Roland Zingerle

Starmord am Wörthersee


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vertonte sein Kopfschütteln: „Nein.“

      Der Landesdirektor forschte in den Augen des Detektivs und schien irritiert darüber, was er in ihnen sah. „Na gut, dann werde ich Ihnen das Einmaleins vorbeten, wenn es denn sein muss.“

      Sein Versuch, Heinz als begriffsstutzig hinzustellen, beeindruckte diesen nicht im Geringsten.

      „Frank Mertens hat die Wörthersee-Events über den Drohbrief informiert und deren Chef aufgefordert, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Dieser hat den Ball an mich weitergespielt. Warum? Weil er die Haftpflichtversicherung für die Starnacht bei der Fiducia abgeschlossen hat. Natürlich deckt die Haftpflicht nicht grundsätzlich irgendwelche Attentate auf die Stars ab – über einen blöden Umweg aber möglicherweise doch: Der Veranstalter eines öffentlichen Events haftet nämlich für alle Schäden, die aus eigenem Verschulden entstehen, aber auch aus Verschulden von Erfüllungsgehilfen, von Teilnehmern oder Gästen der Veranstaltung.“ Er schnaubte verächtlich. „Wenn sich der Attentäter also unter die Mitarbeiter oder Gäste mischt und zum Zug kommt, kann es sein, dass die Haftpflichtversicherung schlagend wird. Freilich, das muss im Anlassfall ausjudiziert werden, aber Sie werden verstehen, dass es weder die Wörthersee-Events noch die Fiducia so weit kommen lassen wollen. Mit einem Wort: Ich habe dem Mann versprochen, mich um die Sache zu kümmern, und er hat mir dieses Treffen vorhin vermittelt. Ist Ihnen jetzt klar, was ich von Ihnen erwarte?“

      Der Versicherungsmann starrte Heinz provokativ an, doch dieser antwortete ruhig: „Sie erwarten von mir, dass ich den Drohbriefschreiber ausforsche und dingfest mache. Bis übermorgen natürlich, weil Sie mir nicht so viel Druck geben könnten, wenn Sie mich gestern schon in die Sache eingeweiht hätten.“

      Oberhofer riss überrascht die Augen auf und stammelte einige empörte Silben. Heinz hätte diesen Anblick genossen, wäre er ihm nicht so völlig egal gewesen.

      „Jetzt einmal im Ernst, Sablatnig“, hob der Direktor an, als er sich wieder gefasst hatte, „was ist los mit Ihnen? So kenne ich Sie gar nicht.“

      Anstelle einer Antwort fragte Heinz: „Ich nehme an, es gelten die üblichen Konditionen?“

      Oberhofer nickte stumm.

      „Dann mache ich mich besser sofort an die Arbeit. Sie hören von mir.“ Er ging ohne ein weiteres Wort davon, auf das Flughafengebäude zu.

      Kapitel 2

      Donnerstag, 11.30 Uhr

      Heinz’ Brust- und Oberarmmuskeln vibrierten, als er die Langhantel zitternd in ihre Halterung setzte. Er blieb noch für ein paar Sekunden auf der Trainingsbank liegen und schnappte nach Luft. Zweimal zehn Wiederholungen mit fünfundachtzig Kilogramm – das war sein neuer Rekord beim Bankdrücken. Damals, als er Anfang oder Mitte zwanzig gewesen war, hatte er mehrere Jahre lang regelmäßig intensiv trainiert, doch er konnte heute nicht mehr sagen, welches sein höchstes Trainingsgewicht auf der Langbank gewesen war. Er glaubte, sich an fünfundneunzig Kilogramm zu erinnern, hätte darauf aber keinen Eid geleistet.

      Heinz hatte nicht vorgehabt, je wieder Krafttraining in so extremem Ausmaß zu betreiben, doch seit er aus Südamerika zurückgekehrt war, schien es ihm eine vernünftige Alternative zu Bier und Schnaps zu sein, und so hatte er sich in diesem Fitnesscenter in der Klagenfurter Innenstadt eingeschrieben. Trotzdem hatte er am Vorabend wieder mehr Bier in sich hineingeleert, als er vorgehabt hatte. Der spätabendliche Termin mit Direktor Oberhofer war ein willkommener Anlass gewesen, nicht schon beim Abendessen mit dem Trinken zu beginnen. Doch als er dann nachhause gekommen war, in seine einsamen vier Wände, und im Internet erste Recherchen zu Saskia Frenzen angestellt hatte, da schien ein Bier gut zu passen, sozusagen als Tagesabschluss. Es war nicht bei einem geblieben.

      Ächzend erhob er sich von der Langbank und schleppte sich in den Cardio-Bereich, wo er ein Trainingsrad besteigen wollte. Vorher holte er sich von der Safttheke einige Illustrierte, die vorwiegend weibliches Publikum ansprachen. Während seine Beine in gleichmäßigem Rhythmus die Pedale traten, blätterte er in den Zeitschriften. Wie jedes Mal schüttelte er auch diesmal wieder innerlich den Kopf, wofür sich die Menschen interessierten. Welchen Wert hatte es, zu wissen, welche Schule die kleine Tochter einer schwedischen Adligen besuchen würde, deren Namen Heinz nicht einmal kannte? Und wen gingen die Beziehungsprobleme einer ehemals gefeierten Nachwuchssportlerin etwas an, die nach einer schweren Beinverletzung vor Jahren ihre Profikarriere hatte beenden müssen und seither nur noch in diesen Klatschblättern prominent war?

      Aber so war es nun einmal, ob Heinz es verstand oder nicht. Er malte sich aus, dass viele Dinge, für die er sich brennend interessierte, bei anderen Menschen vielleicht ein ebensolches Kopfschütteln auslösten wie die Schulpflicht der kleinen Prinzessin Sowieso und der Herzschmerz der armen XY bei ihm.

      In der dritten Illustrierten wurde er fündig. Saskia im Liebesglück?, lautete die Schlagzeile, und der Untertitel verhieß: Verwaltet ihr neuer Manager auch den Schlüssel zu ihrem Herzen?

      Wie Heinz es erwartet hatte, lieferte der Artikel viele Vermutungen und wenige Informationen, jede Menge Emotionen und kaum Fakten. Einige Fotos, auf denen Saskia Frenzen und Frank Mertens gemeinsam abgebildet waren, sollten, für Heinz nicht nachvollziehbar, eine intime Beziehung belegen, und ansonsten wurden nur ein paar alte Klischees aufgewärmt und in Beziehung zur titelgebenden Behauptung gesetzt. Den Wahrheitsbeweis sollten Zeugen mit kryptischen Namenskürzeln wie Anne Sch. liefern.

      Diese Klischees, über die Heinz schon bei seiner Recherche am Vortag mehrmals gestolpert war, bezogen sich vor allem auf Saskia Frenzens Single-Dasein, das zumeist ihrem exzentrischen Charakter zugeschrieben wurde. Von den meisten Klatschblättern wurde sie nämlich als wahre Furie dargestellt. Als Zeugen dafür wurden einfache Menschen aufgefahren, die irgendwie privat mit ihr zu tun bekommen hatten und erzählten, wie sehr sie von der Sängerin erniedrigt worden seien. Aber auch ihre ständige Rivalität mit dem spanischstämmigen, deutschen Schlagersänger Antonio Corazon war immer wieder ein Thema, wenn auch nur am Rande.

      Abgesehen von Tratsch dieser Art hatte Heinz auch Saskia Frenzens Werdegang bereits recherchiert, der sie als frühberufene, hochbegabte und außergewöhnlich ehrgeizige Sängerin zeichnete. Sie stand seit Kindesbeinen auf der Bühne, sang in ihrer Jugend selbstkomponierte und -getextete Lieder und zog später mit ihrer Band als Vorgruppe von diversen Schlagerstars durch die Lande. Ihr endgültiger Durchbruch gelang ihr zwei Jahre zuvor mit dem Lied: Deine Liebe möcht ich sein. Seither stieg sie auf der Pyramide der erfolgreichsten deutschen Schlagerstars stetig Stufe für Stufe weiter nach oben.

      Heinz hatte sich auch ein paar Videomitschnitte von Saskia Frenzens Bühnenauftritten angesehen sowie das offizielle Musikvideo ihres aktuellen Erfolgs-Songs: Fremde Gefühle. Er hatte zugeben müssen, dass die hübsche Sechsundzwanzigjährige mit ihren hüftlangen, braunen Haaren und der perfekt trainierten Figur eine erotische Wirkung auf ihn ausübte. Aber abgesehen davon, dass die Profis im Showgeschäft genau wussten, wie sie diesen Effekt erzielen konnten, hatte zu diesem Zeitpunkt der Alkohol auch schon einen gewissen Einfluss auf Heinz’ Wahrnehmung gehabt.

      Er warf das Klatschblatt zu den anderen auf den Boden und lehnte sich auf den Lenker. In knapp anderthalb Stunden würde er einen Termin mit Ortrud Anderwald haben, der Geschäftsführerin des Seepark Hotels. Sie war nicht sehr erbaut gewesen, als Heinz sich am Morgen so kurzfristig gemeldet hatte, hatte wegen der Brisanz der Angelegenheit aber ein Treffen mit ihm in ihren Terminkalender eingeschoben. Vor diesem Gespräch wollte er sich noch den Friedelstrand ansehen, wo die Starnacht am Wörthersee über die Bühne gehen würde.

      Freilich konnte er sich irren, doch aufgrund seiner Erfahrung glaubte Heinz nicht, dass die Aufklärung des Falls viel Zeit in Anspruch nehmen würde. So, wie der Drohbrief geschrieben war, handelte es sich bei dem Verfasser um einen weiblichen oder männlichen Angestellten des Hotels, der schon beim letzten Besuch Saskia Frenzens in dem Hotel gearbeitet und einen Konflikt mit ihr gehabt hatte. Beim üblicherweise hohen Mitarbeiterwechsel im Hotelleriewesen konnten dafür nicht viele Personen infrage kommen, und Frau Anderwald hatte