ist ein sehr großzügiges Angebot«, murmelte Julia herzklopfend.
»Wegen der Hitze brauchen Sie keine Angst zu haben, es ist nahe am Meer gelegen, und ein Pinienwäldchen spendet Schatten«, so führte ihr Mathias das Urlaubsziel weiterhin verlockend vor Augen.
Julia seufzte auf, wie in einer tiefen inneren Bedrängnis. »Ich würde gern mitkommen, Mathias«, sprach sie leise. »Aber ich kann nicht so lange auf Florian verzichten. Es ist doch wenig genug, was ich von ihm habe.« Dabei hielt sie den Blick zu Boden gesenkt.
»Nehmen Sie ihn doch mit«, schlug Mathias lebhaft vor. »Haben Sie nicht das Recht, Ihr Kind ferienhalber einmal im Jahr bei sich zu haben? Im allgemeinen wird das zwischen geschiedenen Eltern so geregelt, egal, wer das Sorgerecht hat.«
»Ich weiß nicht – nein, ich glaube, das ist damals nicht festgelegt worden«, brachte Julia verunsichert hervor.
»Dann bestehen Sie darauf«, riet ihr Mathias energisch. »Ich habe den Eindruck, daß man Sie ziemlich überfahren hat bei der Verhandlung.«
»Ja, das hat man wohl«, gab Julia traurig zu. »Die Gegenpartei war stärker, und ich war so fertig.«
Mathias preßte die Lippen zusammen. Er konnte es sich vorstellen. Nicht immer siegte die Gerechtigkeit, leider. Die Schwächeren blieben am Wege.
»Wenn Sie wollen, rede ich in meiner Eigenschaft als Rechtsanwalt mit Florians Vater«, sagte er. »Er muß es Ihnen zugestehen, daß Sie einen Urlaub mit dem gemeinsamen Sohn verbringen können.«
Julia blieb plötzlich stehen. Mit einem langen Blick sah sie den Freund an. »In Ihrem kostbaren Urlaub wollten Sie auch noch einen vierjährigen Jungen mitnehmen, der Ihnen im Grunde ganz fremd ist?« fragte sie überwältigt, als begriffe sie es erst jetzt.
Mathias war es, als tauche er unter in diesen schönen ernsten Augen. »Es ist dein Sohn, Julia. Wie könnte er mir fremd sein«, sagte er.
Julia erbebte vor dem, was in seiner Stimme, seinem Ausdruck lag. »Mathias«, flüsterte sie, halb fragend, noch ungläubig.
Da nahm er sie in seine Arme. »Ja, ich liebe dich, Julia…« Sein Gesicht neigte sich dem ihren zu, und er küßte den Mund, der sich ihm entgegenhob.
Eine Woge des Glücks erfaßte Julia. Wie lange war es her, daß ein Mann sie zärtlich in die Arme genommen hatte. Mathias liebte sie, und sie liebte ihn auch. Hatte sie es nicht schon gespürt in mancher Stunde und es sich nur nicht eingestehen wollen?
Später sagte sie: »Ich werde nun die Kraft finden, selber mit Florians Vater zu reden, daß er mir den Jungen für die Zeit eines Urlaubs überläßt. Es sollen schöne Tage für ihn werden.«
»Für uns drei, Julia«, verbesserte Mathias und drückte sie an sich.
*
Noch an diesem Abend kam ein Anruf von Anette aus Amerika. Trotz der Entfernung klang ihre Stimme so nah, als stünde die neben Julia.
»Ich weiß, daß es bei euch schon spät ist, aber ich habe dich nicht früher erreicht, Kusinchen«, sagte sie entschuldigend.
»Macht nichts, ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Was gibt es denn, Anette?«
»Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Julia. Ich habe mich hier mit einem Mädchen namens Hillary angefreundet, das sich für das nächste Semester an unserer Uni einschreiben lassen will. Sie kann vorübergehend meine Wohnung haben, bis sie eine andere Unterkunft gefunden hat. Bist du so gut und erwartest sie dort und gibst ihr den Schlüssel? Sie wird morgen gegen fünfzehn Uhr eurer Zeit landen und nimmt dann ein Taxi vom Flughafen.«
»In Ordnung, ich werde sie in Empfang nehmen«, versprach Julia.
»Du bist ein Engel«, sagte Anette dankbar. »Wie geht’s dir denn so? Du hörst dich trotz der späten Stunde ganz munter an.«
»Es geht mir besser, Anette. Ich arbeite wieder, und ich bin auch nicht mehr so allein.« Von einer neuen Liebe zu sprechen erschien ihr noch verfrüht, obwohl ihr Herz voll war. Das ließ sich nicht so leicht dahinsagen in einem kurzen Telefonat.
Noch ein paar Worte hin und her, und sie legte auf.
Am nächsten Tag kaufte sie ein wenig ein für die junge Amerikanerin, die da kommen sollte und stellte den Kühlschrank an. Sie brauchte nicht lange zu warten, bis sie sie in Empfang nehmen konnte. Hillary war ganz glücklich, und aufgeregt war sie auch, da sie nun zum ersten Mal in Europa war und soviel Neues auf sie zukommen würde.
Sie sprach deutsch mit starkem Akzent, den sie hier bald loswerden wollte, wie sie versicherte. Von Anette berichtete sie, von ihren Studien und ihren Vergnügungen, während sie zusammen einen Tee tranken, den Julia bereitet hatte. So vergingen ein, zwei Stunden rasch.
»So, jetzt werde ich Sie alleinlassen, damit Sie auspacken und sich häuslich einrichten können«, sagte Julia schließlich. »Ich denke, daß Sie sich hier wohl fühlen werden, Hillary, und sich bald zurechtfinden in der fremden Stadt. Wenn Sie mit irgend etwas nicht klarkommen, rufen Sie mich an. Dann helfe ich Ihnen.«
Hillary umarmte sie beim Abschied und küßte sie auf beide Wangen. »Anette hatte mir schon erzählt, daß sie eine ganz süße Kusine hat. Danke, daß Sie mich so lieb empfangen haben.«
Mit dem Lift fuhr Julia hinunter. Sie verließ das Hochhaus und überquerte die Straße. Hier in der Nähe war die Kanzlei von Mathias. Ob er noch bei der Arbeit war? Unmerkbar umspielte ein weiches Lächeln ihren Mund. Doch als sie einen Blick hinüberschickte, erstarrte sie…
Vor dem Eingang des Geschäftshauses stand Mathias mit einer jungen Frau. Sie schienen sehr vertraut miteinander zu sein. Sie stand dicht neben ihm und rieb den rotlockigen Kopf an seiner Schulter. Dann gingen sie zusammen fort, sie an seinen Arm gehängt und ihre Schritte den seinen anpassend. Wie zwei, die zusammengehörten.
Julia war wie vor den Kopf geschlagen, wie betäubt. War das derselbe Mann gewesen, der zu ihr gestern noch von Liebe gesprochen und sie geküßt hatte? Küßte er jetzt eine andere, war er gar nicht allein? Aber so konnte ein Mensch doch nicht lügen! Warum denn sollte er ein grausames Spiel mit ihr getrieben haben?
Sie fuhr nach Hause, ging sinnlos in ihrer Wohnung herum, rückte hier an einer Vase, dort an einem Kissen. Ihr kleiner Hund hielt sich dicht bei ihr, erwartungsvoll zu ihm emporsehend. Ging Frauchen denn nicht mit ihm Gassi, wo er doch brav ein paar Stunden alleingeblieben war?
»Ja, gleich, Olli«, sagte Julia abwesend.
Was sie dann dazu trieb, Mathias anzurufen, hätte sie später nicht zu sagen gewußt. Einfach irgend etwas unternehmen, das war es wohl.
Der Ruf ging zweimal ab, dann meldete sich eine helle Frauenstimme: »Ja – hallo –«
Julia warf den Hörer zurück, als brenne er wie Feuer in ihrer Hand.
»Komm, Olli.« Sie griff nach der Hundeleine und ging mit ihm hinunter.
*
»Ich habe hier unten auf dich gewartet«, hatte Kerstin gesagt. »Ich will nicht, daß du böse mit mir bist.«
»Ich bin nicht böse mit dir«, antwortete Mathias. »Ich hätte dich heute abend sowieso angerufen.«
»Weißt du«, sprach sie weiter und lehnte ihr Gesicht vertraulich gegen ihn, »wir hatten immer entsetzlich viel zu tun im Büro, es ist doch Hochsaison. Zum Tennisspielen bin ich auch nicht mehr gekommen. Es war soviel anderes los.«
»Ist ja gut, Kerstin. Wir müssen einmal miteinander reden.«
»Ja«, sagte sie eifrig. »Fahren wir zu dir?«
»Ich habe heute meinen Wagen nicht.«
»Meiner steht in der Herderstraße. Komm!« Und sie hängte sich bei ihm ein. Kaum waren sie in seiner Wohnung, da schlang sie beide Arme um seinen Hals und drängte sich an ihn. Sacht schob Mathias sie von sich. Er führte sie zum Sessel und setzte sie wie eine Puppe hinein.
»Kerstin«,