl Gebetserhörungen als auch die Vorstellung von göttlichen Strafen in Folge von persönlichen Sünden.
Im Zentrum des Glaubens der alten Ägypter stand der Totenglaube, der in sich nicht einheitlich war. Gleichzeitig bestand die Vorstellung vom Fortleben im Grab (Grabbeigaben), die Gerichtserwartung, jenseitige Trennung der Guten von den Bösen (selige Gefilde versus Hölle) usw. (Brunner, Sp. 256).
Im 13. Jh. v. Chr. gab es in Ägypten also weder homogene Religionsvorstellungen noch eine einheitliche gesellschaftliche Struktur. So lebte gerade das Findelkind Mose in der Spannung, sowohl zum Hause des mächtigen Pharao als auch zum israelitischen Sklavenvolk zu gehören. Die unterschiedlichen religiösen Vorstellungen trugen sicher zur Verstärkung dieser Spannung bei.
Das Leben des Mose
Der Name
Mose ist ein ägyptischer Name, der sowohl als ein Teil von Götternamen als auch als Kurzname bezeugt ist. Als Bestandteil von Königs- oder von Götternamen ist Mose von ms bzw. msj abgeleitet, was soviel wie „erzeugen“ bzw. „gebären“ heißt. Bekannte Pharaonen, die in ihrem Namen diesen Wortteil hatten, waren Thut-mose oder Ra-mses. „Mose“ bzw. „ms“ konnte als Namensbestandteil sowohl aktiv als auch passiv verwendet werden: „der Gott NN hat ihn geboren“ bzw. „der Gott NN ist geboren“ (Zenger, Mose/Moselied…, S. 332). Der biblische Bericht leitet den Namen jedoch vom hebräischen Verb ab. Im Buch Exodus bedeutet der Name Mose aus dem Wasser ziehen:
Die Tochter des Pharao nannte den Knaben Mose und sagte: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.
Ex 2,10
Wahrscheinlich bekam Mose seinen Namen von seinen nichtägyptischen Eltern oder bereits als Kleinkind von seinen ägyptischen Stiefeltern. In letzterem Fall wäre dies ein Hinweis auf die Aufnahme als Sohn (und nicht als Sklave) in die neue Familie. Mose hätte den Namen in späteren Jahren auch selbst wählen oder ihn erst später von den Ägyptern erhalten haben können. Auffallend ist in jedem Fall, dass der für die Israeliten so bedeutende Mann keinen israelitischen Namen hatte.
Die deutsche Transkription des hebräisch überlieferten Namens lautete lange Zeit Moses. Im „Ökumenischen Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien“ ist die deutsche Schreibweise jedoch einheitlich mit Mose festgelegt.
Geburt
Das Buch Exodus berichtet, dass der Pharao aus Angst vor einer zu starken Nachkommenschaft der Israeliten alle neugeborenen Knaben dieses Volkes töten ließ:
Zu den hebräischen Hebammen – die eine hieß Schifra, die andere Pua – sagte der König von Ägypten: Wenn ihr den Hebräerinnen Geburtshilfe leistet, dann achtet auf das Geschlecht! Ist es ein Knabe, so lasst ihn sterben! Ist es ein Mädchen, dann kann es am Leben bleiben. Die Hebammen aber fürchteten Gott und taten nicht, was ihnen der König von Ägypten gesagt hatte, sondern ließen die Kinder am Leben. Da rief der König von Ägypten die Hebammen zu sich und sagte zu ihnen: Warum tut ihr das und lasst die Kinder am Leben? Die Hebammen antworteten dem Pharao: Bei den hebräischen Frauen ist es nicht wie bei den Ägypterinnen, sondern wie bei den Tieren: Wenn die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie schon geboren. Gott verhalf den Hebammen zu Glück; das Volk aber vermehrte sich weiter und wurde sehr stark. Weil die Hebammen Gott fürchteten, schenkte er ihnen Kindersegen. Daher gab der Pharao seinem ganzen Volk den Befehl: Alle Knaben, die den Hebräern geboren werden, werft in den Nil! Die Mädchen dürft ihr alle am Leben lassen.
Ex 1,15–22
Die Historizität dieser Erzählung ist nicht erwiesen. Vielmehr geht man heute davon aus, dass es sich um eine Übernahme eines in der Literatur oft bezeugten Helden- und Sagenmotivs handelt. Im Kontext des Buches Exodus ist der Bericht vom Kindesmord nämlich der notwendige Vorspann zur eigentlichen Geburtserzählung, die in der wunderbaren Errettung des Mose gipfelt. So betitelt beispielsweise Lehmann in seiner Mosebiografie das Geburtskapitel mit Das Märchen vom Schilfkörbchen (Lehmann, S. 25).
In der Tat liegen zahlreiche Berichte von historischen Personen wie auch von Legenden- und Märchengestalten vor, in welchen das Leben des Helden schon vor der Geburt oder im Säuglingsalter bedroht ist, er dann aber doch eine wundersame Rettung erfährt. Exemplarisch sei hier der von Herodes befohlene Kindermord in Betlehem (Mt 2,16–18) genannt, von dem Jesus von Nazaret verschont blieb.
Der zweite Teil der in der Bibel überlieferten Kindheitsgeschichte des Mose beginnt damit, dass Jochebed, die Mutter des Mose, schwanger wurde und einen Sohn gebar.
Weil sie sah, dass es ein schönes Kind war, verbarg sie es drei Monate lang. Als sie es nicht mehr verborgen halten konnte, nahm sie ein Binsenkästchen, dichtete es mit Pech und Teer ab, legte den Knaben hinein und setzte ihn am Nilufer im Schilf aus. Seine Schwester blieb in der Nähe stehen, um zu sehen, was mit ihm geschehen würde.
Die Tochter des Pharao kam herab, um im Nil zu baden. Ihre Dienerinnen gingen unterdessen am Nilufer auf und ab. Auf einmal sah sie im Schilf das Kästchen und ließ es durch ihre Magd holen. Als sie es öffnete und hineinsah, lag ein weinendes Kind darin. Sie bekam Mitleid mit ihm, und sie sagte: Das ist ein Hebräerkind. Da sagte seine Schwester zur Tochter des Pharao: Soll ich zu den Hebräerinnen gehen und dir eine Amme rufen, damit sie dir das Kind stillt? Die Tochter des Pharao antwortete ihr: Ja, geh! Das Mädchen ging und rief die Mutter des Knaben herbei. Die Tochter des Pharao sagte zu ihr: Nimm das Kind mit und still es mir! Ich werde dich dafür entlohnen. Die Frau nahm das Kind zu sich und stillte es. Als der Knabe größer geworden war, brachte