Christof Wackernagel

Traumprotokolle


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ist es schon wieder so weit, dass ich nur noch zwischen den verschiedenen Hotels hin und her renne und nicht mehr weiß, wie es bei mir zuhause aussieht, eigentlich wollte ich es doch nicht mehr so weit kommen lassen!«; der Schauspielerkollege kommt auch mit und wir haben jeder vier geschmierte Schinkenbrote dabei, richtige Doppelstullen in kleinen Plastiktütchen, und wie wir ins Zimmer kommen, ein ziemliches großes, wohnzimmerartiges, saalartiges, denke ich: »eigentlich hab ich ja keinen Hunger, aber eines könnte ich ja schon mal essen«, und der Kollege sagt, während er sich auf den Boden bei mir in diesem riesen mit dicken Polstermöbeln eingerichteten Zimmer fläzt: »ich will jetzt auch essen!«, worauf ich denke: »ach komm, dann essen wir die eben« und er sagt: »dann essen wir eben keinen Käse, nur den Schinken, man kann doch mal ohne Käse essen, das geht doch auch!« und ich sage: »ja, das ist auch gut!« und habe plötzlich ziemlichen Hunger –

      – wir fahren nach Fadiguila10 und gabeln Batoma unterwegs auf • nach einer vor der Botschaft durchwachten Nacht – bin viel zu früh gekommen und völlig übermüdet – tadelt mich deswegen die Organisatorin der Ankunft beziehungsweise Journalistin, die mit Akten in der Hand auf dem Botschaftsvorplatz steht und auch wartet: riesen Absperrungen sind aufgebaut, meterhohe Zäune fast wie vor einem Knast, zwei Fernsehteams sind auch da, es geht darum, dass die Kinder sich auch wohl fühlen hier in der Botschaft, ich finde das aber unmöglich, dieses Verhalten, und auf dem Vorplatz steht ein »klackartiges« kleines Denkmal; und dann kommen endlich der neue Botschafter beziehungsweise erste Autos der Begleitkolonne, gigantische amerikanische Straßenkreuzer, völlig verstaubt und verdreckt von der Fahrt, was heißt, dass er mit dem Auto direkt – wahrscheinlich über Mauretanien – gekommen ist, nicht mit dem Flugzeug, das erste Auto fährt durch das geöffnete Gitter, die Fernsehteams filmen, die Organisatorin schaut kontrollierend, es ist ein beiger Straßenkreuzer, in dem in mauretanische Kaftane gekleidete Männer sitzen, dann kommt eine noch größere dunkle Limousine, bis unter die Fenster dick verstaubt und darin sitzt der neue Botschafter, ein ganz widerlicher Typ mit dunklem, zerklüfteten Gesicht, auch in einen blauen Kaftan gekleidet, die anderen sammeln sich draußen, um auch reinzukommen, und die Frau, die das alles organisiert, sagt – weil ich mich wundere, dass schon Montagmorgen ist, ich also die Nacht über da war –, dass es ja dann kein Wunder sei, dass ich am Tag vorher den Zeitpunkt nicht erwischt habe, als wir uns treffen wollten, weil ich da um fünfzehn Uhr kam, es aber in Wirklichkeit viel später war, und ich nehme mir vor, einen Artikel zu schreiben, wie unglaublich rückschrittlich so etwas ist, dass es ein Skandal ist, dass so etwas heutzutage überhaupt noch möglich ist, dass so ein Typ heute überhaupt noch Botschafter werden kann, aber dann sammelt diese Organisatorin beziehungsweise Journalistin gebrauchte Bleistifte, Kugelschreiber des Botschaftssitzes ein, was dann den »armen Negerkindern« gegeben werden soll, was ich total daneben finde • Mah nimmt sich ganz viele Kartoffeln auf den Teller und ich frage mich, ob sie die überhaupt alle essen kann • fahre ganz hinten in einem Zug, bin schon die ganze Nacht durchgefahren, völlig übermüdet und es wird langsam Tag, da sehe ich die wegfließenden Schienen und die sich erhellt habende schöne Landschaft dahinter, freue mich, dass ich diesen guten Platz erwischt habe, denke, dass ich aufpassen muss, nicht vergessen darf, meine zwei Koffer mitzunehmen, sehe dann oben auf dem Gepäcknetz Leo schlafen, die Schnauze auf einen Sack gelegt, so dass sie regelrecht nach oben weist, und bei der nächsten Station sehe ich eine Schulklasse von hinten kommen, die Kinder rennen schreiend zum Eingang und dann sehe ich sie auch weiter vorne reinkommen, ärgere mich, weil ich gerade pinkeln gehen wollte und die jetzt bestimmt die ganzen Klos besetzen, weswegen ich schnell losgehe, bevor es zu spät ist, obwohl ich ja schon hinter denen bin, und ich stelle fest, dass das ein ganz merkwürdiger Zug ist, denn das Abteil, in dem ich saß, dieses Schlussabteil ist das einzig normale, alles andere sind waggonlange Kunststoffkabinen aus hellgrau ummanteltem Hartplastik mit gerundeten Kanten, an deren Seiten zum Teil Schaffner oder uniformierte Bahnangestellte sitzen und irgendetwas arbeiten; es gibt auch Kabinen, aber das sind keine Klos, die Schulklasse ist auch nicht mehr zu sehen, auch sonst sind weit und breit keine Leute, später noch irgendwo ein Steward, und wieder weiter vorne wird es ganz merkwürdig: der Zug knickt im rechten Winkel ab, was physikalisch gar nicht möglich ist, weil er ja dann auf unglaublich breiten Schienen fahren müsste, denn er geht nach dem Knick noch sehr tief weit länger nach vorne, jeder Waggon ist verschieden gestaltet und geformt, es gibt gar keine Abteile, nur die Wagen, aber alles leer, und er fährt schnell vorwärts, man sieht eine wunderschöne, helle, meerige oder Seenlandschaft, fast weiß –

      – wir essen mit einer großen Familie mit Kindern an einem großen Tisch, ich esse wieder am meisten, bin am Ende noch nicht fertig; hab ein Glas Wein getrunken und die Tochter des Hauses, die neben mir sitzt, sagt: »es gibt nur ein Glas Wein, es ist aber auch Tee und alles Mögliche andere da – ich hab schon mal eingegossen« – und in meinem Glas ist tatsächlich Tee, den ich erstmal auf einen Rutsch trinke; draußen auf dem Turm ist ein großes Bild von diesem Essen gemalt – woher soll der Hund wissen, wovon wir reden? –

      – der Punkt der Registrierung ist selber nur eine Datei oder ein Terrain sozusagen, eine Ablagemöglichkeit, ein Terrain, auf dem dann das Gefährt, in dem das drin ist, fahren kann, aber der, der für die Sachen von unserem Dreh bereitsteht, ist eh belegt und ich hab mir das eigentlich auch schon so gedacht, also das Akzeptierte entfaltet sich nicht, aber die Sperre für meine PDFs ist auch drauf, also man muss da irgendwie neue Sachen finden, wie man die Sache sicherheitskopiert machen kann; die Sicherungskopie ist selber ein kleiner Kasten, das heißt, die Sicherungskopie ist genau so ein Paket wie das Original, aber das hilft alles nichts, das muss man irgendwohin packen und weitermachen, die Sicherungskopie ist selber ein eigener Mediaplayer, den ich installiert habe; wir sind bei Sylvia, aber wenn ich mit meinen Sachen komme, ist alles Zero Zero; um achtzehn Uhr kommt die Familie, dann steht das Original auf und es wird diese Kopie gemacht, und dann geht es überhaupt erst richtig los, und die Kopie nimmt materiell genauso viel Platz weg wie das Original und dann suchen wir eben eine Kiste raus, wo diese ganzen Sicherungsdoppelungen reinkommen, für die Formulare, die ich unterschreiben muss • ein ganz, ganz teures Restaurant, eine Mischung aus »Reste fidele« und »Gallo«, wir sind zu mehreren und alles ist voll, aber die Besitzer machen für uns, weil wir Stammgäste sind, einen Nebenraum auf, in dem bereits andere Spezialgäste sitzen, alles »very important Persons«, die uns entsprechend hochmütig angucken, weil wir schlicht gekleidet sind, ich habe mir auf der Fahrt hierher mein T-Shirt ausgezogen, weil es mir zu heiß wurde, und wir stehen am Rande und warten, bis wir einen Tisch zugewiesen bekommen, weil es erstmal so aussieht, als seien auch hier alle Tische besetzt, und diese etepetetearroganten Scheißleute gucken uns hochnäsig an, machen spitzzüngige Bemerkungen, eine ältere Frau mokiert sich, dass ich obenrum nackt bin, und ich zieh mir dann halt mein nassgeschwitztes T-Shirt wieder an, quäle mich da rein, weil es klebt und ein Schal drin ist, denn ich angezogen hatte, weil es anfänglich zu kalt war; an der Seite steht Hanns Martin Schleyer und guckt misstrauisch, wir sind zusammen da hingegangen, um mal in Ruhe über alles zu reden, weswegen auch die Restaurantbesitzer kommen und sagen, dass das doch eine ganz besondere Gelegenheit sei, die man ausnützen müsse, wenn Hanns Martin Schleyer da sei, reiben sich geradezu die Hände vor Befriedigung über diese Wichtigkeit, würden am liebsten sofort die Presse holen, suchen einen besonderen Tisch, an dem wir alles besprechen können, was mir alles sehr peinlich ist, vor Schleyer, vor den anderen und überhaupt ist alles völlig unklar, vor allem, woher die wissen, wer er ist, aber dann beginnt das Gespräch und Schleyer, der seitlich an der Wand an einen Tisch gelehnt steht, hat etwas in der Hand, was ich erst mit der Zeit als eine ziemlich große, längliche, rechteckige Kamera erkenne, mit der er mich aufnimmt, weswegen ich mich frage, ob er so was immer dabei hat und dauernd alle Leute aufnimmt, er sagt aber zunächst, dass er auch mal die Gelegenheit wahrnehmen möchte, mit mir zu reden und mich zu fragen, wie ich dazu komme, ihn zu entführen, wobei er ziemlich sauer wird, sich in Rage redet, wütend mir hinter seiner Kamera, deren Monitorbild ich im dahinterliegenden Fenster gespiegelt sehe, vorwirft, ich sei doch derjenige gewesen, der ihm das Tuch über den Kopf geworfen habe, woraufhin ich ausflippe und sage: »das stimmt doch überhaupt nicht, damals war ich doch noch gar nicht bei der RAF, ich bin doch erst ein paar Tage später abgetaucht und dazugestoßen, selbst die Polizei weiß, dass ich damals noch gar nicht bei der RAF war!«, aber dann flippt er auch aus, glaubt kein Wort, geht raus in die Garderobe, fummelt an den Mänteln rum, denkt dabei nach und kommt wieder rein, hat sich beruhigt und sagt: »ja,