ihn persönlich, denn ich habe ihn operiert! Er ist der größte und stärkste von ihnen. Obwohl er vor drei Monaten nur knapp dem Tod von der Schippe gesprungen ist, steht er bereits wieder an der Front. Er scheint wirklich unbesiegbar zu sein.
Seit dem Tod seines Bruders – heißt es – habe er seine Menschlichkeit verloren. Oder den letzten Rest davon. Welcher Warrior ist schon human?
Unauffällig versuche ich ihn zu mustern und erkenne tatsächlich Blut auf seinem gestählten Körper, Abschürfungen, kleine Wunden und die alten, verblassenden Narben, die ihm diese Granate beschert hat.
Jacksons Blick huscht teilnahmslos über die Sklavinnen, der Schwarzhaarigen schenkt er nur geringfügig länger seine Aufmerksamkeit. Sein Interesse scheint nicht groß zu sein. Er lächelt nicht, seine Miene ist finster. Seit er bei dem Granatenangriff fast gestorben ist, hat er keine Serva mehr zu sich geholt. Jax soll gefühlskalt geworden sein und noch besser kämpfen als zuvor. Er ist eine Tötungsmaschine.
Die Monitore zeigen ihn im Einsatz; er ist Scharfschütze und auch im Nahkampf hervorragend. Niemals verfehlt er sein Ziel.
Plötzlich verhaken sich unsere Blicke, seine blauen Augen werden groß. Hastig schaue ich weg und wünsche mir, er hätte mich nicht erkannt.
Geh vorbei, geh vorbei, leiere ich in Gedanken herunter, doch er stoppt vor dem Eingabepult.
Die Menge verstummt und hält ebenfalls die Luft an. Es wird totenstill. Eisiger Schweiß dringt aus all meinen Poren, hektisch beiße ich mit den Schneidezähnen auf die Innenseite meiner Unterlippe. Dann ertönt ein Aufschrei und Applaus tost los, es folgen aufgeregte Lautsprecherdurchsagen und Begeisterungsstürme des Kommentators. »Wir hatten bereits aufgegeben zu hoffen, aber es ist passiert: Jax hat gewählt, ist denn das die Möglichkeit?!«
Ich sehe auf, meine Eingeweide krampfen sich zusammen und ich schnappe nach Luft. Magensäure verätzt meine Zunge und schwarze Flecken tanzen vor meinen Augen. Wie gelähmt starre ich auf die blutroten Zahlen: 13.
Ja, Jackson hat gewählt. Er hat mich gewählt.
»Du Glückliche«, wispert die Sklavin zu meiner Rechten. Ich kenne sie nicht. »Jax ist gut zu uns. Er hat den Ruf, einer Serva niemals ein Leid angetan zu haben.«
Aber keine der Servas wurde beschuldigt, seinen Bruder getötet zu haben.
Kapitel 2 – In der Vergnügungseinheit
Zwei Wachen schleifen mich hinter Jax her durch kahle Korridore. Sie führen aus der Empfangshalle direkt in die Vergnügungseinheiten, die sich im selben Gebäude befinden. Irgendwo hier sind auch die anderen Sklaven mit den Kriegern.
Meine Beine zittern so stark, mein ganzer Körper bebt unkontrolliert, dass ich kaum laufen kann und ständig stolpere. Mühsam halte ich mit den ausladenden Schritten der Wachmänner mit. Mein großer Zeh blutet, weil ich irgendwo hängen geblieben bin, aber ich spüre keine Schmerzen, nicht da. Mein Blick ist auf Jacksons breiten Rücken geheftet. Deutlich zeichnen sich seine Muskeln ab. Der Stoff der Einsatzhose spannt sich über seinen knackigen Po. Ein attraktiver Mann ist er, doch leider ein Monster.
Als ich ihn operiert habe, bin ich in den Genuss gekommen, jeden Winkel seines Körpers zu sehen. Damals habe ich von ihm geträumt, von seinen blauen Augen, die mich nach der Operation zwar verklärt, aber dankbar musterten, dem gestählten Leib, der tiefen, maskulinen Stimme, seinem … Ob wieder alles funktioniert? Ich wurde verhaftet, bevor ich weitere Untersuchungen an ihm durchführen konnte. Jetzt wünsche ich mir zu meinem Schutz, dass die Operation nicht erfolgreich war. Vielleicht ist das ja der Grund, warum er sich seitdem keine neue Sklavin mehr ausgesucht hat?
Mein Herz rast. Doch was macht es für einen Unterschied, wie er mich quälen und töten wird? Eigentlich keinen.
Vor einem gläsernen Aufzug reicht er seine Waffen einem uniformierten Mann, dann fahre ich mit Jax nach oben. Wir sind nicht allein, neben den zwei Wachen steht ein Reporter im schicken Anzug, außerdem sind überall Kameras angebracht, auch in einer Ecke des Liftes.
Jax geht auf die Fragen des Journalisten nicht ein und schenkt ihm keinen Blick, sondern starrt nach draußen. Der Aufzug zeigt in den Innenhof des Gebäudes. Das Publikum strömt heraus, die Leute wollen nach Hause, um nichts zu verpassen. Die meisten schauen in ihre Mobilgeräte und zappen von einem Programm zum anderen. Sie haben zwanzig Warrior zur Auswahl, jeder Krieger hat seinen eigenen Kanal, und morgen werden die Highlights zusammengeschnitten. Sie laufen während der nächsten Tage, bis ein neuer Schwung Krieger zurückkehrt und das Spektakel von vorn beginnt.
Ich habe mir früher die Sendung nur selten angesehen, da ich sie schon immer primitiv und verachtenswert fand. Doch das Regime unterstützt die Ausstrahlung, sogar finanziell, denn sie dient nicht nur der Unterhaltung, sondern als Abschreckung und Warnung.
Die Lifttür öffnet sich und wir treten in einen weiteren kahlen Gang, bis wir vor einer Tür mit der Nummer 829 stehen bleiben. Dort drückt Jackson den Daumen auf einen Scanner, die Tür springt auf.
Obwohl Jax den Reporter vehement ignoriert, sprüht der vor Begeisterung und redet ohne Luft zu holen. »Wieso haben Sie sich nach so langer Zeit für eine Sklavin entschieden und warum ausgerechnet für diese? Nach unseren Informationen ist sie die Ärztin, die Ihren Bruder ermordet …«
Jax packt meinen Arm, reißt mich aus dem Griff der Wachen, zerrt mich in die Wohnung und knallt den drei Männern die Tür vor der Nase zu. Jetzt bin ich mit dem Warrior allein.
Ich schlucke hart, um den Kloß aus meinem Hals zu vertreiben, dennoch klingt meine Stimme dünn und schwach, als ich frage: »Dürfte ich auf die Toilette?« Hastig blicke ich mich um. Automatisch flammt Licht auf, indirekte Beleuchtung in warmen Farbtönen. Ein großes Bett steht mitten im Raum, das die Möglichkeit bietet, die Sklavinnen an ein schmiedeeisernes Gestell festzubinden.
Ich erschaudere und mein Magen verkrampft sich erneut.
Ich sehe keine Fenster, nur zwei weitere Türen. Eine wird ins Badezimmer führen, die andere auf die Toilette. Ich weiß das, weil alle Vergnügungseinheiten gleich aufgebaut sind, nur die Einrichtung variiert. Es gibt Einheiten, die Folterkammern ähneln, je nachdem, was der Warrior für Vorlieben hat. Aber dieser Raum erinnert mich eher an das Hotelzimmer in New World City. Mein Exfreund Mark und ich haben vor zwei Jahren Urlaub in einer anderen Stadt gemacht. Es war das erste und einzige Mal, dass ich White City verlassen habe und mit einem Shuttle geflogen bin. Es war ein schöner Urlaub, wir hatten von unserem Zimmer einen Blick auf einen Erholungspark mit Ziegen und Kaninchen, die wir streicheln durften, und vielen Pflanzen.
Mark war der Einzige, der sich nach meiner Verhandlung von mir verabschiedet hat.
Tränen drängen nach draußen, hastig zwinkere ich sie weg. »Bitte, darf ich?«, frage ich erneut, weil Jax nicht reagiert. Der hockt sich aufs Bett und streckt die Füße aus.
Sofort zerre ich am Türgriff, aber sie ist verschlossen. Verdammt, war klar. Wie weit wäre ich auch gekommen? Bis zu den Wachmännern, die überall im Gebäude postiert sind?
»Du kommst hier nicht raus«, sagt Jax bedrohlich leise.
Ich wirbele zu ihm herum. Es ist das erste Mal, dass er heute vor mir spricht.
»Zieh mir die Stiefel aus«, befiehlt er, wobei er mich scharf anschaut. Seine blauen Augen funkeln. Wegen des Bartschattens wirkt ihre Farbe intensiver, fast so blau wie der künstliche Himmel der Kuppel.
»Bitte, ich muss wirklich dringend!« Die Tränen brennen wie Säure in meinen Augen. Ich kneife die Schenkel zusammen, um mir nicht in die Hose zu machen. Meine Blase schmerzt und fühlt sich an, als würde sie gleich platzen.
»Widersprichst du mir?«, brüllt er durch den Raum.
Ich zucke stark, und obwohl ich innerlich vor Angst erstarrt bin, setzen sich meine Beine in Bewegung, als ob Jax und ich Magneten wären. Dieser Mann würde mich anziehen, wäre er nicht mein Todesurteil. Besser, ich mache, was er sagt, vielleicht bleibe ich länger am Leben.
Ich