Эдгар Аллан По

Von Geistern, Zombies und Unsterblichen


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Klavier, das mich beinahe vertrieben hätte; aber endlich ging der Vorhang auf, und das Stück begann. Romeo war ein vierschrötiger älterer Herr mit geschwärzten Brauen, einer heisern Komödiantenstimme und einer Gestalt wie ein Bierfass. Mercutio war fast ebenso schlimm. Er wurde vom Komiker gespielt, der neue Stellen von sich aus improvisiert hatte und mit der Galerie auf bestem Fuße stand. Sie waren beide so grotesk wie die Dekoration, und die sah aus, als käme sie aus einer Jahrmarktsbude. Aber die Julia! Harry, stell dir ein Mädchen vor, kaum siebzehn Jahre alt, mit kleinem blumenhaften Gesicht, schmalem griechischen Kopf mit dunkelbraunen Zöpfen, mit Augen wie blaue Brunnen der Glut, mit Lippen, die wie Rosenblätter waren. Ich habe nie etwas Schöneres im Leben gesehn. Du sagtest einmal zu mir, Pathos lasse dich ungerührt, aber Schönheit, reine Schönheit an sich könne deine Augen mit Tränen füllen. Ich sage dir, Harry, ich konnte dieses Mädchen vor dem Tränenschleier, der mein Auge verdunkelte, kaum sehen. Und ihre Stimme – ich habe nie eine solche Stimme gehört. Sie war zuerst sehr leise, mit tiefen, vollen Tönen, die einem jeder für sich ins Ohr zu fallen schienen. Dann wurde sie ein wenig lauter und klang wie eine Flöte oder eine entfernte Oboe. In der Gartenszene hatte sie all die zitternde Inbrunst, die man hört, wenn die Nachtigallen vor Morgengrauen singen. Es gab im weitern Augenblicke, wo die Stimme die glühende Wildheit der Geige hatte. Du weißt, wie eine Stimme einen erschüttern kann. Deine Stimme und die Stimme Sibyl Vanes, die beiden werde ich niemals vergessen. Wenn ich die Augen schließe, höre ich sie, und jede von ihnen sagt etwas andres. Ich weiß nicht, welcher ich folgen soll. Warum sollte ich sie nicht lieben? Harry, ich liebe sie! Sie ist mir alles im Leben. Abend für Abend gehe ich hin, um sie spielen zu sehen. An einem Abend ist sie Rosalinde, am nächsten Imogen. Ich habe sie im Dunkel eines italienischen Grabgewölbes gesehn, wie sie das Gift von den Lippen ihres Geliebten küsste und starb. Ich habe gesehen, wie sie durch die Ardennen wanderte, als hübscher Knabe verkleidet, in kurzen Hosen und im Wams und mit kecker Mütze. Sie ist wahnsinnig gewesen und ist vor einen schuldvollen König getreten und gab ihm Raute zu tragen und bittere Kräuter zu kosten. Sie ist unschuldig gewesen, und die schwarzen Hände der Eifersucht würgten ihren zarten Hals. Ich sah sie in jedem Jahrhundert und in jeder Tracht. Gewöhnliche Frauen erwecken einem nie die Fantasie. Sie bleiben in ihrem Jahrhundert. Kein Zauber verklärt sie und gibt ihnen neue Gestalt. Man erkennt ihren Geist so leicht wie ihre Hüte. Man findet sie immer heraus. Nichts Geheimes ist in ihnen. Sie reiten morgens in den Park und schnattern nachmittags beim Tee. Sie haben ihr stereotypes Lächeln und ihr Benehmen nach der Mode. Sie liegen völlig auf der Hand. Aber eine Schauspielerin! Wie anders ist es mit einer Schauspielerin! Harry! Warum sagtest du mir nicht, dass nichts wert ist, geliebt zu werden, als eine Schauspielerin?«

      »Weil ich ihrer so viele geliebt habe, Dorian.«

      »Oh! Gewiss grässliche Personen mit gefärbtem Haar und geschminkten Gesichtern.«

      »Mach nur gefärbtes Haar und geschminkte Gesichter nicht schlecht. Es liegt manchmal etwas überaus Reizvolles in ihnen.«

      »Ich wollte, ich hätte dir nicht von Sibyl Vane erzählt.«

      »Du musstest mit mir darüber sprechen, Dorian. Dein ganzes Leben lang wirst du mir alles erzählen, was du tust.«

      »Ja, Harry, ich glaube, das ist wahr. Ich muss dir alles sagen. Du hast einen seltsamen Einfluss auf mich. Wenn ich je ein Verbrechen beginge, käme ich zu dir und beichtete es. Du verstündest mich.«

      »Menschen wie du – die kecken Sonnenstrahlen des Lebens – begehen keine Verbrechen, Dorian. Aber trotzdem verbindlichsten Dank für das Kompliment. Und nun sage mir – gib mir Feuer, sei so gut; danke schön! – in was für einem Verhältnis stehst du jetzt zu Sibyl Vane?«

      Dorian Gray sprang errötend und mit blitzenden Augen auf. »Harry! Sibyl Vane ist mir heilig!«

      »Nur heilige Dinge verlohnt es sich anzurühren, Dorian«, sagte Lord Henry, und ein seltsamer Anflug von Pathos war in seine Stimme gekommen. »Aber warum willst du böse sein? Ich vermute, sie wird dir eines Tages gehören. Wenn man verliebt ist, betrügt man immer anfangs sich selbst und am Ende die andern. Das nennt die Welt einen Liebesroman. Du hast sie doch jedenfalls kennengelernt, denke ich?«

      »Natürlich kenne ich sie. Als ich am ersten Abend im Theater war, kam der grässliche alte Jude nach der Vorstellung an meine Loge und bot mir an, er wolle mich hinter die Kulissen führen und mich ihr vorstellen. Ich war wütend und sagte zu ihm, Julia sei seit ein paar hundert Jahren tot und ihr Leichnam sei in einem marmornen Grab in Verona bestattet. Nach seinem bestürzten Blick zu schließen hatte er den Eindruck, ich hätte zu viel Champagner getrunken oder etwas der Art.«

      »Durchaus zu begreifen.«

      »Dann fragte er mich, ob ich für irgendeine Zeitung schriebe. Ich antwortete, dass ich nicht einmal eine läse. Er schien darüber furchtbar enttäuscht und vertraute mir an, alle Theaterkritiker hätten sich gegen ihn verschworen, und sie wären einer wie der andre zu kaufen.«

      »Es sollte mich nicht wundern, wenn er damit ganz recht hätte. Aber anderseits, nach ihrem Äußern zu urteilen, können die meisten von ihnen nicht sehr teuer sein.«

      »Immerhin schien er zu glauben, sie gingen über seine Verhältnisse«, lachte Dorian. »Mittlerweile waren aber die Lichter im Theater ausgedreht worden, und ich musste gehn. Er bat mich, ein paar Zigarren zu versuchen, die er mir lebhaft empfahl. Ich dankte. Am nächsten Abend war ich natürlich wieder da. Als er mich sah, verbeugte er sich tief vor mir und versicherte mir, ich sei ein edelmütiger Gönner der Kunst. Er war ein sehr abstoßender Kerl, obwohl er eine ungewöhnliche Leidenschaft für Shakespeare hatte. Er erzählte mir einmal mit stolzer Miene, seine fünf Bankrotte verdanke er ausschließlich ›dem Barden‹, wie er ihn hartnäckig nannte. Er schien das für eine Ehre zu halten.«

      »Es ist eine Ehre, lieber Dorian – eine große Ehre. Die meisten Leute werden bankrott, weil sie zuviel in der Prosa des Lebens angelegt haben. Sich durch Poesie zugrunde gerichtet zu haben, ist ein auszeichnender Vorzug. Aber wann sprachst du zum ersten Mal mit Fräulein Sibyl Vane?«

      »Am dritten Abend. Sie hatte die Rosalinde gespielt. Ich musste zu ihr gehn. Ich hatte ihr einige Blumen zugeworfen, und sie hatte mich angesehn, wenigstens bildete ich es mir ein. Der alte Jude war hartnäckig. Er schien entschlossen, mich mit nach hinten zu nehmen, und so willigte ich ein. Es war seltsam, dass ich sie nicht kennenlernen wollte, nicht?«

      »Nein, ich glaube nicht.«

      »Lieber Harry, warum?«

      »Ich sage es dir ein andermal. Jetzt möchte ich von dem Mädchen hören.«

      »Von Sibyl? Oh, sie war so schüchtern und so freundlich. Sie ist noch fast wie ein Kind. Sie machte in reizendem Staunen große Augen, als ich ihr sagte, was ich von ihrer Darstellung hielt, und sie schien von ihrem Können gar nichts zu wissen. Ich glaube, wir waren beide recht nervös. Der alte Jude stand grinsend an der Tür des staubigen Ankleidezimmers und hielt große Reden über uns beide, während wir einander wie zwei Kinder ansahen. Er bestand darauf, mich ›Herr Baron‹ zu nennen, und so musste ich Sibyl sagen, dass ich nichts der Art sei. Sie sagte ganz schlicht zu mir: ›Sie sehen mehr wie ein Prinz aus. Ich muss Sie Prinz Wunderhold nennen‹.«

      »Auf mein Wort, Dorian, Fräulein Sibyl versteht sich aufs Schmeicheln.«

      »Du verstehst sie nicht, Harry. Sie betrachtete mich nur so wie eine Gestalt in einem Stück. Sie weiß nichts vom Leben. Sie lebt bei ihrer Mutter, die eine verblühte ältliche Frau ist. Am ersten Abend spielte sie in einer Art türkischem Morgenrock die Lady Capulet, und sie sieht aus, als ob sie bessere Tage gesehen hätte.«

      »Ich kenne dieses Aussehen; es ist mir peinlich«, sagte Lord Henry mit unterdrückter Stimme und spielte mit seinen Ringen.

      »Der Jude wollte mir ihre Geschichte erzählen, aber ich sagte, sie interessiere mich nicht.«

      »Da hattest du recht. Andrer Leute Tragödien haben immer etwas unsäglich Gemeines.«

      »Ich kümmere mich um nichts als um Sibyl. Was bedeutet es mir, woher sie stammt? Von ihrem kleinen Kopf bis zu ihren kleinen Füßen ist sie ganz und gar ein himmlisches Geschöpf. Jeden Abend