James Fenimore Cooper

Der Kettenträger


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wie Viele sind es denn wohl von dieser ganz besonders friedlichgesinnten Gattung? – sechs, oder ein Dutzend oder zwanzig?«

      »Nur vier; und so werden Deine zärtlichen Gefühle nicht allzusehr in Anspruch genommen und besteuert werden. Dein Herz hat, hoffe ich, Raum für vier weitere Freunde?«

      »Für tausend, wenn ich sie finden kann, meine Liebe. Ich kann so viele Freunde annehmen, als Dir beliebt, aber für Andere habe ich keinen Platz. Alle andern Nischen sind besetzt.«

      »Besetzt! – Ich hoffe, das ist nicht wahr, Mordaunt. Ein Platz wenigstens ist noch leer!«

      »Wahr! ich hatte vergessen, daß Ein Platz für den Bruder vorbehalten bleiben muß, den Du mir einst geben wirst. Nun, nenne ihn mir nur, sobald Du Lust hast; ich werde bereit seyn, ihn zu lieben, Kind.«

      »Ich werde vielleicht nie einen so gewichtigen Wechsel auf Deine Gefühle ziehen. Anneke hat Dir schon einen Bruder gegeben, und zwar einen trefflichen, und das sollte einen vernünftigen und billigen Mann befriedigen.«

      »Ja, so sprecht Ihr jungen Frauenzimmer zwischen fünfzehn und zwanzig Jahren Alle, aber gewöhnlich ändert Ihr am Ende Euren Sinn. Je eher Du mir daher sagst, wer der junge Mann ist, desto eher werde ich anfangen, ihn zu lieben – ist es etwa Einer von diesen Bayards? – ein Ritter ohne Furcht und Tadel?«

      Kate hatte für gewöhnlich eine sehr blühende Gesichtsfarbe; aber wie ich jetzt mein Auge fragend auf sie heftete, mehr aus Schalkhaftigkeit jedoch, als in der Erwartung, etwas Neues zu erfahren, sah ich die Rosen auf ihren Wangen sich bis über die Schläfe ausbreiten. Der kleine Biberhut, den sie trug, und der ihr ganz erstaunlich gut stand, reichte nicht hin, dies heftige Erröthen zu verdecken, und ich begann jetzt wirklich zu vermuthen, einen empfindlichen Punkt ihres Herzens getroffen zu haben. Aber meine Schwester war ein Mädchen von Geist und Besonnenheit, und so wenig es kostete, sie erröthen zu machen, war es doch gar nicht leicht, sie aus der Fassung zu bringen.

      »Ich hoffe, Euer neuer Bruder, Mordaunt, falls je eine solche Person auftreten sollte, wird ein achtbarer Mann seyn, wenn auch nicht gerade ein Mann ohne allen Tadel,« antwortete sie. »Aber wenn es einen Tom Bayard gibt, so gibt es auch eine Pris Bayard, seine Schwester.«

      »So – so – das ist mir in der That Alles ganz neu! Was den Mr. Thomas Bayard betrifft, so will ich über ihn keine Fragen thun, da mein Interesse an seiner Person, soweit ein solches stattfinden sollte, ganz und gar ex officio ist, wie man sagen könnte, und eine Sache, die sich von selbst versteht; aber Ihr werdet mich entschuldigen, wenn ich einige Neugier verrathe in Betreff der Miß Priscilla Bayard, einer Lady, die ich, wie Ihr bedenken müßt, nie gesehen habe.«

      Mein Auge ruhte die ganze Zeit auf Kate, und ich glaubte zu bemerken, daß sie vergnügt aussah, obwohl sie noch etwas befangen war.

      »Fragt, was Ihr wollt, mein Bruder; Priscilla Bayard kann eine sehr genaue Prüfung wohl aushalten.«

      »Nun denn, erstens: hat die alte Klatscherin auf Miß Priscilla angespielt, wenn sie sagte, es werde bei den Bayards leichte und vergnügte Herzen geben?«

      »Ha, ich kann nicht einstehen für die Einbildungen der armen Mrs. Light. Stellt Eure Fragen in einer anderen Form.«

      »Besteht ein sehr vertrautes Verhältniß zwischen den Leuten vom Bush und denen von den Hickories?«

      »Ein sehr vertrautes; wir haben sie ausnehmend gern, und sie, glaube ich, uns auch.«

      »Erstreckt sich diese Freundschaft auf die jungen Leute, oder beschränkt sie sich auf die alten?«

      »Das ist ziemlich persönlich,« sagte Kate lachend, »da ich zufällig das Einzige von jungen Leuten auf dem ›Bush‹ bin, welches besagte Freundschaft hegen kann. Da jedoch Nichts daran ist, dessen man sich zu schämen hätte, sondern im Gegentheil viel, worauf man stolz seyn darf, will ich Euch antworten: sie schließt alle Alter und Geschlechter ein; Alle, mit Einem Wort, außer Euch.«

      »Und Ihr habt den alten Mr. Bayard gern?«

      »Ganz erstaunlich.«

      »Und die alte Mrs. Bayard?«

      »Sie ist eine sehr angenehme Person, und eine treffliche Gattin und Mutter.«

      »Und Ihr liebt Pris Bayard?«

      »Wie meinen Augapfel!« antwortete das Mädchen mit Nachdruck.

      »Und Ihr mögt den Tom Bayard, ihren Bruder, gerne leiden?«

      »So viel schicklich und anständig ist für ein junges Frauenzimmer, den Bruder eines anderen jungen Frauenzimmers gerne leiden zu mögen, das sie gesteht, wie ihren Augapfel zu lieben.«

      Obgleich es nicht leicht war, wenigstens für mich nicht leicht, die Zunge von Kate Littlepage zum Stillstehen zu bringen, so war es doch auch für sie nicht leicht, das verräterische Blut immer in Ordnung zu erhalten. Sie war entzückend schön in ihrem Erröthen, und glich ganz und gar dem Bilde, das ich mir oft von meiner guten Mutter zur Zeit ihrer schönsten Blüthe gemacht hatte, in dem Augenblick, wo sie diese Antworten mit solcher Festigkeit und Sicherheit gab, als wenn sie ihr gar keine innere Bewegung verursachten.

      »Wie hängt aber dies Alles zusammen mit der Freude, welche die Leute auf den Hickories über meine Rückkehr haben sollen? Seyd Ihr die Verlobte von Tom Bayard, und habt Ihr meine Rückkehr abgewartet, um ihm Eure Hand zu geben?«

      »Ich bin nicht die Verlobte von Tom Bayard, und habe nicht Eure Rückkehr abgewartet, um ihm meine Hand zu geben,« antwortete Kate mit fester Stimme. »Was der Mrs. Light Geschwätze betrifft, so könnt Ihr von mir nicht verlangen, daß ich es Euch erkläre. Sie rafft ihre Nachrichten von Dienern und anderen Leuten der Art zusammen, und Ihr wißt, was solche Gerüchte gewöhnlich Werth sind. Aber was das anbelangt, daß ich Deine Rückkehr sollte abgewartet haben, mein Bruder, um ein solches Verhältniß zu erklären, so mußt Du gar nicht wissen, wie sehr ich Dich liebe, wenn Du glauben kannst, ich wäre im Stande, so Etwas zu thun.«

      Kate sagte dies mit Gefühl und ich dankte ihr mit den Augen, konnte aber nicht sprechen, und sprach nicht, bis wir eine Strecke weiter geritten waren. Nach dieser Pause knüpfte ich das Gespräch ungefähr im ursprünglichen Tone wieder an.

      »Ueber diesen Gegenstand, Katrinke, meine Liebe,« sagte ich, »verstehen wir einander, hoffe ich. Unverheirathet oder verheirathet wirst Du mir immer lieb und theuer seyn; und ich gestehe, es würde mich schmerzen, wenn ich Einer der Letzten wäre, die von Deiner Verlobung hörten, falls es einmal dazu kommt. Und jetzt, um von dieser Pris Bayard zu sprechen – erwartet Ihr, daß ich an ihr Wohlgefallen finden werde?«

      »Ob ich es erwarte? es würde einer der glücklichsten Augenblicke meines Lebens seyn, Mordaunt, wenn ich Euch bekennen hörte, daß Ihr sie liebt!«

      Dies ward mit großer Lebhaftigkeit gesprochen und in einer Art, welche zeigte, daß es meiner Schwester sehr ernst war. Ich empfand einige Ueberraschung, als ich dies Gefühl in Verbindung setzte mit den Bemerkungen der Wirthin und begann zu vermuthen, es möchte doch wohl Etwas hinter dem Vorhang seyn, was meiner Beachtung werth wäre. Um jedoch Entdeckungen zu machen, war es nothwendig, das Gespräch zu verfolgen.

      »Wie alt ist Miß Bayard?« fragte ich.

      »Sie ist zwei Monate älter als ich – ganz passend, nicht wahr?«

      »Ich habe gegen den Altersunterschied Nichts einzuwenden, welcher ganz gut seyn wird. Besitzt sie viel Bildung und Talente?«