Erden den Menschen, die guten Willens sind.« Er brachte ein Lächeln zustande, hob sein Glas und trank ihr zu.
*
Am Abend des vierten Januar kehrte Christof braungebrannt mit Sand in den Haaren vom Strand zurück. Hinter ihm sprang Chico aus dem Landrover und stürmte durch die weit geöffnete Tür ins Haus.
Serafina fegte gerade die Fliesen und drohte dem Hund, der gerade schnüffelnd ins Schlafzimmer hechten wollte mit dem Besen.
»Er ist ein bißchen verwildert unten an der Küste«, meinte Christof entschuldigend, »genauso wie ich. Aber jetzt, wo wir wieder in der Stadt sind, werden wir uns wieder auf unsere guten Manieren besinnen, nicht wahr Chico?«
Der Hund wedelte und trollte sich in den Patio.
Christof warf seine Reisetasche aufs Sofa, musterte Serafina von der Seite und fragte halblaut: »Nanu! Sie sehen ja so vergrämt aus! War der Besuch vielleicht anstrengender als ich dachte?«
Sie schüttelte den Kopf, trat auf ihn zu und zupfte ihn am Ärmel.
»Bitte, Don Christof, gehen Sie hinüber zu der armen Senorita Catarina! Sie ist so traurig.«
»Na, ich bin wohl kaum der Richtige, um sie trösten«, verwahrte sich Christof.
»Gehen Sie, gehen Sie!« drängte Serafina, ergriff wieder den Besen und tat so, als wolle sie ihn hinauskehren.
Mit einem Sprung war Chico an seiner Seite.
»Das ist ja wirklich viel verlangt«, knurrte Christof in der Annahme, Kati über den Abschied von Achim hinweghelfen zu müssen, »nachdem ich mich schon zwei Tage länger als geplant vornehm zurückgehalten habe! Hallo, Professora…«
Sie stand bereit auf der flachen Stufe vor ihrer Haustür und tätschelte Chico den Kopf.
Sie trug einen fußlangen Rock und eine blaue Baumwollbluse mit aufgekrempelten Ärmeln. Ihre Augen waren gerötet vom Weinen, ihr Lächeln war herzzerreißend.
»Er ist fort«, flüsterte sie.
»Nun ja, ewig konnte er schließlich nicht bleiben«, begann Christof und machte sich umständlich an seiner Werkzeugkiste zu schaffen, die Serafina während der Kehrarbeiten hinausgestellt hatte, »er wird wohl auch einen Job haben.«
Die verweinten blauen Augen im verhärmten Gesicht sahen ihn verständnislos an.
»Einen Job? Wer? Meinst du vielleicht Achim?«
»Ja sicher!«
»Aber um den geht es doch gar nicht.«
»Nicht? Um wen denn?«
»Miguel«, sagte Kati und brach in Tränen aus.
Christof starrte sie bestürzt an.
»Du hattest ihn doch nur über die Feiertage, Kati. Heute ist der vierte Januar. Ich habe gar nicht damit gerechnet, daß er noch hier sein könnte. Oder? Bringe ich da was durcheinander?«
Sie rang nach Worten, fand keine und schlug laut weinend die Hände vors Gesicht.
Christof erschrak.
Ihr wilder Schmerz teilte sich ihm so unmittelbar mit, als sei er selbst davon betroffen.
»Komm«, bat er und schob sie sachte vor sich her, »gehen wir zu dir, und du erklärst mir, was los ist. Sonst kann ich mir ja kein Bild machen.«
Sie nickte schluchzend.
Nebeneinander auf dem Sofa sitzend kramten sie beide alle verfügbaren Papiertaschentücher hervor, und Kati beruhigte sich soweit, daß sie verständlich sprechen konnte.
Nein, ihre Verzweiflung hatte nichts mit Achim zu tun.
Auch brauchte sie sich keine Vorwürfe zu machen, denn Miguel war bestens aufgehoben gewesen in der Caille Trinidad. Dona Dolores hatte sich sogar anerkennend geäußert, und Serafina war ein Muster an Perfektion gewesen.
Aber etwas anderes hatte sich ereignet, ein Verhängnis, das niemand hatte abwenden können.
Zu Weihnachten hatte sich ein Ehepaar entschlossen, Miguel zu sich zu nehmen.
Schon vor Wochen war die Frau vorstellig geworden, aber ihr Mann hatte gezögert. Im vorigen Jahr war ihnen ein Sohn im Säuglingsalter gestorben, und die Frau schien über den Verlust nicht hinwegzukommen. Sie litt an schweren Depressionen, was auch Dona Dolores nicht entgangen war.
Aber als das Ehepaar zu Weihnachten wieder zu ihr kam, gemeinsam und entschlossen, Miguel zu adoptieren, sprach nichts mehr dagegen. Es waren wohlhabende Leute, bekannt in der Stadt, nicht mehr ganz jung und unbedingt zuverlässig.
»Ich muß für jedes unserer Kinder die beste Wahl treffen«, hatte Dona Dolores zu Kati gesagt, »und etwas Besseres als ein gutes Elternhaus gibt es einfach nicht.«
»Moment, Moment«, murmelte Christof stirnrunzelnd, als Kati geendet hatte, »zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich mich bisher für all so was nicht interessiert habe. Aber als Sohn meiner Mutter kam ich gar nicht dran vorbei, einiges mitzukriegen. Daher weiß ich, daß in diesem Land kein Kind von heute auf morgen adoptiert werden kann.«
Ja, das war Kati durchaus klar.
Aber es änderte nichts an der Tatsache, daß den Leuten bereits am zweiten Januar erlaubt worden war, Miguel bei sich aufzunehmen, und damit hatte sie ihn verloren.
»Ich konnte mich nicht dagegen wehren«, jammerte Kati, »obwohl er sich gerade so schön eingelebt hatte – er plapperte alles nach – er war so vergnügt – so süß!«
»Hmhmhm«, seufzte Christo bekümmert und ließ es zu, daß seine Schulter naß geweint wurde, »wenn ich wüßte, was wir tun könnten – ehrlich – ich wäre zu allem bereit!«
»Zu spät«, murmelte Kati mit versagender Stimme, »die Chance haben wir verpaßt.«
»Welche Chance?«
»Es gab ja nur eine, um ihre starren, alten Vorschriften zu erfüllen. Wir hätten heiraten müssen!«
Christof schnappte nach Luft.
»Du und ich?«
»Wer sonst?«
»Na ja, also, ich weiß nicht – was ist mit deinem Freund?«
»Schnee von gestern«, schnupfte Kati verächtlich, »wir sind längst auseinander, und überhaupt – er wäre gar nicht in Frage gekommen, hätte sich auf so was nie eingelassen.«
Christof schwieg.
Er war verwirrt. Einerseits fühlte er sich geschmeichelt, weil er offenbar höher eingestuft wurde als der Freund aus Deutschland, andererseits war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, daß Kati ihn nur als Mittel zum Zweck in Betracht gezogen hätte. Was insofern fatal gewesen wäre, als er eine große Schwäche für sie hatte.
»Ich weiß nicht«, sagte er langsam, als spräche er zu sich selbst, »ob ich darauf eingegangen wäre. Wenn es einmal soweit ist – dann möchte ich um meiner selbst willen geheiratet werden.«
Kati ließ den Kopf hängen, schnupfte noch einmal und strich ihm unversehens durch sein sandiges Blondhaar.
»Du hast ja recht«, seufzte sie abbittend und resigniert, »es kam mir nur so in den Sinn – nachträglich.«
»Doch, doch, ich verstehe, wie du es meinst —«
»Wirklich? Du siehst das nicht falsch, Christof?«
»Nein, überhaupt nicht!«
»Es war ja nur eine Hypothese. Keine echte Überlegung, und jetzt hat sich das alles sowieso erledigt.«
Sie standen beide gleichzeitig vom Sofa auf.
»Sei nicht so traurig«, bat Christof.
»Ich brauche nur etwas Zeit.«
»Natürlich. Du bist nicht allein mit deinem