Generation von Billigflugtickets in den 1970er- und 1980er-Jahren (statt der überteuerten, fixierten IATA-Kartelltarife) bedeutete eine überfällige Demokratisierung des Reisens, mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft – wohingegen die spätere Einführung der Low Cost Carriers und der extremen Billigsttarife auch bei den etablierten Airlines eine unnötige und letztlich kontraproduktive Entwicklung war und ist, die der Geldgier von Managern entspringt.
Derzeit sind die Flugtarife generell viel zu billig; mit diesen Ausverkaufspreisen wird man dem Wert der Produkte und Dienstleistungen nicht gerecht. Jetzt wird unnötigerweise viel geflogen (zum Shopping, zu Partys, übers Weekend, Freunde besuchen, zum Arbeitsplatz pendeln etc. – mit den allseits bekannten kontroversen Auswirkungen. Und mein Gewissen regt sich von Jahr zu Jahr stärker: Was habe ich da bloss mit ausgelöst? Ich wollte doch einfach den echten Reisefans ermöglichen, wie ich die grosse, faszinierende Welt zu entdecken, mehr lehrreiche Lebenserfahrungen zu machen, mehr Begegnungen mit dem Fremden, damit alle alles besser verstehen, mehr Weltwissen sammeln und Horizonterweiterung erleben.
Als ich 1966 meinen Job bei der renommierten Airline TWA kündigte, sagte mir mein Chef (der doppelt so alt wie ich war) herablassend: «Sie sind halt ein Träumer, naja, viel Glück damit …» Ich hatte ihm gesagt, dass ich auf Reisen gehen und Schriftsteller werden wolle. Ich kann euch nur empfehlen, Träume zu haben, auch wenn andere darüber ironisch lächeln. Es ist immer noch interessanter als ein nüchtern-pragmatisches Normleben. Träumer brauchen Selbstvertrauen, Mut und Zuversicht, um zu überleben. Doch sie haben die Chance, dass einer oder mehrere ihrer Träume Wirklichkeit werden – wenn sie ihre Kreativität fördern, authentisch bleiben und die Widerstände beharrlich überwinden. Wer wirklich Persönlichkeit hat, kann auf die Ratschläge mittelmässiger Pseudofreunde verzichten und seinen eigenen Weg gehen.
Ich wollte immer etwas Eigenes schaffen, das möglichst vielen Menschen Nutzen bringt und das möglichst lange Bestand hat, wenn möglich über meine Lebenszeit hinaus. Es ist gelungen – besser als ich einst erwarten konnte. Dank dem Unternehmer-Gen in mir – und dank dem besonderen Engagement und unermüdlichen Einsatz aller Mitarbeitenden, allen voran natürlich den Mitstreitern in der Geschäftsleitung, André Lüthi und Andy Keller, und den treuen Kaderleuten.
Das 50-jährige Jubiläum wird Globetrotter auf jeden Fall noch feiern, dafür garantiere ich. Für den Globetrotter Travel Service wird 2025 das 50. Jahr sein, für den Globetrotter Club wäre das schon 2024. Ein halbes Jahrhundert – in der heutigen Zeit grossartig! Doch auch eine solche Kontinuität benötigt Wandel … Zu den heutigen Backpackern gehören auch krawattentragende Banker mit dezenten Wolfskin- oder Patagonia-Tagesrucksäckli über dem Businessanzug.
Allen KundInnen sowie den Clubmitgliedern und Magazin-AbonnentInnen danke ich herzlich für ihre Treue über so viele Jahre; vor allem aber allen Mitarbeitenden, von denen viele bereits jahrzehntelang bei Globetrotter arbeiten. Mein herzlicher Dank gilt ebenso für Mitarbeitende und Kundschaft aller weiteren zur Globetrotter Group gehörenden Unternehmen, auch wenn sie ihren eigenen Kurs fahren (dürfen). Schon seit vielen Jahren fühle ich mich nicht mehr «nur» als «Globetrotter», sondern auch als «Globotrekker», «Globi-Magaziner», «Exploraner», «Transianer» und mit den Namen weiterer 20 Marken verbundener Weltentdecker.
Euch allen wünsche ich, dass ihr noch etliche weitere Jahre der auslaufenden goldenen Globetrotter-Epoche auf Reisen gehen könnt – ob per Rucksack (mit oder ohne Rädli), Koffer oder bloss Handgepäck. Und möglichst ohne die vermehrt auf uns zukommenden Probleme des Overtourism. Das, was wir erlebt haben, die grandiosen Erinnerungen von unseren Entdeckungsreisen der letzten Jahrzehnte, das sind die Highlights unseres Lebens. Die haben wir verinnerlicht und die kann uns niemand wegnehmen.
Zürich, Neujahr 2020
Globetrotter Walo Kamm
(Dieses Buch wurde «unplugged», also ohne Hilfe eines Ghostwriters geschrieben.)
Das eigentliche Ziel einer persönlichen Entdeckungsreise in die Welt hinaus ist nicht, noch «unbekannte» Destinationen zu sehen, sondern eine neue Sicht auf die Welt und sich selbst zu gewinnen.
Globetrotter Walo Kamm
Der Reiseunternehmer Walo Kamm blickt nachdenklich in eine Zukunft mit Overtourism und Krisen.
1. Teil:
Kurz-Bio Globetrotter Walo Kamm
Walo Kamm hält optimistisch den Autostopp-Daumen raus – da staunt das Pferd des Mennoniten. (Uruguay, 1970)
Wegmarken von einer originellen Lebensreise
›INTERVIEW: Selbsthilfe der Jet-Nomaden
›Eine neue Art des Reisens und eine neue Art Lebensunternehmer
›Zehn Fragen/Antworten zum Lebensweg von Walo Kamm
›Zur Holdingfirma Globetrotter Group AG gehörende Reiseunternehmen
›Unternehmen der Globetrotter Group
Walo Kamm entdeckt und durchquert 1975 als erster Trekker die zuvor verbotene Himalayaregion Zanskar.
«Wenn ich mit einem echten Reisefan einen interessanten Nachmittag verbracht habe, ist mir egal, ob ich etwas verkaufe oder nicht. Ich lasse auch über die Preise mit mir reden. Wir sind ja kein Reisebüro und wollen um Himmels willen auch keines werden.»
Walo Kamm, 1978
Selbsthilfe der Jet-Nomaden
Rund 2000 Schweizer Reisefans im Globetrotter Club
Individuelles Weltenbummeln zu fördern und pauschalreisegewohnte Touristen zu emanzipieren ist das Anliegen des Globetrotter Clubs, dem schon rund 2000 SchweizerInnen angehören. Billigflüge und Bücher zu Schleuderpreisen, in Clubunterlagen reisserisch angepriesen, wecken zunächst Zweifel am erklärt unkommerziellen Charakter der Organisation. Beatrice Emmenegger hat im Gespräch mit Clubgründer Walo Kamm trotzdem mehr Idealismus als Geschäftssinn entdeckt.
Erfahrungsaustausch und Erziehung zu alternativem Reisen sind Hauptziele des Globetrotter Clubs, der, 1974 aus einer Stammtischrunde von Reisefans entstanden, immer grössere Ausmasse annimmt und in seiner Art wohl einzigartig ist. Nur als existenzsichernde Nebenaktivität zu werten ist, laut Gründer Walo Kamm, der Verkauf von Flugbilletten, deren Preise auch auf Linienflügen weit unter dem offiziellen Tarif liegen. Auf dem grauen Markt purzeln vor allem die Flugpreise in asiatische Länder, hingegen existiert die halb offizielle Billettbörse