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      »Es wackelt mit den Ohren wie mein Nuck! – Ach, du süßes Pferdchen – guten Tag!«

      Unerschrocken reichte sie dem Pferd das Stück Zucker, das sie von der Mutter erbeten hatte.

      »Wenn du morgen wiederkommst, Pferdchen, kriegst du ein Osterei.«

      Inzwischen war auch Frau Sandler aus dem Haus getreten, um Frau Niepel herzlich zu begrüßen. Beide tuschelten leise zusammen, galt es doch, in der Stadt noch einige Osterbesorgungen zu machen, die die Kinder nicht zu hörenbrauchten. Trotzdem drangen einige Worte zu den beiden Knaben hinüber. Der blonde Paul, der recht zahlreiche Sommersprossen im Gesicht hatte, ließ ein lautes Lachen hören.

      »Ich will ein Osterei, so groß wie die goldene Kugel in unserem Garten. Ein anderes will ich nicht! Bring mal so eins mit, Mutter. Der Ziegler hat welche.«

      »Und mir eins aus Schokolade, noch viel größer«, rief Walter, der zweite der Drillinge.

      »Wenn du den Osterhasen siehst, Tante, dann sage ihm doch, dass ich ein bisschen artig war.«

      »Quatsch – Osterhase«, meinte Paul, »ich habe schon viele Hasen gesehen.«

      »Mit goldenem Schwänzchen?« fragte Hedi.

      »Quatsch! – Der Hase hat kein goldenes Schwänzchen.«

      »Aber der Osterhase hat eins, und goldene Ohren, die immerzu wackeln, wenn er ein Ei legt.«

      Paul und Walter lachten laut. »Bist du aber dumm! – Es gibt überhaupt keinen Osterhasen. – Der Konditor macht die Ostereier aus Schokolade und Marzipan. Mutter fährt jetzt zur Stadt und kauft beim Konditor die Ostereier. Aber – du bist eben ein kleines Mädchen, und kleine Mädchen sind immer dümmer als Jungens.«

      »Du bist dumm!«

      »Hahaha – sie glaubt noch an den Osterhasen! – Frage doch deinen Vater. Nu komm endlich zu den Ziegen!«

      Hedi lief davon und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor den Ziegenstall.

      »Ich zeige dir die Ziegen nicht, du hast die Ziege beim letztenmal so am Schwanz gezogen, dass sie geschrien hat. – Die Ziege kann dich nicht leiden. – Geh weg!«

      »Ich will aber die kleinen Ziegen sehen.«

      Energisch schüttelte Hedi den Kopf. »Ich zeige sie dir nicht! Die Mutter von den kleinen Ziegen hat Angst, wenn du kommst. Und die Mutter hat mir gesagt, ich soll gut aufpassen auf die kleinen Ziegenkinder.«

      Da beugte sich Paul nieder und riß von einem Baum einige kleine Zweiglein ab, an denen sich gerade die ersten Blüten zeigten.

      »Ich bringe ihr was zu fressen. – Nun zeige mir die Ziegen.«

      Über Hedis Gesicht glitt ein Schatten, sie wurde tief traurig. Die helle Kinderstimme zitterte vor Bewegung, als sie sagte:

      »Nun hast du dem armen Baum weh getan – alles das sind doch seine Kinderchen, und später werden es mal Kirschen. – Man soll einem Baum nicht die Kinderchen nehmen. – Sieh doch, lauter kleine weiße Knöpfchen! – O weh, der arme Baum!«

      »Wenn's weiter nichts ist! Ich reiße immer Blätter von den Bäumen.«

      »Das sollst du aber nicht«, rief Hedi, »du würdest auch mächtig schreien, wenn ich dir die Haare ausreißen wollte.«

      Paul lachte und griff erneut in die tief herabhängenden Zweige des Kirschbaumes. Doch da stand das kleine Mädchen neben ihm. Die kleinen Hände packten die blonden Locken des Knaben, und grimmig rief es aus:

      »Wenn du noch mehr vom Baum abreißt, reiße ich dir auch die Haare aus!«

      »Lass los!« schrie Paul.

      Der andere Knabe stand mit einem ängstlichen Gesicht abseits und betrachtete die beiden Kämpfenden. Erst als Paul die Zweige des Baumes wieder losließ, sanken auch Hedis Hände herab.

      »Ein böser Junge bist du doch! Und nun komm, jetzt zeige ich dir die kleinen Ziegen, aber anfassen darfst du sie nicht.«

      »Ich will die Ziegen jetzt nicht mehr sehen. Wir haben viel mehr Kühe, Pferde und Schweine als ihr. Und wenn ich nach Hause komme, kann ich die Kühe alle an den Schwänzen ziehen. Da sagt niemand was, und es tut ihnen auch nicht weh.«

      Hedi hatte die abgerissenen Zweige des Kirschbaumes aufgehoben und mitleidig betrachtet. Sie ging an den Stamm des Baumes und ließ liebkosend die Hände darüber gleiten.

      »Hat er dir so viele Kinderchen fortgenommen, der böse Junge! Aber weine mal nicht, du kriegst wieder viele neue Kinderchen. Und die Kinderchen werden alle groß und werden rote Kirschen. Dann kommen sie zu uns und sagen: Esst uns auf, wir wollen alle zu dir!«

      »Was redest du immerzu?« fragte Walter.

      »Und dann kommen die Sperlinge zu den roten Kirschenkindern und sagen: Wir möchten auch gerne was haben, und der gute Kirschbaum lässt sie essen und sagt: Ich will euch eine Freude machen, aber ihr müßt dann auch schön singen. Am Abend sitzen die Vögelchen alle zusammen und singen dem Kirschbaum ein Lied. Dann freut er sich und schläft bis zum anderen Morgen. Und in der Nacht kommt die Traumfee und erzählt dem Kirschbaum von den kleinen Sperlingskindern, die alle sehr froh sind, dass der Sperlingsvati ihnen eine Kirsche gebracht hat. Dann freut sich der Kirschbaum, pustet sich auf und macht die Kirschen noch viel größer.«

      Walter Niepel betrachtete neugierig den Baum. Wenn er bei Hedi war, wusste die Kleine immer etwas Sonderbares zu erzählen. Das hörte er gern. Er wies auf gelbe Blümchen, die schon neugierig die Köpfchen aus der Erde gestreckt hatten.

      »Kommt die Traumfee auch zu den gelben Blumen dort drüben?«

      Hedi lief zu einem Busch Himmelschlüssel, kauerte sich nieder und winkte mit den kleinen Fingerchen den Gefährten heran.

      »In jeder Nacht kommt ein Englein zu diesen Blümchen, denn sie kommen aus dem Himmel, darum heißen sie auch Himmelschlüssel.«

      »Ach!«

      »Ja – da ist der Diener vom lieben Gott mal hinter dem lieben Gott hergegangen, und als sich der liebe Gott umgedreht hat und sagte: Du, schließe mir mal ganz schnell die Türe zum Himmel auf, hat der Diener so einen Schreck bekommen, dass ihm die goldenen Schlüssel, pardauz – durch die Wolken gefallen sind, ganz, ganz tief herunter! Und dann haben sie sie gesucht. Aber Mutter Erde hat gesagt, dass sie aus den Schlüsseln ein Blümchen machen will. – Guck mal, so sehen die Schlüssel aus, die der liebe Gott braucht, um den Himmel aufzuschließen.«

      »Sind nun die Schlüssel gerade in euren Garten gefallen?«

      Hedi überlegte ein Weilchen, dann sagte sie ernsthaft:

      »Ja – so wird es wohl sein.«

      »Ich habe aber beim Schmanzbauern auch Himmelschlüssel gesehen. Sind dort auch die Schlüssel vom lieben Gott hingefallen?«

      »Er wird wohl viele Schlüssel gebraucht haben, um in den Himmel zu gehen. Als nun die Schlüssel durch die Wolkenfielen, sind die Englein gekommen und haben die vielen Schlüssel auseinandergepustet. Da sind auch ein paar Schlüssel zum Schmanzbauer gefallen.«

      »Warum sind denn zu uns keine Schlüssel gefallen?«

      Hedi wollte eben eine Antwort darauf geben, als sie ein lautes, ärgerliches Bellen des Jagdhundes hörte. Die Kleine schaute sich um.

      »Ich glaube, der böse Junge ärgert schon wieder den guten Harras.«

      Mit fliegendem Röckchen eilte das Kind durch den Garten. – Richtig, dort stand Paul und hatte dem Harras einen Bindfaden um ein Ohr gebunden. Der gutmütige Hund bellte zwar den unnützen Knaben an, versuchte mit der Pfote den Bindfaden zu lösen, aber es gelang ihm nicht. Als er Hedi kommen sah, sprang er seiner kleinen Beschützerin entgegen und hielt ihr das zugebundene Ohr hin.

      »Oh, wie bist du garstig«, schalt das