Eric Ambler

Die Angst reist mit


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Direktion wird sich für seine Dienste in großzügiger Weise erkenntlich zeigen.«

      An der Tür wurde geklopft. Der Portier trat mit einer Flasche Whisky, Sodawasser und Gläsern ein, die er auf den Tisch stellte. Er sagte etwas zum Stellvertreter, der daraufhin nickte und ihn mit einer Kopfbewegung hinausschickte.

      »Der Arzt ist schon unterwegs, Monsieur.«

      »Na schön. Danke, ich möchte keinen Whisky. Aber trinken Sie ruhig! Sie sehen aus, als könnten Sie einen vertragen. Ich würde gern mal telefonieren. Sagen Sie dem Portier, er soll mich mit den Crystal Apartments in der Rue d’Italie verbinden. Die Nummer ist 44 907. Ich möchte mit Monsieur Kopejkin sprechen.«

      »Sehr wohl, Monsieur. Wie Sie wünschen.« Er ging zur Tür und rief nach dem Portier. Wieder gab es einen unverständlichen Wortwechsel. Der Hotelmanager kam zurück und schenkte sich großzügig Whisky ein.

      »Ich glaube«, sagte er, Grahams Vorwurf aufgreifend, »dass es nicht klug wäre, die Polizei einzuschalten. Es ist nichts gestohlen worden. Ihre Verletzung ist unerheblich. Niemand wird sich aufregen. So ist das nun einmal mit der Polizei bei uns, verstehen Sie.«

      »Ich bin mir noch nicht sicher, was ich tun werde«, fauchte Graham. Der Kopf tat ihm weh, in der Hand machte sich ein unangenehmes Pochen bemerkbar. Der Hotelmanager ging ihm allmählich auf die Nerven.

      Das Telefon klingelte. Er streckte die Hand aus und griff nach dem Hörer.

      »Sind Sie’s Kopejkin?«

      Er hörte einen verwirrten Grunzer: »Graham? Was ist? Ich bin in diesem Moment nach Hause gekommen. Wo stecken Sie?«

      »Ich sitze auf meinem Bett. Hören Sie, etwas Dummes ist passiert. In meinem Zimmer war ein Einbrecher, als ich hereinkam. Er hat auf mich geschossen, bevor er durchs Fenster entwischen konnte. Eine Kugel hat mich an der rechten Hand getroffen.«

      »Großer Gott! Sind Sie schlimm verletzt?«

      »Nein. Es war nur ein Streifschuss. Aber ich fühle mich nicht sehr wohl. Es war ein ziemlicher Schock.«

      »Mein Bester! Erzählen Sie mir genau, was passiert ist.«

      Graham erzählte es ihm. »Mein Koffer war abgeschlossen«, fuhr er fort. »Es fehlt nichts. Ich muss einen Augenblick zu früh gekommen sein. Aber es gibt Komplikationen. Der Lärm scheint das halbe Hotel aufgeweckt zu haben, auch den Stellvertreter des Direktors, der jetzt neben mir steht und Whisky trinkt. Sie haben einen Arzt gerufen, der mich verbinden soll, das ist alles. Man hat nicht versucht, den Kerl zu erwischen. Vermutlich hätte es auch nicht viel genützt, aber vielleicht hätten sie ihn ja zumindest gesehen. Ich habe ihn jedenfalls nicht gesehen. Sie meinen, er sei durch den Garten entkommen. Der Punkt ist, dass sie die Polizei nicht rufen wollen, ich müsste schon unangenehm werden und darauf bestehen. Natürlich wollen sie nicht, dass überall Polizisten herumtrampeln und der gute Ruf des Hotels Schaden nimmt. Sie sagen, wenn ich offiziell Anzeige erstatte, würde die Polizei mich daran hindern, morgen mit dem Elf-Uhr-Zug abzureisen. Wahrscheinlich haben sie recht. Aber ich kenne die türkischen Gesetze nicht. Und ich will mir keine Unannehmlichkeiten einhandeln, indem ich keine Anzeige erstatte. Den Arzt will man offenbar mit Geld kaufen. Aber das ist ihre Sache. Was soll ich tun?«

      Es entstand ein kurzes Schweigen. Dann sagte Kopejkin langsam: »Ich denke, dass Sie im Moment nichts unternehmen sollten. Überlassen Sie die Sache mir. Ich werde mit einem Freund sprechen, der gute Beziehungen zur Polizei und großen Einfluss hat. Sobald ich mit ihm gesprochen habe, komme ich zu Ihnen ins Hotel.«

      »Aber das ist doch nicht notwendig, Kopejkin, ich …«

      »Verzeihen Sie, mein Freund, es ist sehr wohl notwendig. Lassen Sie sich von dem Arzt versorgen und bleiben Sie in Ihrem Zimmer, bis ich komme.«

      »Ich hatte eigentlich nicht vor, noch auszugehen«, sagte Graham bissig, doch Kopejkin hatte bereits aufgelegt.

      In dem Moment erschien der Arzt, ein dünner ruhiger Mann mit blassem Gesicht, der einen Mantel mit schwarzem Lammfellkragen über dem Pyjama trug. Hinter ihm trat der Hoteldirektor ein, ein dicker, unangenehm aussehender Mann, der offensichtlich davon ausging, dass das Ganze nur ein Scherz war, den sich jemand ausgedacht hatte, um ihn zu ärgern.

      Er schenkte Graham einen feindseligen Blick, aber noch ehe er den Mund aufmachen konnte, berichtete ihm sein Stellvertreter unter viel Gestikulieren und Augenrollen von dem Vorfall. Der Direktor stieß dabei laute Rufe aus und sah Graham etwas weniger feindselig, dafür etwas besorgter an. Schließlich hielt der Manager inne und sagte dann mit vielsagender Miene auf Französisch:

      »Monsieur verlässt Istanbul mit dem Elf-Uhr-Zug und möchte sich daher die Unannehmlichkeit ersparen, die Sache der Polizei zu melden. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass das eine kluge Einstellung ist.«

      »Sehr klug«, pflichtete ihm der Hoteldirektor würdevoll bei, »und äußerst diskret.« Er straffte die Schultern. »Monsieur, wir bedauern unendlich, dass Sie diese unwürdige und peinliche Situation erleben mussten. Aber nicht einmal die vornehmsten Hotels der Welt können sich vor Dieben schützen, die durchs Fenster einsteigen. Gleichwohl ist sich das Hotel Adler Palace seiner Verantwortung gegenüber den Gästen bewusst. Wir werden alles Menschenmögliche tun, um die Angelegenheit zu bereinigen.«

      »Wenn es menschenmöglich wäre, den Arzt zu bitten, sich einmal meine Hand anzusehen, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«

      »Ach ja, der Doktor. Bitte tausendmal um Entschuldigung.«

      Der Arzt, der sich mit düsterer Miene im Hintergrund gehalten hatte, trat nun vor und begann, auf Türkisch Anweisungen zu erteilen. Die Fenster wurden geschlossen, die Heizung wurde aufgedreht, und der Manager musste eine Emailschüssel besorgen. Er kam sehr bald wieder, die Schüssel wurde mit heißem Wasser aus dem Badezimmer gefüllt. Der Arzt entfernte das Handtuch von Grahams Hand, tupfte das Blut ab und untersuchte die Wunde. Dann sah er auf und sagte etwas zum Hoteldirektor.

      »Monsieur«, berichtete der Hoteldirektor in klagendem Tonfall, »er sagt, dass es nichts Ernstes ist – nur eine kleine Hautschürfung.«

      »Das habe ich mir auch schon gedacht. Wenn Sie wieder ins Bett gehen wollen, bitte. Aber ich hätte gern etwas heißen Kaffee. Mir ist kalt.«

      »Sofort, Monsieur.« Er schnipste mit den Fingern in Richtung Manager, der daraufhin hinausschlurfte. »Sonst noch etwas, Monsieur?«

      »Danke, nein. Nichts. Gute Nacht.«

      »Stets zu Diensten, Monsieur. Das Ganze ist sehr bedauerlich. Gute Nacht.«

      Er ging hinaus. Der Arzt reinigte sorgfältig die Wunde und verband sie. Graham wünschte, er hätte nicht mit Kopejkin telefoniert. Die Sache hatte sich erledigt. Es war schon kurz vor vier Uhr. Wenn Kopejkin nicht versprochen hätte vorbeizukommen, hätte er noch vier Stunden schlafen können. Immer wieder gähnte er. Der Arzt war fertig, tätschelte beruhigend den Verband und sah auf. Seine Lippen bewegten sich.

      »Maintenant«, brachte er hervor, »il faut dormir.«

      Graham nickte. Der Arzt stand auf und packte seine Tasche mit der Miene eines Mannes, der sein Möglichstes für einen schwierigen Patienten getan hatte. Dann sah er auf seine Uhr und seufzte. »Très tard«, sagte er. »Gideceğim. Adiyo efendi.«

      Graham bemühte seine Türkischkenntnisse. »Adiyo, hekim efendi. Çok teşekkür ederim.«

      »Birşey değil. Adiyo.« Er verbeugte sich und ging hinaus.

      Kurz darauf kam der Manager mit dem Kaffee und einer geschäftsmäßigen Miene, die offensichtlich besagen sollte, dass auch er wieder ins Bett gehen würde, und griff nach der Whiskyflasche.

      »Die können Sie stehen lassen«, sagte Graham. »Ein Freund von mir wird gleich kommen. Vielleicht sagen Sie dem Portier …«

      Doch da klingelte schon das Telefon. Der Nachtportier meldete Kopejkin. Der Manager ging hinaus.

      Kopejkin kam mit übertrieben ernstem Gesicht ins Zimmer.