Stein vom Herzen. Hoffentlich kann ich mich rigendwann mal revanchieren.«
»Keine Angst! Der Tag wird kommen! Wenn ich demnächst von Jimmy aus Toronto heimgesucht werde, lasse ich ihn bei dir übernachten. Hahaha!«
Achim, als er von der Lösung des Problems erfuhr, zeigte sich weder besonders dankbar noch besonders beeindruckt. Er folgte Serafina stumm ins Nachbarhaus, schleppte seinen Rucksack hinüber und bedauerte, keine deutschen Programme in den Fernseher zu kriegen.
Irgendwie, ging es Kati durch den Sinn, als sie endlich mit den Weihnachtsvorbereitungen in ihrem Häuschen begann, ist er doch ziemlich dreist. Wenn man bedenkt, daß wir total auseinander waren und ich ihm nur eine einzige Ansichtskarte geschickt habe, seit ich hier bin!
Aber dann streifte sie den Gedanken an Achim energisch ab, um sich ganz der Vorfreude auf Miguel hinzugeben.
Dieses Weihnachtsfest – sein allererstes – sollte einen Eindruck in seinem Kinderherzen hinterlassen, wie überhaupt alles, was sie ihm angedeihen ließ. Kati war fest davon überzeugt, daß nichts in den tiefen Brunnen des totalen Vergessens fallen würde. In den Tiefen seines kindlichen Gemüts sammelten sich Bilder und Klänge, Wahrnehmungen jeder Art. Einen Fundus anzulegen, darauf kam es an.
Liebe hieß das Zauberwort.
Kati schmückte eine Zwergkiefer, die sie von den Knobels geschenkt bekommen hatte, mit Weihnachtsschmuck, der aus dem Bastelunterricht der vierten Klasse stammte. Es waren wunderhübsche Laubsägearbeiten, sorgfältig abgeschliffen und lackiert: Pferdchen, Engelchen, Sterne.
Das Bäumchen postierte sie auf dem Eckschrank, daneben die kleine primitive Krippe aus Bambus und Figürchen aus Binsen, die ihre Erstkläßler mit so viel Feuereifer gefertigt hatten.
Selbstgemacht waren auch die Geschenke für Miguel: ein kleiner, roter Stoffball und ein Fabeltier, das man mit viel Phantasie für einen Löwen halten konnte, wenn auch die Mähne nur aufgemalt war. Denn aus hygienischen Gründen hatte Kati auf Fransen verzichtet. Alles, was sie Miguel schenkte, mußte in der Maschine waschbar sein. Diese Anordnung der Casa de Santa Monica war ausnahmsweise ohne Wenn und Aber zu akzeptieren.
Kurz bevor sich Kati auf den Weg ins Waisenhaus begab, meldete sich Achim, den sie vorübergehend ganz vergessen hatte.
»Deine Perle hat den Kühlschrank bis obenhin gefüllt«, verkündete er von der offenen Tür her, »ist das so üblich?«
»Na ja, Serafina denkt natürlich, du bist Christofs Gast. Als solcher mußt du versorgt werden. Da du kostenlos wohnst, solltest du ihm etwas für die Lebensmittel bezahlen.«
»In Ordnung. Wann taucht er denn wieder auf?«
»Nicht vor dem zweiten Januar. Und wie lange bleibst du?«
»Bis zum vierten. Ich hoffe ja schwer, daß du nicht die ganze Zeit den Babysitter spielen mußt.«
»Achim, von müssen kann keine Rede sein. Ich bin froh und dankbar, daß ich es darf. Du hast ja keine Ahnung, was ich alles anstellen muß, damit mir Dona Dolores das Kind anvertraut. Wenn du dich doch bloß angemeldet hättest.«
»Genau das wollte ich nicht.«
»Ja, ja, ich weiß«, murmelte Kati, »du und deine Überraschungen!«
Er ließ die Arme sinken, mit denen er sich rechts und links im Türeingang abgestützt hatte. Zum ersten Mal sah er betroffen aus. »Tut mir echt leid, Kati! Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, daß es dir nicht passen könnte. Ich habe mir tatsächlich eingebildet, du würdest dich freuen – könntest mich brauchen.«
Minutenlang mußte Kati gegen eine Welle des alten Gefühls ankämpfen. Aber die Versuchung, ihm um den Hals zu fallen und ihre immerwährende Zuneigung zu erklären, ging rasch vorüber. Denn sein Blick fiel auf das Bäumchen, die Krippe und die bunt verpackten, mit großen Schleifen verzierten Geschenke. »Wie alt, sagtest du, ist der Kleine?« fragte Achim gedehnt.
»Zehn Monate.«
»Und du glaubst im Ernst, er hat schon was an alledem?«
»An Weihnachten hat ein kleines Kind vielleicht mehr als ein abgebrühter Erwachsener«, gab Kati unwirsch zurück.
»Bitte, bitte!« Achim spreizte die Hände und trat einen Schritt zurück. »Ich will dir nicht dreinreden.«
»Dann ist’s ja gut«, sagte Kati, um einen versöhnlichen Unterton bemüht, denn schließlich mußten sie noch zehn Tage lang miteinander auskommen, »ich fahre jetzt ins Waisenhaus und hole Miguel. Tu mir einen Gefallen, und bleib drüben, bis ich dich rufe, ja?«
»Zu Befehl!« Achim stand stramm und deutete einen militärischen Gruß an.
»Du bist wirklich albern«, murmelte Kati, drängte ihn hinaus und wünschte sich Christof mit dem Landrover herbei. Aber alles konnte man bekanntlich im Leben nicht haben, und so hastete sie zum nächsten Taxistand.
*
»Gut, daß Sie endlich da sind«, bemerkte Dona Dolores, »ich habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit. Hoffentlich haben Sie das Taxi warten lassen.«
Kati sah verdutzt zu, wie sich Dona Dolores den schläfrigen Miguel über die Schulter legte und Pilar mit einer herrischen Geste anwies, die Eingangspforte zu öffnen.
»Wir müssen sofort los«, erklärte sie mit einem Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk.
Wir?
Allerdings.
Dona Dolores war offenbar entschlossen, Miguel in sein Übergangsheim zu begleiten. Wozu sie natürlich berechtigt war.
Aber warum hatte sie das vorher nicht erwähnt?
Weil sie unter dem Motto lebte: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Für den Fall, daß ihrem Argusauge etwas mißfiel, würde sie das Kind wieder mitnehmen. Ganz einfach.
Kati sandte ein Stoßgebet zum Himmel, daß sie nichts vergessen hatte, weder das Moskitonetz über dem Babybettchen, noch den Filter am Wasserhahn. Vor allem betete sie darum, daß Achim sich zurückhalten und nicht in Erscheinung treten möge.
In letzter Zeit hatte sich der Herrgott ihren Wünschen gegenüber nicht gerade aufgeschlossen gezeigt, und je näher sie der Caille Trinidad kamen, um so tiefer sank ihr Herz.
Tausend Dinge konnten schiefgehen. Kleinigkeiten, die niemandem auffielen, mochten für Dona Dolores unüberwindliche Hindernisse bedeuten.
»Ich muß Ihnen noch das Geld zurückgeben«, raunte Kati, weil ihr nichts anderes einfiel.
»Doch nicht jetzt und hier«, zischte Dona Dolores mit einem Blick auf den Fahrer, der gleichmütig von der Hauptverkehrsstraße abbog.
Kati verstummte.
Miguel, aus seinem Mittagsschlaf gerissen, wimmerte mit geschlossenen Augen auf Dona Dolores’ Schulter ganz leise vor sich hin.
Die Zeichen stehen nicht gut, dachte Kati beklommen.
Aber dann änderte sich die Perspektive. Diesmal hatte der liebe Gott ein Einsehen.
In einer blütenweißen Schürze über einem untadeligen blauen Leinenkleid stand Serafina auf der Schwelle des Hauses Nummer zwölf und näherte sich in gebührender Achtung.
Gleichzeitig strahlte sie so viel Redlichkeit und Selbstbewußtsein aus, daß Dona Dolores ein anerkennendes Lächeln nicht unterdrücken konnte.
Die Schatten hoben sich. Der Bann war gebrochen.
Miguel öffnete die Äuglein, hob das Köpfchen und streckte vertrauensvoll die Ärmchen nach Kati aus, während Dona Dolores das Haus betrat und aus ihrer angenehmen Überraschung keinen Hehl machte.
»Sie arbeiten immer hier?« erkundigte sie sich, die blitzsaubere Küche eingehend betrachtend.
»Täglich«, erwiderte Serafina mit fester Stimme, und damit
schien