zu Hause aus«, sagte Barbara in ihrer burschikosen Art, bevor sie sich der Arbeit zuwandte.
Am Abend machte Carsten seiner Frau Vorwürfe, daß diese ›Panne‹ passieren konnte. Sie vergaß doch sonst nichts.
»Hast ja recht«, sagte sie nur, und damit schien das Thema für heute erledigt zu sein.
In der Nacht lagen sie wie immer nebeneinander in dem breiten Ehebett. Aber dennoch waren sie sich fern.
*
Wie schon vor vier, fünf Wochen kam auch diesmal der Anruf von Mathias Walden ganz überraschend für Julia. Nur daß es diesmal am späten Nachmittag war und nicht abends um halb neun. Sie hatte manchmal noch flüchtig an jenen Abend gedacht, an dem ihr seine Gesellschaft nicht unangenehm gewesen war.
»Ich hätte etwas für Sie«, sagte er nach einigen freundlichen Begrüßungsworten. »Sie sollten es sich ansehen und mir sagen, ob Sie es haben wollen.«
»Das klingt ja spannend. Was ist es denn?« fragte Julia, neugierig geworden.
»Das möchte ich Ihnen eigentlich noch nicht verraten.« Ein Lächeln war in seiner angenehmen Stimme. »Es soll eine Überraschung für Sie sein. Darf ich mal zu Ihnen kommen?«
Sie hatte nichts dagegen. Es wunderte sie nur ein wenig, daß er sie nicht längst vergessen hatte.
Es war doch fast halb sieben geworden, als er zu ihr kam. Er trug einen flachen Korb vor sich her, in dem sich, unter einer leichten Decke, etwas bewegte. Als er diese zurückschlug, beobachtete er mit Spannung ihre Reaktion. Eine Überraschung war das in der Tat für Julia.
»Ein Hündchen!« rief sie aus. »Ach, ist das süß!« Und sie nahm es auf, das seidenweiche Knäuel, das sich ihr entgegendrängte und sogleich ihre Hand zu lecken begann.
»Gefällt er Ihnen?« fragte Mathias freudig. »Es ist ein reinrassiger Spaniel, erst acht Wochen alt, aber schon stubenrein.«
Julia streichelte ihn, er war goldbraun, hatte, so klein er auch noch war, lange Schlappohren und breite, tapsige Pfoten.
»Sie haben doch neulich gesagt, daß Sie sich vielleicht einen Hund anschaffen wollten«, fuhr ihr Besucher fort. »Nun brauchen Sie sich keinen aus dem Tierheim zu holen. Sie können dieses Tierchen haben. Es heißt Oliver von Rheinfelden. Stolzer Name, was?« Er lachte.
»Ja, aber…« Verwirrt setzte Julia ihn in den Korb zurück, den Mathias auf den Boden gestellt hatte. Daß sie einmal davon gesprochen hatte, war ihr völlig entfallen. Es war doch nur eine beiläufige Bemerkung in dem Restaurant gewesen. Daß der Mann sich das gemerkt hatte. »Ich kann das doch nicht einfach als Geschenk annehmen, Herr Walden.«
»Das können Sie sehr wohl«, widersprach Mathias. »Ein Freund von mir hat vier Stück davon, er kann sie nicht alle behalten, die seine bildschöne Hündin zur Welt gebracht hat. Ein Geschäft will er nicht machen mit den Welpen, nur sicher sein, daß sie in gute Hände kommen.«
Julia schüttelte den Kopf. Sie konnte es noch gar nicht fassen, daß sie so plötzlich zu einem Hund kommen sollte. Sie sahen bald auf den kleinen Kerl, der aus dem Korb gesprungen war und schnüffelnd herumwuselte.
»Wollen Sie ihn behalten, Frau Rodenbach? Oder werden Sie sich doch zu sehr damit angebunden fühlen? Ich will Sie keinesfalls überrumpeln.«
»Ich glaube, ich möchte«, murmelte Julia gedankenvoll. »Als Kind hatte ich auch einen Hund. Es war ein Terrier, er hieß Toby…«
»Sehen Sie, nun haben Sie einen Olli, so nannte ihn die Familie.«
Und in diesem Augenblick machte Olli ein Pfützchen auf den Perserteppich.
»Ach du meine Güte!« rief Mathias aus und sah erschrocken auf den dunklen Fleck. »So was nennt sich nun stubenrein!«
»Das ist nur die Aufregung über die neue Umgebung«, nahm Julia das Hündchen in Schutz. Sie ging in die Küche, um einen Lappen zu holen.
»Lassen Sie mich das machen«, sagte Mathias und nahm ihn ihr aus der Hand. »Ja, du brauchst gar nicht so unschuldig zu gucken«, redete er zu dem Hund, während er trockenrieb. »Gehört sich das vielleicht beim Antrittsbesuch bei einer Dame? – Wollen Sie ihn immer noch behalten?« wandte er sich mit einem humorvollen Lächeln an Julia.
»Ja«, lachte sie. »Ich behalte ihn.«
Jetzt lachte sie doch einmal! Mathias stellte es fast mit Erleichterung fest, daß sie doch auch noch lachen konnte. Wie es sie doch veränderte, wie hübsch sie dann war. Wobei hübsch eigentlich nicht das richtige Wort war. Es war viel mehr.
Er nahm den Blick von ihr, und fröhlich sagte er: »Dann ist meine Mission hier also beendet. Mein Freund wird zufrieden sein, wenn ich ihm nachher erzähle, daß der erste ein gutes Frauchen gefunden hat.«
»Und was ist mit dem Korb?« fragte Julia.
»Der gehört dazu. Ich habe ihn vorhin noch besorgt, deshalb kam ich etwas später. Ein Päckchen Hundekuchen liegt auch noch drin.«
»Sie haben das extra noch gekauft? Waren Sie so sicher, daß ich ihn behalten würde?«
»Ich habe es gehofft, weil ich glaube, daß der kleine Geselle Ihnen guttun wird. – Übrigens, darf man sich erkundigen, ob Sie Ihr Versprechen gehalten haben?«
»Ich weiß, was Sie meinen. Ihr Neffe kann hoffen«, antwortete sie.
Mathias Walden verabschiedete sich, nicht ohne Julias neuen Hausgenossen zu ermahnen sich anständig zu benehmen.
»Wie soll ich Ihnen nur danken«, sagte Julia, schon an der Tür. Sie war etwas verlegen, daß er nicht einmal die Auslage für den Korb erstattet haben wollte.
»Indem Sie mir gelegentlich von Ollis Wachsen und Gedeihen berichten«, meinte der Mann in scherzhaftem Ton. »Adieu, Frau Rodenbach.«
Florian war begeistert, als er am Wochende kam. Er spielte mit dem Hündchen, er trug es herum, und er durfte es an der Leine spazierenführen, wenn er mit seiner Mama spazierenging.
»Darf ich ihn behalten?« fragte er.
Julia strich ihm über das Haar. »Olli leistet mir Gesellschaft, wenn du nicht da bist, Schatz. Es ist ein Geschenk, und Geschenke soll man nicht weitergeben.«
Ihr Sohn nickte verständig. »Ich komm ihn ja auch immer wieder besuchen«, meinte er.
*
Ina legte ein paar Sachen in ihren Koffer. Durch die offenstehende Tür vernahm sie die Stimme des Ansagers, der die Spätnachrichten verlas: Kriege, Streiks, Geiselnahme. Mußte man sich das wirklich immer anhören?
Endlich schaltete Carsten ab. Er kam ins Schlafzimmer. »Was tust du denn da?« fragte er verdutzt.
»Ich fahre ein paar Tage weg«, antwortete sie mit blasser Miene, aber sehr entschlossen.
»Weg – jetzt? Wohin willst du fahren?« kam es fassungslos zurück.
»Das weiß ich noch nicht so genau. Irgendwohin aufs Land, wo ich mal durchatmen kann.«
Carsten warf die Arme in die Luft. »Wir starten eine neue Werbekampagne, Ina! Wie kannst du da plötzlich auf die Idee kommen…« Es schien ihm so absurd, daß er den Satz nicht vollendete, sondern nur heftig den Kopf schüttelte.
»Du denkst nur an die Geschäfte«, hielt seine Frau ihm erbittert vor. »Du tust, als sei alles beim alten. Seit wie vielen Tagen geht das nun schon so, daß du jedem Gespräch ausweichst. Ich trau mich schon gar nicht mehr, davon anzufangen.«
Sie legte einen Pullover zusammen und tat ihn zu den anderen Kleidungsstücken in den Koffer.
Daß er sie mit ihren Problemen alleinließ, war das Schlimmste für sie. War es denn nicht auch sein Problem? Aber nein, Carsten steckte den Kopf in den Sand.
Auch jetzt sah er wieder an ihr vorbei.
»Was sollen wir denn groß darüber reden«, sagte er. »Ich überlasse