am Pool, im Schatten der Palmen. Genialer ging es nicht, und bald hatten wir unseren Rhythmus gefunden: Rein ins Wasser – raus zur Eis-Tanke – wieder rein ins Wasser und so weiter. Meistens machten wir Reiterkämpfe bis zum Umfallen.
Und jetzt wollten wir uns auf unseren Liegen erholen.
Auf denen saßen aber, feixend und johlend, die Strammscheitel, mit ihren Biergläsern in der Hand.
„Da sind ja wieder unsere Billig-Campis!“, wurden wir von Attila begrüßt. „Das war wirklich artig von euch, uns die Liegen freizuhalten!“ Die anderen prosteten ihm begeistert zu. Er machte eine lässige Handbewegung in unsere Richtung. „Ihr könnt euch jetzt trollen, falls ihr keinen Ärger wollt.“
Mein Herz pochte wie wahnsinnig. „Ihr könnt den Leuten doch nicht einfach ihre Plätze wegnehmen!“, kam es trotzdem aus mir raus.
Attila grinste mich höhnisch an und zeigte auf sein gelbes Bändchen „Können wir doch! Schließlich haben wir ja auch bezahlt, im Gegensatz zu euch Billig-Touris. Ihr könnt euch ja ne Liege auf eurem Campingplatz aufstellen.“
Seine Bande brüllte vor Lachen.
„Und falls ihr jetzt nicht abzieht, können wir ja ein bisschen nachhelfen.“ Er stand auf, nahm unsere Badetücher und warf sie in hohem Bogen in den Pool.
Während ich noch nach Luft schnappte, hörte ich auf einmal Tatis Stimme hinter mir. Ich wusste gar nicht, dass er so laut werden konnte. „Hol die Sachen wieder raus, und zwar sofort! Und wehe, ihr lasst die Kinder nicht Ruhe!“
Das Gebrüll zeigte Wirkung. Attila fischte die Badetücher aus dem Wasser und warf sie auf unsere Liegen. Bevor er mit seiner Bande abzog, hörte ich ihn noch zischen: „Wir sehen uns wieder!“
5. KAPITEL
Schuss ins Schwarze
Und das taten wir. Und zwar ziemlich bald.
Wegen des Quallenalarms war der Strand auch noch nach dem Mittagessen gesperrt, und am Pool war es inzwischen so voll, dass uns die Lust vergangen war. Außerdem, um ehrlich zu sein, hatten wir auch ein bisschen Angst vor den Strammscheiteln. Tati war längst bei seinem Zweistein und den anderen Fischer-Freunden in der Stadt.
Wir saßen also nach dem Mittagspicknick etwas unschlüssig vor dem Wohntempel rum und wussten nicht so recht, was wir mit dem Rest des Tages anfangen sollten. „Lasst uns doch eine Exkursion zu den Ausgrabungen in Alexandros machen, die haben da eine Kultstätte aus der mykenischen Zeit entdeckt.“ Papa hatte wieder mal unstillbaren Durst auf Tempel.
Zum Glück wurde die Idee von Mama sofort beerdigt. „Ach Reinhard, es ist doch viel zu heiß. So was muss man früh morgens machen.“
Womit aber die Frage noch nicht beantwortet war, was wir jetzt machen sollten.
„Wir könnten ja mal das Animationsprogramm checken“, meinte JoJo.
Seit wir hier auf der Insel waren, lag er uns mit dem Animationsprogramm in den Ohren. Er stellte sich offensichtlich was weiß ich was vor, was ganz Großartiges jedenfalls. Wir anderen fanden das nicht so prickelnd, aber JoJo ließ nicht locker. „Warum sollen wir das nicht mal ausprobieren? Ich finde, wenn man schon mal in so einem Ferienclub ist, muss man auch die Möglichkeiten nutzen, die da geboten werden!“
Da keinem von uns etwas Besseres einfiel, machten wir uns also auf den Weg ins Dorf. Samt Ute, die wahrscheinlich von der stillen Hoffnung getrieben war, irgendwo ihren Chrissy zu treffen.
Neben dem Fresstempel gab es eine Schautafel, auf der das Programm mit den Freizeitaktivitäten angeschlagen war, daneben war das Häuschen der Animateure. Wir wurden gleich von einer netten Blonden mit Pferdeschwanz in Empfang genommen, die sich als Lulu vorstellte. Leider sei der Andrang diesen Nachmittag so groß, dass schon alle Kurse voll belegt seien, außer „Mathe für Mädchen“. Und Bogenschießen. Aber das sei doch auch super cool und voll krass und fett und bei der Hitze gerade das Richtige. Der Schießplatz sei „absolut Hightech“, und außerdem – das sagte sie mit einem Augenzwinkern – seien die angesagtesten Animateure überhaupt dabei, nämlich die legendäre Lulu und der supercoole Christoph.
Worauf Ute einen hysterischen Schrei von sich gab: „Chrissy!!!“
Lulu schenkte Ute ein verständnisvolles Lächeln. „Fängt gleich an, ich freu mich auf euch!“
Also Bogenschießen. Ich hatte ja eigentlich schon Lust, aber …
„Simon, du wirst dich zu Tode langweilen“, vollendete MM den Gedanken, der gerade in meinen Kopf gekommen war. Sie schaute Simon voller Mitleid an.
„Ach Leute“, sagte Simon mit seinem gewohnten leisen Lächeln, „keine Sorgen wegen mich … wirklich, ist vielleicht mal ganz nett, ein anderes Bogen zu probieren.“
Wer Simons Bogen zu Hause kennt, weiß, dass es für ihn alles andere als „nett“ sein konnte, mit irgendwelchen Spielzeugbögen auf eine Pille-Palle-Zielscheibe in zwanzig Meter Entfernung zu schießen. Im Bogenschießen ist Simon der absolute Vollprofi. Zuhause in seinem Sportclub trainiert er in achtzig Meter Entfernung. Ein paar Mal habe ich ihn zum Training begleitet. Dass man auf so eine Distanz überhaupt eine Zielscheibe treffen kann, ist für mich schon ein Wunder, aber dass man dann auch noch voll in die Mitte trifft, ist schlicht übermenschlich, finde ich.
Lulu hatte sich schon auf den Weg gemacht, wir trotteten ihr hinterher. Der „Hightech-Schießplatz“ sah auf den ersten Blick nach allem anderen als nach Hightech aus: eine Bretterbude auf einer vertrockneten Wiese, dazu drei bunte Schießscheiben mit einer Wand aus Stroh dahinter, für die verirrten Pfeile.
Chrissy wartete schon und nahm uns sehr nett in Empfang. Ute hatte rote Flecken am Hals und klimperte so wild mit ihren Wimpern, dass Chrissy sie besorgt fragte, ob sie was in die Augen bekommen hätte. JoJo prustete darauf so heftig los, dass er Schluckauf bekam. Das konnte ja heiter werden.
Außer uns war noch die ganze holländische Familie da, wie immer alle orange angezogen, auch das Baby, und noch ein paar Leute, die ich nicht kannte.
Leider waren das aber noch nicht alle. Vom Dorf her kam jetzt nämlich eine Gruppe anmarschiert, deren Gegröle schon von Weitem zu hören war. Mein Herz machte einen kleinen Stolperer, und ich schaute unwillkürlich zu den anderen. Auch ihnen stand ein kleiner Adrenalinstoß ins Gesicht geschrieben.
„Shit happens“, sagte Simon.
„Machen wir das Beste draus“, flüsterte MM.
„Ute!“ Der kleine Benni hatte offenbar Ute entdeckt und kam auf sie zu geflitzt. Die Großen kamen langsam hinterher, mit einem merkwürdig schwankenden Gang.
„Bestimmt besoffen“, sagte MM.
Sie hatten uns natürlich sofort erkannt. „Na, die Billigcamper, ich sagte doch, wir treffen uns wieder!“, warf uns Attila mit seinem fiesen Grinsen zu.
Ich war froh, dass die supercoole Lulu gerade in dem Moment alle an der Bretterbude zusammenrief und mit einem kleinen Einführungskurs anfing: wie man die Bögen zu halten hatte, die Pfeile auf die Sehne setzte, die Sehne spannte und so weiter. Wir schauten dabei immer wieder verstohlen Simon an. Der ließ sich aber nichts anmerken.
Jeder bekam so eine Art Fingerhandschuh und einen Unterarmschutz („damit ihr euch nicht mit der Sehne verletzt, die kann die Haut richtig aufratschen“). Dann verteilte man sich auf die Schießplätze und durfte alles ausprobieren, was sie uns gezeigt hatten.
Nach den ersten Katastrophen-Schüssen fing es an, mir richtig Spaß zu machen, und meine Trefferquote war schon ganz passabel. MM entpuppte sich als ziemlich talentiert, sie war die beste von uns – Simon hielt sich immer noch vornehm zurück. „Habe Ferien …“, lächelte er uns an. JoJo versenkte die meisten Pfeile in der Strohwand, was er auf die „miese Qualität der Pfeile“ zurückführte. Ute hatte noch keinen einzigen Pfeil abgeschossen bekommen, wahrscheinlich stellte sie sich extra blöd an, damit