Prof. Dr. Jürgen Nautz

Die großen Revolutionen der Welt


Скачать книгу

dem niederländischen Protestanten Wilhelm III. von Oranien-Nassau (1650 - 1702), dem Gatten der Tochter von James II., Maria II. (1662 - 1694), den englischen Thron an. Als Wilhelm III. tatsächlich mit kleinem Gefolge kam, wurde er triumphal begrüßt, während James II. nach Frankreich floh.

      Der Preis, den Wilhelm und seine Gattin für den Thron zu zahlen hatten, war die Unterschrift unter die Bill of Rights, mit der die konstitutionelle Monarchie in England begründet wurde und die als Vorbild für die Einführung des Parlamentarismus in vielen anderen Ländern diente. Sie gilt daher als eines der grundlegenden Dokumente des Parlamentarismus. Die Bill of Rights regelt die Rechte des englischen Parlaments gegenüber dem König. Das Gesetz, von Ober- und Unterhaus am 13. Februar 1689 zunächst als Declaration of Rights (Erklärung der Rechte) verabschiedet, wurde am 26. Oktober desselben Jahres vom neuen Königspaar anerkannt, womit ein Schlussstrich unter eine seit Jahrzehnten schwelende Auseinandersetzung zwischen Monarchie und Parlament gesetzt und der Streit zugunsten des letzteren entschieden wurde. Diese Auseinandersetzung mündete 1642 in den Englischen Bürgerkrieg und flammte nach 1685 unter König James II. erneut auf. Im Kern ging es in diesem Konflikt mit den beiden Stuart-Königen um die Frage, ob der Monarch allein aus göttlichem Recht herrschte und damit über dem Gesetz stand, oder ob er aufgrund der englischen Verfassungsentwicklung seit der Magna Charta eine dem Gesetz unterworfene Amtsperson war.

      Die Bill of Rights verpflichtete den König, das Parlament in regelmäßigen Abständen einzuberufen. Ferner benötigte er dessen Zustimmung zur Erhebung von Steuern und Abgaben sowie zum Unterhalt eines stehenden Heeres in Friedenszeiten. Darüber hinaus begründete das Gesetz die Immunität der Parlamentsabgeordneten. Diese genossen völlige Redefreiheit im Unterhaus und mussten sich für Vergehen künftig nur noch vor diesem selbst, aber nicht mehr vor dem König oder seinen Gerichten verantworten.

      Gesetz zur Erklärung der Rechte und Freiheiten der Untertanen und zur Festlegung der Thronfolge vom 23. Oktober 1689

      …

      Es »haben sich jetzt die geistlichen und weltlichen Lords und die Gemeinen gemäß den entsprechenden Briefen und Wahlen in vollzähliger und freier Vertretung dieser Nation versammelt und erklären nach ernsthafter Erwägung der besten Mittel … zur Verteidigung und Behauptung ihrer alten Rechte und Freiheiten vor allem das Folgende:

      1. dass die angemaßte Befugnis, kraft königlicher Autorität und ohne die Zustimmung des Parlamentes Gesetze vorübergehend außer Kraft zu setzen oder ihre Vollstreckung auszusetzen, ungesetzlich ist;

      2. dass die in der letzten Zeit angemaßte und ausgeübte Befugnis, kraft königlicher Autorität von der Befolgung oder Vollstreckung von Gesetzen zu entbinden, ungesetzlich ist;

      3. dass die Weisung zur Errichtung des ehemaligen Gerichtshofes der Kommissare für kirchliche Angelegenheiten sowie alle Weisungen und Gerichtshöfe ähnlicher Art ungesetzlich und verderblich sind;

      4. dass die Erhebung von Geldern für und zum Nutzen der Krone unter dem Vorwand der Prärogative [Vorrechte des Monarchen, insbesondere der monarchischen Rechte, bei denen den Ständen kein Mitwirkungsrecht zugestanden wird. Im eigentlichen Sinn werden unter fürstlicher Prärogative die Rechte des Monarchen gegenüber der Volksvertretung verstanden: Einberufung und Auflösung, Eröffnung, Dauer der Sitzungsperioden, Initiativrecht und Vetorecht in der Gesetzgebung.] und ohne Zustimmung des Parlamentes insoweit ungesetzlich ist, als sie nur für kürzere Zeit oder in anderer Form bewilligt wurde oder bewilligt werden wird;

      5. dass die Untertanen das Recht haben, Petitionen an den König zu richten, und dass eine jede Verhaftung oder gerichtliche Verfolgung wegen der Einreichung solcher Petitionen ungesetzlich ist;

      6. dass die ohne die Zustimmung des Parlamentes in Friedenszeiten erfolgende Aushebung oder Unterhaltung eines stehenden Heeres innerhalb des Königreiches unrechtmäßig ist;

      7. …

      8. dass die Wahl der Parlamentsmitglieder frei sein sollte;

      9. dass die Freiheit der Rede sowie der Inhalt von Debatten oder Verhandlungen im Parlament an keinem anderen Gerichtshof oder Orte außerhalb des Parlamentes unter Anklage oder in Frage gestellt werden sollte;

      10. dass weder übermäßige Bürgschaftsleistungen gefordert noch übermäßige Geldstrafen noch grausame und ungewöhnliche Strafen auferlegt werden sollten;

      11. dass die Geschworenen ordnungsgemäß in Geschworenenlisten aufgenommen und ausgewechselt werden sollten …

      12. ...

      13. und dass … häufig Parlamentssitzungen abgehalten werden sollten.

      So unblutig die Glorious Revolution auch verlief, blieb sie doch nicht ohne blutige Folgen: Jene, die dem neuen Herrscherpaar den Treueid verweigerten, die Nonjurors oder auch Jakobiten, fanden sich vorwiegend unter den Katholiken in den schottischen Highlands und in Irland. Sie wurden in der Schlacht am Boyne (12. Juli 1690) und im Massaker von Glencoe (13. Februar 1692) der Herrschaft der englischen Krone unterworfen.

      Die neue Machtverteilung zwischen Parlament und Krone stärkte das Vertrauen in Zusagen der Regierung. Diese Glaubwürdigkeit gestattete es der Regierung, das Finanzwesen zu reformieren. Diese Maßnahmen wurden unter dem Begriff der »Finanziellen Revolution« (1690er bis 1720er Jahre) zusammengefasst. Nach der Glorious Revolution bekam das Parlament die Kontrolle über die Staatsfinanzen. Es wurden zentrale Budgets eingeführt und die Einnahmen auf Akzise (indirekte Steuer) gestützt und eine reguläre Steuerbürokratie aufgebaut. So konnte eine rationale Finanzwirtschaft begründet werden. Das Parlament garantierte für die öffentlichen Schulden, woraus sich eine Finanzöffentlichkeit und Vertrauen entwickelten. Anders formuliert: Der konstitutionelle Wandel machte die privaten Eigentumsrechte, die Property Rights, sicherer und förderte so die wirtschaftliche Entwicklung. Es entstand eine neue bürgerliche Gesellschaftsschicht, die mit ihrer Tätigkeit im Handel, im Gewerbe und mit Finanzgeschäften immense Privatvermögen anhäufte. Dies war neben dem politischen Fortschritt eine weitere wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Rolle Englands als Initiator des Industrialisierungsprozesses. Der Weg zur Industriellen führte über die Glorreiche Revolution.

      Die Amerikanische Revolution

      Let the names of Whig and Tory be extinct;

       and let none other be heard among us,

       than those of a good citizen, an open and resolute friend,

       and a virtuous supporter of the RIGHTS of MANKIND,

       and of the FREE AND INDEPENDENT STATES OF AMERICA.

      (Thomas Paine, 1737 - 1809)

      »Amerika, du hast es besser

       als unser Kontinent, der alte.

       Hast keine verfallenen Schlösser

       und keine Basalte.

       Dich stört nicht im Innern,

       zu lebendiger Zeit,

       unnützes Erinnern

       und vergeblicher Streit.«

      (Johann Wolfgang von Goethe, 1827)

      Jener Prozess, mit dem sich die dreizehn englischen Kolonien in Nordamerika vom englischen Mutterland lösten und dabei ein völlig neues Staatswesen aus der Taufe hoben, wird auch unter dem Begriff »Amerikanische Revolution« zusammengefasst. Am Ende dieses Prozesses stand die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika.

      In den 1760er Jahren verschärften sich vor dem Hintergrund wirtschaftlicher und politischer Differenzen die Spannungen zwischen den englischen Kolonien und dem Mutterland. Dahinter standen vor allem unterschiedliche Auffassungen darüber, ob und welche finanzielle Unterstützung die nordamerikanischen Kolonien England schuldeten. So wollte England von seinen Kolonien einen größeren Beitrag zu den Kosten des (erfolgreichen) neunjährigen Kriegs mit Frankreich (1754 - 1763), mit dem England Louisiana und Kanada