Roland Zingerle

Starmord am Wörthersee


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spürte, wie sich ein Knödel in ihrem Hals bildete. Das Gespräch belastete sie, sie versuchte es mit einem Themenwechsel: „Was treibt dich hierher? Ein neuer Fall?“

      Heinz nickte. „Ich kann aber noch nicht darüber reden.“

      „Stell dir vor, ich bin auch zum Arbeiten hier“, platzte sie heraus. „Die Chefgarderobiere der Starnacht, die sich um die Ausstattung der Moderatoren und der Tänzer kümmert, hat kurzfristig eine Gehilfin gebraucht, weil ihr eine Arbeitskraft überraschend ausgefallen ist. Da bin ich eingesprungen.“

      „Ich habe gedacht, die Bühnenbekleidung wäre Sponsorensache.“

      „Ist sie auch, aber die Sponsoren stellen ein ganzes Sortiment zur Verfügung, aus dem die Garderobiere die passenden Stücke auswählt. Außerdem kann immer eine Naht aufgehen oder ein Hosenboden reißen, weil ein Moderator aus Eitelkeit vergisst, dass er letztens ein paar Kilo zugelegt hat.“ In Verenas Ohren hörte sich ihr eigenes Lachen wie das eines kleinen Mädchens an. „Da braucht es dann eine Änderungsschneiderin – und das bin für die heurige Starnacht ich.“

      „Gratuliere.“ Das Lächeln kostete Heinz sichtlich Kraft, doch es schien ehrlich zu sein.

      „Zu verdanken habe ich das meiner Mutter“, plapperte Verena weiter. „Die ist bei irgendeiner Gala mit der Chefgarderobiere zum Reden gekommen, und als sie von ihrer Arbeit bei der Starnacht am Wörthersee gehört hat, hat sie gleich mich ins Rennen gebracht. Daran hat sich die Dame wohl erinnert, als sich ihre Gehilfin das Bein gebrochen hat.“

      Heinz lächelte noch immer. „Eine große Chance für dich“, sagte er.

      „Ja. Ja, das ist es allerdings.“

      „Verena, ich muss ... du musst ...“

      „Schon klar.“ Gar nichts war klar – aber was sollte sie tun? Sie fand keinen Zugang zu ihm.

      „Vielleicht können wir zwei ... wenn das hier vorbei ist ... uns einmal wieder ...“

      Sie horchte auf. „Treffen? Du willst dich mit mir treffen?“

      „Nur, wenn es für dich okay ist. Ich will nicht, dass du glaubst, ich brauche einen seelischen Mistkübel.“

      Verena war irritiert, wovon zum Teufel redete er da? „Was, wieso? Nein!“

      Er schien sich etwas zu entspannen. „Gut, in Ordnung. Dann wünsche ich dir viel Erfolg bei deiner Arbeit für die Starnacht.“

      Er wollte ihr die Hand reichen, doch sie ignorierte das, umarmte ihn, küsste ihn auf beide Wangen und meinte: „Ich freue mich auf unser Treffen, ehrlich!“

      Er quittierte ihre Worte mit einem weiteren angestrengten Lächeln, dann wandte er sich ab und ging in einer Art davon, als fiele ihm jeder Schritt schwer.

      Verena sah ihm noch lange nach. Heinz war für sie ein enger Vertrauter gewesen, jemand, der einem Lebensgefährten am nächsten kam. Dann, etwa ein Jahr war das jetzt her, hatte sie ihn bitter enttäuscht, und danach war der Kontakt fast abgebrochen. Als er sie nach seinem Urlaub in ihrer Boutique in der Klagenfurter Innenstadt besucht hatte, war er auch schon so seltsam gewesen wie gerade eben, doch das hatte sie auf ihr gespanntes Verhältnis zurückgeführt. Seinen schon damals desolaten körperlichen Zustand hatte sie einer Magen-Darm-Erkrankung zugeschrieben, die man sich in tropischen Ländern fast zwangsläufig zuzog. Doch dass er jetzt, rund ein halbes Jahr später, noch immer so schlecht beieinander war, erfüllte sie mit Sorge und Angst. Immerhin, er wollte sich mit ihr treffen, vielleicht brauchte er jemanden, dem er vertraute.

      Aber – vertraute er ihr?

      Kapitel 3

      Donnerstag, 13 Uhr

      Ortrud Anderwald, die Geschäftsführerin des Seepark Hotels, war eine elegante, resolute Frau Mitte vierzig. Sie hatte Heinz in der Hotellobby mit einem energischen Händedruck begrüßt und ging mit ihm in ihr Büro, wo sie ihn nach seinem Getränkewunsch fragte und mit einem knappen Telefonat einen Kaffee orderte.

      Dann begann Sie, die Hintergrundgeschichte zu erzählen, auf die Heinz sie beim morgendlichen Telefonat angesprochen hatte: „Frau Frenzen und ihr Team waren letztes Jahr im Mai für ein paar Tage Gäste in unserem Haus, und anscheinend ist es da zu einigen Differenzen mit unserem Personal gekommen. Frau Frenzen scheint in gewissen Punkten etwas speziell zu sein. Mir wurde das durch eine unserer Rezeptionistinnen zugetragen, Frau Pachoinig, eine Vorzeigekraft übrigens. Nun, ich bin der Sache nachgegangen, und nachdem Frau Frenzen, ich wiederhole mich, sehr speziell war, habe ich mich beim restlichen Personal umgehört und noch weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden, deren Arbeit Frau Frenzen ebenfalls beanstandet hat. Selbstverständlich ist mir daran gelegen, dass sich unsere Gäste in unserem Haus wohlfühlen, deshalb habe ich das Gespräch mit ihr gesucht und sie gefragt, wo wir ihrer Meinung nach unseren Service verbessern könnten, doch sie hat mir versichert, es sei alles eitel Wonne, sie fühle sich wohl bei uns wie selten und sei mit dem Service hochzufrieden.“

      „Aha“, sagte Heinz, um seine Verwunderung zu überbrücken. „Aber Ihr Personal ... ich meine, die Anschuldigungen waren doch nicht erfunden, oder doch?“

      Frau Anderwald schüttelte leicht den Kopf und schloss die Augen dabei. „Ganz sicher nicht. Wissen Sie, es ist einfach so, dass verschiedene Menschen, allen voran Künstler, gewisse Eigenheiten haben, die sich oftmals in abstruser Weise äußern. Gerade auf dem Dienstleistungssektor spürt man das besonders, solche Gäste glauben gerne, sie würden sich mit der Dienstleistung gleichzeitig auch den Menschen kaufen, der sie ausführt. Das ist eine Kröte, die wir leider schlucken müssen.“

      „Wie viele der damals betroffenen Angestellten arbeiten heute noch hier?“

      „Drei.“

      „Ist es für Sie vorstellbar, dass einer dieser Angestellten einen Drohbrief an Frau Frenzen geschrieben haben könnte?“

      Die Geschäftsführerin blickte für eine Sekunde im Raum umher. „Also im ersten Reflex würde ich sagen, nein. Alle drei sind zuverlässige Arbeitskräfte, die wir seit mehreren Jahren in unserem Haus haben und auf die ich ungern verzichten würde. Aber Sie wissen ja, wie das ist, man kann in keinen Menschen hineinschauen, und so gut kenne ich die Herrschaften dann auch wieder nicht.“ Sie hielt kurz inne und schien zu überlegen. „Aber dazu eine andere Frage: Kann der Drohbriefschreiber nicht eine Leiharbeitskraft sein, die damals für uns gearbeitet hat?“

      „Was meinen Sie?“

      Frau Anderwald rückte etwas auf ihrem Sessel umher. „Es wäre doch möglich, dass eine solche Leiharbeitskraft ebenfalls eine Auseinandersetzung mit Frau Frenzen gehabt hatte, diese aber verschwiegen hat.“

      Es war offensichtlich, dass die Geschäftsführerin versuchte, die Verbindung zwischen der Straftat und ihrem Hotel zu kappen. „Das würde keinen Sinn ergeben“, antwortete Heinz. „Wenn diese Leiharbeitskraft nicht mehr für das Seepark Hotel arbeitet, wäre es ihr herzlich egal, ob Saskia Frenzen sich hier wieder einquartiert oder nicht.“

      „Ich verstehe.“ Frau Anderwald presste die Lippen aufeinander.

      Er wollte nun Nägel mit Köpfen machen. „Sie haben bei unserem Telefonat heute in der Früh gesagt, sie würden die fraglichen Mitarbeiter auflisten. Kann ich mit diesen Personen sprechen?“

      Als hätten seine Worte einen Schalter in Ortrud Anderwald umgelegt, kam plötzlich Bewegung in die Frau. „Ja, richtig.“ Sie suchte zwischen den Papieren auf ihrem Tisch herum und fand schließlich einen Klebezettel, den sie bedeutungsvoll hochhielt. „Herr Sablatnig, ich bin Ihnen selbstverständlich gerne behilflich, ein mögliches Verbrechen aufzuklären, das ist mir lieber, als die Polizei im Haus zu haben. Aus dem Grund habe ich auch nichts dagegen, wenn Sie die drei befragen, aber: Ich muss darauf bestehen, dass Sie mit Diskretion vorgehen. Heute und morgen reist hier die Crème de la Crème der deutschen Schlagermusik an, einige der Stars sind bereits hier und darüber hinaus