hervorzuholen, wie scharfe Glassplitter.
«Manchmal», sagte sie schließlich.
«Nun», sagte Sir Thomas, «mehr kann man wohl nicht verlangen.»
KAPITEL 7
Noch am selben Nachmittag wurde Makepeace in frischer, sauberer Kleidung einer neugierigen Horde von anderen Dienstboten präsentiert. Nach der Dunkelheit und Isolation in dem kleinen Zimmer kam ihr alles sehr laut und sehr hell vor. Alle türmten sich über ihr auf, alles war ihr fremd, und Makepeace vergaß sofort alle Namen, die man ihr nannte.
Die Mägde waren anfangs scheu, doch dann bestürmten sie Makepeace mit Fragen über ihren Namen, über London und die gefährliche Welt außerhalb von Grizehayes. Niemand fragte nach ihrer Familie, und Makepeace nahm an, dass ihre Abstammung bereits allseits bekannt war.
Alle schienen der Überzeugung zu sein, dass Makepeace sehr froh und dankbar war, aus ihrem früheren Zuhause «gerettet» worden zu sein. Und alle stimmten darin überein, dass ein weiteres Paar Hände in der Küche sehr willkommen war.
«In der Küche ist sie am besten aufgehoben, meine ich», sagte eine Frau rundheraus. «Sie ist kaum ansehnlich genug, um der Familie aufzuwarten, nicht wahr? Seht sie euch an, die kleine fleckige Katze.»
«Wir haben einen französischen Koch», erklärte eine andere Frau Makepeace, «aber kümmere dich gar nicht um ihn, er ist nur zum Angeben da. Französische Köche kommen und gehen so regelmäßig wie die Apfelblüte. Es ist Mistress Gotely, der du gefallen musst.»
Makepeace wurde also zur Arbeit in die Küche geschickt, die so groß wie eine Höhle war, die Decke geschwärzt von Generationen von Rauch. Die Kochstelle war so riesig, dass Makepeace sechsmal darin Platz gehabt hätte. An den Dachbalken hingen Kräuterbündel, und an den Wänden glänzten die Zinnplatten. Seit Bär ihr heimlicher Passagier war, hatte Makepeace einen empfindlicheren Geruchssinn bekommen. Die Düfte in der Küche drangen mit einer irrsinnigen Wucht auf sie ein – herbe Kräuter und Gewürze, gesottenes Fleisch, Wein, Soße und Rauch. Sie fühlte, wie Bär unruhig wurde. Die Gerüche verwirrten ihn – und machten ihn hungrig.
Mistress Gotely war auf dem Papier lediglich die zweite Köchin, aber in Wirklichkeit die Königin der Küche. Sie war eine große Frau mit einem kräftigen Kiefer, einem gichtkranken Bein und wenig Verständnis für Narreteien. Und natürlich machte Makepeace ganz den Anschein einer Närrin, tollpatschig und unsicher, wie sie war. Sie wollte verzweifelt beweisen, wie nützlich sie sich machen konnte, damit niemand auf die Idee kam, sie wieder in das Vogelzimmer zu sperren. Das allein wäre schlimm genug gewesen, auch ohne einen Geisterbären in ihrem Kopf. Bär mochte weder die Hitze in der Küche noch die Dunkelheit und das Geklapper. Blutgeruch machte ihn fast verrückt, sodass die eine Hälfte ihres Geistes ständig damit beschäftigt war, ihn zu beruhigen.
Nach einer chaotischen und hastigen Einführung in die Abläufe der Hauswirtschaft mit der Spülküche, dem Weinkeller, der Speisekammer und den anderen Räumen ging Mistress Gotely mit Makepeace hinaus in den Hof, wo sich der Brunnen mit der Pumpe, die Kornkammer und das Feuerholz befanden.
In der Sonne sah Grizehayes anders aus. Das graue Mauerwerk hatte an den Stellen, wo es mit Flechten bewachsen war, einen goldenen Schimmer.
Es war ein bunt zusammengewürfeltes Haus: Alte, rissige Steine wechselten sich mit ordentlich geschnittenen grauen Quadern ab, und die Schieferdächer zierten Türmchen und kirchenähnliche Bögen. Makepeace sah Dinge, die bewiesen, dass das Anwesen nicht nur von Geistern bewohnt war: Teppiche hingen aus den Fenstern und wurden ausgeklopft und Rauch quoll aus den großen roten Schornsteinen.
Es ist ein echtes Haus, sagte sich Makepeace. Hier leben Menschen. Ich könnte hier leben.
Blinzelnd blickte sie zu den sonnenbeschienenen Mauern hoch, und dann erschauerte sie unwillkürlich. Es war, als ob man jemandem ins Antlitz blickte, der nur mit dem Mund lächelte, nicht mit den Augen. Irgendwie schaffte es dieses Haus, selbst das Tageslicht kalt wirken zu lassen.
Das Anwesen samt Ställen und dem mit Steinplatten ausgelegten Innenhof wurde von einer sieben Fuß hohen Mauer umgeben. Drei riesige Doggen waren an einer Mauerseite angekettet. Als Makepeace näher kam, sprangen sie auf und schossen auf sie zu, bis sie das Ende ihrer Ketten erreicht hatten. Dann stiegen sie auf die Hinterbeine und knurrten den fremden Geruch an. Makepeace machte einen Satz rückwärts; das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie fühlte, dass auch Bär Angst hatte, spürte ihn wie ein scharlachrotes Nebelwesen, das nicht wusste, ob es die gefletschten Zähne angreifen oder vor ihnen fliehen sollte.
In der umlaufenden Mauer klaffte ein großes Tor, das breit genug für eine vierspännige Kutsche war. Durch die Öffnung sah Makepeace Felder und dahinter das trostlose Moor, in dem sich die Grasinseln wie Federbüsche hochwölbten. Sie dachte an Obadiahs Drohung, sie dort auszusetzen, wo sie erfrieren oder ein herumwandernder Geist ihr Gehirn verzehren würde.
Sei dankbar für das, was du hast, ermahnte sie sich und wiederholte damit die Worte von Young Crowe. Es ist besser, unten in der Küche zu arbeiten, als oben im Vogelzimmer eingesperrt zu sein. Und im Vogelzimmer war es immer noch besser als in der Irrenanstalt von Bedlam. Und selbst Bedlam wäre besser gewesen, als da draußen in der Kälte von verrückten Geistern aufgefressen zu werden.
Tief atmete sie die frische Luft ein und betrachtete wieder die hohen, dicken, sonnenbeschienenen Mauern. Ich kann mich glücklich schätzen, redete sie sich ein. Besser hier drin als da draußen. Grizehayes war fremd und furchteinflößend, aber es war eine Festung. Die Dunkelheit konnte nicht hineingelangen. Doch obwohl sie mit aller Macht daran glauben wollte, fragte sie sich ständig, warum ihre Mutter von hier geflohen war. Ihre Worte gingen ihr nicht aus dem Sinn.
Du hast ja keine Ahnung, wovor ich dich bewahrt habe! Wenn ich in Grizehayes geblieben wäre …
Den ganzen Tag lang unternahm Makepeace heroische Anstrengungen, um sich bei Mistress Gotely beliebt zu machen. Und dann, in der Hektik der Vorbereitungen für das Abendessen, ruinierte sie alles wieder.
Neben dem Herd rannte ein kleiner Küchenhund in einer Tretmühle, einem hölzernen Rad, das an der Wand befestigt war und mit dessen Hilfe der mächtige Bratspieß über dem Feuer gedreht wurde. Der Schwanz des kleinen, hässlichen Hundes war nur noch ein kurzer Stummel und sein Maul war von Hitze und Alter zerknittert. Er keuchte in der rauchigen Luft. Mistress Gotely hatte die Angewohnheit, ihm glühende Kohle vor die Pfoten zu werfen, damit er schneller rannte. Das war mehr, als Makepeace ertragen konnte.
Sie hatte noch lebhaft die Erinnerung an Bärs Kindheit und die glühenden Kohlen im Kopf, über die man ihn zu gehen zwang, damit er «tanzte». Jedes Mal, wenn ein Glutstückchen von dem Rad abprallte und die Funken aufstoben, erinnerte sie sich … fühlte es … fühlte den sengenden Schmerz unter ihren Tatzen …
«Aufhören!», schrie sie schließlich. «Lasst ihn in Ruhe!»
Mistress Gotely starrte sie verblüfft an, und Makepeace erschrak über ihren Ausbruch. Aber sie war so wütend, dass sie sich einfach nicht entschuldigen konnte. Sie stand bloß vor der Tretmühle und bebte vor Zorn.
«Was hast du gesagt?» Die zweite Köchin versetzte ihr einen deftigen Schlag auf den Kopf, der Makepeace zu Boden warf.
Bär tobte, und Makepeaces Wange brannte wie Feuer. Es wäre so einfach gewesen, nachzugeben und sich an diesen dunklen Ort zu begeben, Bär die Kontrolle zu überlassen und zuzusehen, wie er alles ringsum verwüstete … Sie schluckte und verscheuchte diese Gedanken aus ihrem Kopf.
«Er würde schneller laufen», sagte sie erstickt, «wenn seine Pfoten nicht ständig verbrannt wären! Ich könnte mich um ihn kümmern. Ich werde dafür sorgen, dass er schneller läuft, als sie es je erlebt haben.»
Mistress Gotely packte sie am Kragen und stellte sie auf die Füße.
«Es ist mir egal, wie dich deine sturköpfige Mutter erzogen hat», knurrte sie. «Das hier ist meine Küche. Außer mir schreit