Magda Trott

Pucki


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klang es plötzlich schluchzend von Walters Lippen. »Sie hat so große Eier, ich will auch so große Eier!«

      Hedi biß von einem Ei ein Stück ab und legte die andere Hälfte vor Walter nieder.

      »Da hast du!«

      »Ich will keine kaputten Eier, ich will große, richtige Eier!«

      Auch jetzt musste Onkel Niepel wieder den Streit schlichten. Die Tränen seines Sohnes versiegten bald, zumal im Kinderzimmer der Kaffeetisch gedeckt war und Fräulein Irma die Kleinen zum Essen rief.

      Mit rot geweinten Augen kam auch Paul herbei. Hedi ging auf ihn zu, legte beide Arme um seinen Hals und sagte:

      »Brauchst nicht zu weinen, ich schenke dir Eier, ich habe genug. Komm, such dir aus.«

      Als Paul aber nach dem größten griff, hielt sie rasch die Hände darüber.

      »Das kannst du haben, und das – und das – – aber das hier nicht.«

      Schließlich gab sich Paul zufrieden; er meinte jedoch, Hedi sei ein dummes Mädchen, das er nicht leiden könnte.

      Nach dem Kaffeetrinken schlug Fräulein Irma vor, ein Kreisspiel zu spielen. Doch die Drillinge lehnten energisch ab.»Wir gehen lieber in die Ställe. Hedi kommt mit.«

      »Ach ja!« jauchzte das Kind, »zu den vielen Kühen und den lieben Schweinchen!«

      »Ihr werdet doch nicht in den Kuhstall gehen, die Kühe können euch schlagen.«

      Paul lachte auf. »Du hast immerzu Angst, Fräulein Irma! Oh – sie hat immer Angst, sie streichelt nicht mal die Pferde.«

      »Ihr sollt nicht in die Ställe gehen!«

      Lachend stürmte die kleine Schar davon. Sie lachten noch lauter, als sie Fräulein Irma sahen, die scheltend auf der Verandatreppe stand.

      Erst ging es zu den Schweinen. Die Hühner interessierten die kleine Hedi zu wenig, denn Hühner gab es auch im Forsthaus. Doch die vielen Schweine, die nebeneinander in dem Stall standen, waren für Hedi eine riesige Freude.

      »Hm –« sagte sie, indem sie in vollen Zügen die Luft einzog, »das riecht hier noch schöner als der Wald.«

      Paul hatte keine Ruhe, er wollte weiter zu den Kühen. So kletterte Hedi von der Schweinebucht herab und lief mit den Knaben zum Kuhstall. Der Schweizer, der dort beschäftigt war, hob warnend den Finger, als Hedi schnurstracks auf den großen Bullen zuging.

      »Dort geh nicht hin!«

      Das Kind blieb stehen, hielt dem Tier ein Bündel Stroh entgegen und sagte mit seiner hellen Stimme:

      »Komm ruhig, ich tu' dir nichts, du brauchst dich nicht zu fürchten.«

      Der Schweizer passte gut auf, denn dem Bullen war nicht zu trauen. Gar zu leicht konnte ein Unglück passieren. Paul erklärte zwar, er fürchte sich nicht, nur der Schweizer sei ein Angstmeier!

      Ganz plötzlich erhob der Bulle den Kopf. Die Kette klirrte, und er ließ ein lautes Brüllen hören. Da stürmte Paul zurück, riss in seinem Schreck Hedi um, die in das schmutzige Stroh fiel und laut zu schimpfen begann.

      »Du böser Junge, du – – du bist ein Angstmeier!«

      Doch zog sie es vor, aus der Nähe des Bullen zu gehen und lieber die Kühe zu besuchen, die sich streicheln ließen.

      »Jetzt gehen wir zu den Pferden und zum Hinkeldei«, schlug Paul vor.

      »Hinkeldei?« fragte Hedi, »ist das auch ein Pferdchen?«

      »Du Dummsack! – Das ist der neue Knecht. – Pass mal auf, wie der läuft.« Paul stolzierte über den Hof, dabei knickte er mit dem linken Bein tief ein und rief: »Hopp-la, hopp-la, hopp-la – – So geht er, unser Hinkeldei.«

      »Warum geht er so?«

      »Er kann nicht anders gehen, er hat mal das Bein zerbrochen.«

      »Hat er es wieder geflickt? – Unser Männe hatte sich auch mal das Bein gebrochen, aber er geht nicht hopp-la, hopp-la. – Vati hat dem Männe ein Tuch ums Bein gewickelt, und dann ist es wieder richtig gewesen. – Hat der Hinkeldei nicht auch ein Tuch ums Bein gewickelt?«

      »Komm, ich zeige dir den Hinkeldei.«

      »Der Vater hat doch gesagt, du sollst nicht so reden«, meinte Fritz.

      Doch Paul hörte nicht auf die mahnenden Worte, er hinkte den anderen lustig voran, hinein in den Pferdestall.

      Dort stand ein junger Bursche, den Hedi noch nie bei Niepels gesehen hatte. Er hatte ein Gesicht mit mehreren Narben, große abstehende Ohren und war nicht gerade schön zu nennen. Trotzdem machte Hedi einen artigen Knicks und sagte freundlich:

      »Weidmannsheil, Herr Hinkeldei.« Sie erinnerte sich, dass der Vati immer diesen Gruß gebrauchte. Da er sie ermahnt hatte, artig zu sein, wollte sie es dem Vati nachtun. Aber der Knecht schien von dieser Begrüßung nicht erfreut zu sein. Er gab keine Antwort und wandte sich ab. Hedi wartete, dass er einige Schritte gehen möchte. Gar zu gern hätte sie gesehen, wie man mit einem zerbrochenen Bein gehen konnte. Doch erst nach längerer Zeit wurde ihr Wunsch erfüllt.

      Wahrhaftig! – Der Mann ging immer schief auf der einen Seite. Hedi hätte ihn gar gern gefragt, doch machte er ein so unfreundliches Gesicht, dass sie sich nicht traute, etwas zu sagen. Erst viel später, als die Kinder wieder draußen im Hof waren und von Fräulein Irma angstvoll in Empfang genommen wurden, wagte sie zu fragen.

      »Es ist hässlich vom Paul, den armen Menschen zu verspotten. Wenn der Knecht das Unglück hatte, vom Baum herabzufallen und das Bein zu brechen, darf man darüber nicht lachen.«

      »Ich lache doch«, rief Paul vorlaut und schrie aus Leibeskräften, dass es über den Gutshof schallte: »Hinkeldei – – Hinkeldei!«

      »Ärgert er sich darüber?« fragte Hedi.

      »Gewiss, mein Kind, so etwas darf man nicht sagen.«

      »Hinkeldei – Hinkeldei«, höhnte Paul weiter.

      »Sei still«, meinte Hedi, »wenn es ihn doch ärgert, wollen wir es nicht mehr sagen. Wenn er schon das Bein gebrochen hat, wird er sehr traurig sein.«

      »Das ist mir einerlei, mir macht es Spaß!«

      »Ach, Paul, ich schenke dir auch noch ein Osterei, ein großes, goldenes. Mutti sagt immer, man darf kranke Leute nicht ärgern.«

      »Seht mal alle her!« Paul hinkte erneut über den Hof und machte es so drollig, dass die beiden Brüder hell lachten. Sinnend stand das kleine Mädchen daneben. Das Verhalten des Spielgefährten missfiel ihr. Sie erinnerte sich, dass einmal ein Mann mit einem Arm ins Forsthaus gekommen war. Sie hatte damals staunend gelacht, weil der eine Ärmel der Jacke leer herunterhing. Aber Vater und Mutter waren darüber sehr traurig gewesen. Sie hatten ihr erzählt, dass es ein großes Unglück sei, wenn ein Mensch seine Glieder nicht richtig gebrauchen könnte. Daran dachte das Kind in diesem Augenblick.

      Wie ein Pfeil schoß Hedi vor, warf sich auf Paul und trommelte mit beiden Fäusten auf seinem Rücken herum.

      »Du bist ein garstiger Junge! Wenn er ein kaputtes Bein hat, so trauert er darüber, dann ärgert er sich, und du sollst ihn nicht ärgern.«

      »Lass mich in Ruhe!«

      Fräulein Irma war genötigt, auch jetzt wieder die beiden Kampfhähne zu trennen. Mit drohend erhobener Faust ging Paul davon.

      »Ich kann dich überhaupt nicht mehr leiden! Du brauchst gar nicht mehr herzukommen.«

      Als man später im Garten saß, fehlte Paul. Er war auf einen Baum geklettert und warf mit trockenen kleinen Ästen nach den Spielenden. Von Zeit zu Zeit rief er Worte herunter, die Hedi aufs neue ärgerten.

      Plötzlich ein Schrei – ein dürrer Ast, auf den sich der Knabe geschwungen hatte, brach herab, Paul stürzte mit ihm in die Tiefe. Das Kinderfräulein lief entsetzt herbei, gefolgt von den